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Der Prozess findet vor dem Potsdamer Landgericht statt.

© Sebastian Gabsch

Prozess wegen mutmaßlicher Kindstötung: Plötzlich sei der Bauch weg gewesen

Am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen eine Potsdamerin wegen mutmaßlicher Kindstötung sagten zwei wichtige Zeugen aus.

Von Carsten Holm

Potsdam - Es ist wie ein Puzzlespiel mit einer Vielzahl kleiner Teile, die die Große Strafkammer des Landgerichts Potsdam als Schwurgericht zusammenfügen muss. Sie muss aufklären, ob die heute 61 Jahre alte Potsdamerin Marina S. vor mehr als 21 Jahren ein „lebensfähiges Kind geboren und danach getötet“ hat – wovon die Staatsanwaltschaft überzeugt ist.

Die Angeklagte machte von ihrem Schweigerecht Gebrauch, ihr geschiedener Ehemann Klaus-Dieter S. hatte zugegeben, kurz nach der Tat hinzugekommen zu sein und das tote Baby im Hausmüll entsorgt zu haben. Er habe geahnt, dass ein anderer der Vater war. Aber es gibt keine Leiche, keine DNA-Analyse, nicht einmal objektive Beweise für eine Schwangerschaft – bisher nur die Aussagen von Zeugen, die einen gerundeten Schwangerschaftsbauch gesehen haben wollen. 

Die Frau soll gegen Ende der Schwangerschaft nicht mehr zu sehen gewesen sein 

Am Montag, dem dritten Verhandlungstag, traten zwei Männer in den Zeugenstand, die zum Kreis der Potsdamer gehörten, die in der Gartensiedlung Am Kanal Zeit mit Marina S. und ihrem damaligen Ehemann verbrachten und zwischen dem 1. April und dem 21. August 2000, dem von der Anklage angenommenen Tatzeitraum, etwas beobachtet haben könnten. Beide hatten schon in polizeilichen Vernehmungen ausgesagt, beide erinnerten sich recht genau. Siegfried W. etwa erzählte, er habe „mitgekriegt, dass der Bauch der Angeklagten immer mehr gewachsen“ sei. Darauf angesprochen, habe der Ehemann geantwortet, seine Frau habe „immer mehr gegessen“. Als Vorsitzender Richter Theodor Horstkötter fragte, ob er denn Marina S. nach der Schwangerschaft gefragt habe, war nur ein knappes „Nee“ zu hören.

Zu den Seltsamkeiten in der Gartensiedlung gehörte wohl auch, dass vorzugsweise die Männer ein Feierabendbier und, bei der Übertragung von Boxveranstaltungen vor dem Fernseher, auch ein paar Biere mehr tranken – der Offenheit untereinander aber enge Grenzen setzten. Plötzlich sei Marina S., so Siegfried W., „nicht mehr draußen aufgetaucht“, von einem dreiwöchigen Urlaub sei die Rede gewesen. Später habe er bemerkt „dass sie keinen Bauch mehr hatte“.

Der Ehemann sei sich sicher gewesen, nicht der Vater des Kindes zu sein 

Immerhin erfuhr W. von Klaus-Dieter S., dass er sich sicher sei, nicht der Vater des Kindes zu sein, aber auch, dass er sich mit seiner Frau gegen Ende der Schwangerschaft ausgesprochen und ihr vergeben habe. Vater sei wohl der Mitarbeiter einer Firma für Bausteine, für die sie gearbeitet habe. Ob er Klaus-Dieter S., der von seiner Frau womöglich hintergangen, von ihr geschieden und aus der Wohnung hinausgeklagt worden war, zutraue, Lügen zu verbreiten, um ihr zu schaden, fragte Horstkötter. „Nein“, antwortete W.

Harry K., einer aus dem Freundeskreis, sagte aus, S. habe ihm „glaubhaft“ berichtet, dass er eines Tages früher als üblich nach Hause gekommen sei, als seine Frau das Baby in der Badewanne geboren, es offenbar getötet habe – und er es in einer Tüte in den Müll geworfen habe. Klaus-Dieter S. sei „erschüttert darüber gewesen, dass er die Entsorgung vorgenommen“ habe. Er selbst habe es „komisch“ gefunden, sagte K., dass sein Freund nicht einen Arzt rief, um seiner Frau helfen zu lassen: „Das finde ich heute noch komisch.“

Der Zeuge bejahte die Frage des Vorsitzenden Richters, ob Klaus-Dieter S. nach dem Geschehen denn Frieden mit seiner Ehe gemacht habe: „Es hat lange gedauert.“

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