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Der Prozess wird seit Montag zum Teil neu aufgerollt.

© Sebastian Gabsch

Prozess am Landgericht Potsdam: Angeklagter war laut Ermittlern allein mit dem Säugling

Ein Potsdamer soll ein Baby fast zu Tode geschüttelt haben – vor Gericht wurden nun weitere Ermittlungsdetails bekannt. Sie sprechen nicht für den Angeklagten.

Potsdam - Im Prozess gegen einen Potsdamer, der einen fünfeinhalb Monate alten Säugling so stark geschüttelt haben soll, dass dieser fast starb, haben Ermittler den Angeklagten schwer belastet. Im Landgericht Potsdam sagten am Dienstag zwei mit den Ermittlungen beziehungsweise der Festnahme betraute Polizisten aus, die den Verdacht gegen den 1987 geborenen Mann erhärteten, dass er am 28. Oktober 2020 in seiner Wohnung in Drewitz gegen das Kind gewalttätig wurde. Ihm wird versuchter Totschlag vorgeworfen.

Polizei erstellte Bewegungsprofile

Einer der beiden Beamten hatte nach der Einlieferung des Kindes zwei Bewegungsprofile erstellt – eines von der leiblichen Mutter und eines von dem Angeklagten, bei dem sie und ihr Sohn gerade eingezogen waren. Wie berichtet hatte sich der Mann mit der langjährigen Freundin eine echte Liebesbeziehung erhofft, die Frau war dagegen auch am Tag der mutmaßlichen Tat nach einer langen Nacht noch bei einem Bekannten in der Wohnung, als sie gegen 11.30 Uhr der Anruf des Angeklagten erreichte, in dem er mitteilte, dass mit dem Kind etwas nicht stimme. 

In dem Milieu voller Drogen- und Alkoholkonsum seien die Ermittlungen mitunter schwierig gewesen, gerade in Bezug auf das Erinnerungsvermögen der Zeugen, sagte der Kriminalist. Gleichwohl habe sich gezeigt, dass die Mutter vom frühen Abend an fast durchweg unterwegs war, etwa in einem Billard-Café oder bei besagtem Bekannten. Das hatte die Mutter im Zeugenstand auch selbst geschildert. Der Angeklagte sei ab dem Morgen, als seine leibliche Tochter die Wohnung in Richtung Schule verließ, mit dem Baby allein gewesen.

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Um etwa 11.30 Uhr seien dann gleich mehrere Anrufe verzeichnet worden, auch der Notanruf an die Mutter. Zugleich habe der Arzt, der das Kind zuerst behandelte, anhand der Verletzungen des Kindes analysiert, dass diese noch nicht lange zurückliegen könnten, von einem Zeitraum zwischen zwei und fünf Stunden war die Rede – das wäre jene Zeit, in der der Mann mit dem Säugling allein war.

Ein Milieu mit Alkohol und Drogen

Zur Beziehung zwischen der leiblichen Mutter des Säuglings und dem Angeklagten hieß es, diese sei geprägt gewesen von Drogenbeschaffung. Den Angeklagten habe es dabei mehrfach verletzt, dass die Mutter nie pünktlich gewesen sei. Am Tattag sei sie auch nicht zu Hause gewesen, möglicherweise habe sich der Angeklagte dann Fragen gestellt, warum er jetzt allein zuständig sei, deutete der Kriminologe an. 

Zudem sei der Mann von einer früheren Partnerin als aggressiv beschrieben worden, auch von einem eingestellten Misshandlungsverfahren gegenüber seiner eigenen Tochter war die Rede. Die frühere Lebenspartnerin des Angeklagten sagte hingegen, nach einer Therapie sei der Angeklagte deutlich weniger aggressiv aufgetreten. Ein Baby zu schütteln, „dass würde er niemals tun“, zeigte sich die Alkoholikerin sicher. 

Sie hatte nach Polizeiangaben auch gemutmaßt, dass die Mutter des Säuglings die Verletzungen selbst verursacht haben könnte – weil sie mit dem Kinderwagen mehrfach gegen einen Schrank geknallt und auch Treppen nur unsanft herunter gefahren sei. Mit einer Rekonstruktion des Geschehens habe man aber ausschließen können, dass nur mit dem Kinderwagen so gravierende Verletzungen entstanden sein könnten, so der Kriminalist im Zeugenstand.

Der Zustand des Kindes ist unverändert sehr schlecht

Der Zustand des Kindes ist noch immer kritisch. Eine Mitarbeiterin des Jugendamts in Potsdam-Mittelmark, das die Amtsvormundschaft übernommen hat, beschrieb den heute Zweijährigen als schwerstbehindert und pflegebedürftig. Er sei blind, könne nur pürierte Kost schlucken, leide an Epilepsie und Spastiken. 

Er sei auf dem Entwicklungsstand eines drei Monate alten Kindes. Nach Einschätzung der Ärzte ist das auf den Angriff gegen das Kind zurückzuführen. Fraglich sei, wie lange das Kind in diesem Zustand noch überlebensfähig sei. Der Prozess wird fortgesetzt.

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