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PROZESS ZUM PSYCHIATRIEFALL IN POTSDAM: Plädoyers mit Kritik am Klinikum

Im Prozess um einen mutmaßlichen Totschlag in einer Potsdamer Klinik, plädiert der Anwalt für einen Freispruch der Angeklagten. Diese habe die getötete Seniorin wohl als Roboterfrau wahrgenommen.

Potsdam - Im Prozess um eine in der städtischen Psychiatrie erwürgte Seniorin haben die Verteidiger den Freispruch der 37 Jahre alten Angeklagten gefordert. Ihre Täterschaft sei nicht zweifelsfrei erwiesen, sagte Verteidiger Robert Kain am Dienstag bei seinem Plädoyer im Potsdamer Landgericht. Zugleich bemängelte er ein aus seiner Sicht „beispielloses Zusammenspiel aus Kompetenzlosigkeit und fehlendem Engagement“, sowohl bei den Strafverfolgungsbehörden als auch beim kommunalen Klinikum „Ernst von Bergmann“ als Betreiber der Psychiatrie In der Aue. So habe nach der Entdeckung der toten 82-Jährigen am 10. Juli vergangenen Jahres „keine vernünftige Spurensicherung“ stattgefunden – es sei nur einseitig in Richtung seiner Mandantin ermittelt worden. So habe er den Eindruck, dass etwas vertuscht werden solle und das Klinikum in dem Verfahren schriftlich alles möglichst so darstelle, dass es aus einer eigenen Haftung entlassen werden könnte.

„Ich bin mit der Leistung des Klinikums unzufrieden“

Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft nutzte sein Plädoyer für Kritik. „Ich bin mit der Leistung des Klinikums unzufrieden“, sagte er – und machte deutlich, dass er in dem Verfahren nicht jede Aussage des städtischen Unternehmens glaube. „Wir müssen auch das Verhalten des Klinikums ins Auge nehmen, ob hier aus Angst vor Schadensersatzforderungen oder Reputationsverlust etwas passiert ist, was für uns relevant ist“, sagte der Staatsanwalt mit Blick auf das Verfahren. Bereits der vom Gericht bestellte psychologische Gutachter hatte wie berichtet die Sicherheitsvorkehrungen in der Psychiatrie kritisiert. Der Sohn der getöteten Rentnerin hatte dem Klinikum gar eine direkte Mitschuld am Tod seiner Mutter gegeben und fordert Schmerzensgeld. Das Klinikum hatte hingegen nach einer Sicherheitsüberprüfung erklärt, dass es „unvermeidbare schicksalhafte und nicht vorhersehbare Vorkommnisse“ gebe. Die Deutsche Psychiatrie-Gesellschaft hatte erklärt, heutzutage werde das Selbstbestimmungsrecht von Patienten auch aus medizinischen Gründen höher eingeschätzt als in früheren Zeiten: Daher gebe es für die Überwachung von Psychiatriepatienten keine festen Regeln – so könnten individuelle Fehler entstehen.

Als Roboterfrau wahrgenommen 

In den Plädoyers selbst kam die Staatsanwaltschaft zu einem anderen Schluss als die Verteidiger und forderte die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. So seien die DNA-Spuren, die vor Ort sichergestellt wurden, eindeutig. Zudem habe die Angeklagte im Gespräch mit einem Psychologen gesagt, sie habe die getötete Seniorin in der Tatnacht nicht als echte Person, sondern als Robotermensch wahrgenommen, die ihre Gedanken entziehe – und sei nach der Tat selbst über ihr Verhalten erschreckt, so der Anklagevertreter. Diese Aussage sei aber während einer akuten Psychose und unter Druck getätigt worden, bemängelte die Verteidigung. Die Angeklagte hat nach ihren Angaben keine direkten Erinnerungen an die Tat. Am Dienstag sagte sie vor Gericht, „dass es mir leidtut, wenn ich es gewesen sein sollte“.

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