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Im Gerichtssaal hält sich Kindermörder Silvio S. einen Aktenordner vors Gesicht.

© Foto (Archiv): Ralf Hirschberger/dpa

Prozess gegen Kindermörder Silvio S.: Opfer-Anwalt stellt Befangenheitsantrag gegen Richter

Der Prozess gegen den Kindermörder Silvio S. in Potsdam wurde erneut unterbrochen. Grund waren saloppe Äußerungen des Vorsitzenden Richters.

Potsdam - Beim Revisionsprozess gegen den Kinderdoppelmörder Silvio S. hat es am Freitag einen Eklat gegeben. Denn kurz vor Ende dieses vierten Verhandlungstages stellte Nebenklage-Anwalt Andreas Schulz, der die Familie des ermordeten Flüchtlingskinds Mohamed vertritt, gegen den Vorsitzenden Richter Klaus Feldmann einen Befangenheitsantrag. Der hatte zuvor einen weiteren Vorstoß von Schulz zur Anhörung eines weiteren Zeugen abgelehnt – und zwar in einem etwas saloppen Ton.

Demnach wollte der Nebenklage-Anwalt den Namen von einem Gefängnis-Psychiater erhalten, der mit S. nach dessen Festnahme gesprochen hatte – um diesen als Zeugen laden zu können. Doch der Richter half ihm dabei nicht. Besonders störte sich Schulz, der als einer der renommiertesten Opferanwälte in Deutschland gilt, an der Formulierung von Richter Feldmann, man müsse doch nun „zu Potte“ kommen.

Richter: Anwalt solle Antrag auf Rückseite der Speisekarte schreiben

Ferner hatte der Richter angeregt, der Jurist könne seinen konkreten Beweisantrag doch auch in der Kantine des Landgerichts schreiben – „auf der Rückseite der Speisekarte“.

Das sei eine despektierliche Äußerung, ärgerte sich Schulz. Etwas später sagte der Anwalt aber auch, wenn ihm der Richter entgegenkomme, dann könne er sich den Befangenheitsantrag auch sparen. 

Was Richter Feldmann nun macht, blieb zunächst offen. Am Landgericht müssen nun Kollegen von Feldmann in der kommenden Woche entscheiden, wie es in der Sache weitergeht. Wird dem Antrag stattgegeben, müsste der Richter ersetzt oder das ganze Verfahren sogar neu angesetzt werden. 

Warum der Zeuge so wichtig ist

Der mögliche Zeuge ist aus Sicht der Nebenklage wichtig: Er ist – eben ohne Namen – in der psychologischen Expertise des Gerichtsgutachters Matthias Lammel genannt. Demnach hatte S. ihm gesagt, die Entwicklung bei den Taten sei „fast zwangsläufig verlaufen“ und die Kinder seien auf ihn zugekommen. In beiden Prozessen hat sich S. hingegen bisher nicht zu den Taten geäußert.

Am Anfang des Verhandlungstages ging es um Details der Taten. So hat S., sieben Monate bevor er sich an dem sechs Jahre alten Elias aus Potsdam verging und ihn umbrachte, seine sexuellen Fantasien an einer Puppe ausgelebt. Das wurde aus der Aussage der Kommissarin Annika D. deutlich, die am Freitag aussagte. Demnach hatte der jetzt 35-Jährige eine Kamera genutzt, um sich und eine Puppe an drei Tagen im Dezember 2014 bei sexuellen Handlungen zu filmen. Am 8. Juli 2015 verschwand dann Elias spurlos – der Auftakt eines für Potsdam beispiellosen Verbrechens. 

Bizarre Entdeckungen bei Silvio S.

Die Kommissarin hatte schon im ersten Prozess gegen den Kindermörder ausgesagt und die bizarren Entdeckungen geschildert, die in seiner Wohnung – über den vier Wänden der Eltern – gemacht wurden. Unter anderem fanden die Beamten in dem Haus im Dörfchen Kaltenborn bei Jüterbog damals Massen an ausgeschnittenen und teils vergilbten Kinderbildern, aber auch Sado-Maso-Utensilien, Kinderbekleidung, Einwegfesseln und einen Teddy mit einer Kamera hinter den Augen. 

Außerdem waren dort handschriftliche Notizen, etwa „Messer“, „Kind besoffen machen“, „Mund zukleben“. Im Auto hatte S. eine Tasche mit Spielzeug, Fesseln und Chloroform im Auto deponiert.

Muss der Kindermörder in die Sicherungsverwahrung?

Anhand all dessen soll das Gericht entscheiden, ob der Doppelmörder von Elias und dem vier Jahre alten Mohamed nach seiner lebenslangen Haftstrafe in die sogenannte Sicherungsverwahrung muss, um die Öffentlichkeit vor ihm zu schützen. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass diese Frage noch einmal erörtert werden muss, nachdem sich das Landgericht im ersten Prozess 2016 gegen die Sicherungsverwahrung entschied, allerdings S. wegen Missbrauch und Mord verurteilte und dabei auch die strafverschärfende besondere Schwere der Schuld feststellte, was mindestens 20 Jahre Gefängnis bedeutet. 

Auch auf diesen BGH-Beschluss verwies Schulz bei dem Befangenheitsantrag: Das Gericht müsse den Fall eben genau überprüfen, auch wenn das Zeit kostet. 

Silvio S. schweigt

Doch auch die aktuelle Aussage der Kommissarin brachte den zur Beurteilung des Falls eingesetzten Gutachters Matthias Lammel nicht viel weiter. Denn natürlich gebe es die Bildsequenzen, sagte er. Doch angesichts des Schweigens von S. könne er nicht objektiv nachvollziehen, wie sich von den Bildaufnahmen aus der Weg zur Tat vollzog. So lasse sich der zur Anordnung einer Sicherungsverwahrung nötige Hang zu immer neuen Verbrechen weder ausschließen noch annehmen, bejahte Lammel eine Frage von Staatsanwalt Peter Petersen. Zugleich betonte er aber auch, keine Zweifel an der Gefährlichkeit des Angeklagten zu hegen – doch für die Sicherungsverwahrung müsse eben auch der Hang empirisch nachgewiesen werden.  Lammel hatte schon im ersten Prozess festgestellt, dass Silvio S. an einer Persönlichkeitsstörung leidet. Er habe ein sozial isoliertes Leben geführt und offenbar die Kinder als Opfer gewählt, weil er sie körperlich besser beherrschen konnte. Am Freitag sagte er, es seien auch Neigungen zu Kindern vorhanden, doch auch daraus könne er nicht den Hang ableiten.

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