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Protz-Schau aus Moskau: Original-DDR-Ausstellung wird in Potsdam gezeigt

Im Sommer 1989 hat es den letzten großen Auftritt der DDR in Moskau gegeben. Jetzt kommen Teile der Ausstellung nach Potsdam.

Potsdam - Spielende Kinder am Springbrunnen, Mütter in Sommerkleidern, Teenager auf Parkbänken, im Hintergrund saubere Silhouetten moderner Hochhäuser. Daneben glückliche Gesichter behelmter Bauarbeiter und Rentner beim Plausch vor der Kaufhalle: So sah sich die DDR gerne. Solche Bilder eines idyllischen und modernen Arbeiterstaats, konkret aus der Hauptstadt der DDR, zeigte die SED noch im Sommer 1989, als die DDR gerade zusammenbrach, auf einer großen Ausstellung in Moskau. Im 30. Jahr nach der Wende zeigt das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) jetzt originale Teile dieser Schau in der kommenden Sonderausstellung „Fundstücke aus Brandenburg – zwei Ausstellungen aus dem Jahr 1989“.

"Eine sozialistische Leistungsschau"

Zusammenhänge und Herkunft der Fundstücke erklärte am Mittwochabend Historiker Thomas Wernicke bei einer Veranstaltung der Studiengemeinschaft Sanssouci e.V. im HBPG: „Potsdam – Berlin – Moskau 1989“. Entdeckt wurden die für Moskau gedachten Tafeln im Depot im Freilichtmuseum Altranft im Oderbruch – bei einem Arbeitsbesuch von Thomas Wernicke und Kurt Winkler vom HBPG. Die Ausstellungswände mit großen, rotstichigen Fotografien und russischer Beschriftung fielen sofort auf. Wernicke recherchierte und fand bald heraus, dass es sich um den letzten großen Auftritt der DDR in Moskau handelte. Auf 14.000 Quadratmetern wurde dort vom 1. bis 20 Juni 1989 „40 Jahre DDR-Hauptstadt Berlin“ gefeiert. „Eine sozialistische Leistungsschau, beauftragt vom Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung von Ost-Berlin, Günter Schabowski“, so Wernicke. Die Moskauer sollten sehen, wie wunderbar man in Berlin lebte. Dazu wurde ordentlich aufgefahren, neben 1000 Fototafeln zeigte man eine Art Erlebniswelt DDR: moderne Haushaltsgegenstände und Unterhaltungstechnik, eine komplette, zu benutzende Phonobar mit Schallplatten, ein möblierter Kindergarten, eine Zahnarztpraxis und ein Krankenhauszimmer. „Das Highlight war eine komplett eingerichtete Dreiraum-Neubauwohnung“, sagt Wernicke. „Unglaublich, wenn man bedenkt, wie die Menschen in Moskau damals wohnten.“

Potsdam 1989: Ein Bild aus der SED-Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. 
Potsdam 1989: Ein Bild aus der SED-Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. 

© Andreas Klaer

Die Protz-Schau war ein großer Erfolg, 400.000 Besucher wurden gezählt. Auch die DDR-Medien berichteten darüber, beispielsweise die Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“. Solche Filme, zu finden im Deutschen Rundfunkarchiv, verdeutlichen die Absurdität der Zeit. Während DDR-Bürger bereits massenhaft über Ungarn in den Westen flüchteten, feierte man sich selbst noch einmal ausgiebig. Sieben bis acht Millionen Ostmark, eine ganz gehörige Summe, kostete der Spaß, dazu kamen die Arbeitskräfte, die dafür abgestellt werden mussten. Die parteieigene Werbeagentur Dewag musste neue Technik anschaffen, stellte Schrift- und Grafikmaler und besorgte Monteure. Hunderte Helfer wurden für Aufbau und Standbetreuung vor Ort, darunter Fachpersonal wie Ärzte, rekrutiert. „Die fehlten dann natürlich in den DDR-Betrieben.“

Potsdamer Bürger haben in Handarbeit Bildtafeln für die Rettung ihrer Altstadt gefertigt.
Potsdamer Bürger haben in Handarbeit Bildtafeln für die Rettung ihrer Altstadt gefertigt.

© HBPG. Michael Heinroth

In Potsdam wird die Ausstellung mit einer anderen kombiniert

Auch deshalb wird diese historische Ausstellung in Potsdam mit einer anderen historischen kombiniert. „Suchet der Stadt Bestes“ war in privater Initiative entstanden und zeigte ein ganz anderes Bild der DDR: die verfallene Altstadt, Bilder, die teilweise an die Zeit nach dem Krieg erinnerten. Im Herbst 1989 wurde sie in der Potsdamer Nikolaikirche gezeigt, erstmals wurde öffentlich der Umgang der Stadt Potsdam mit der Altbausubstanz angeprangert. Ganze Straßenzüge der zweiten Barocken Stadterweiterung sollten für Neubauten abgerissen werden. Im Sommer 1989 wurden Häuser leergezogen und Abrisscontainer in den Straßen aufgestellt. „In Potsdam und in der ganzen DDR ging es nur noch um Wohnungsneubau, überall verschwanden historische Altstädte“, so Wernicke. „Suchet der Stadt Bestes“ hatte Erfolg: „Am 1. November verfügte die Stadtverordnetenversammlung einen Abrissstopp.“

Aus der Gegenüberstellung der in Handarbeit mühsam erstellten Potsdamer Ausstellung mit dem bunten Partei-Bilderbuch ergibt sich eine außergewöhnliche Spannung. Beides war Realität und doch so weit voneinander entfernt. Sie fordern zudem einen ganz neuen Blick, einen über den Tellerrand der deutsch-deutschen Wendegeschichte hinweg. Aus dem Gästebuch der Moskauer Berlin-Ausstellung sind Einträge erhalten, die bedrücken und beschämen. „Ich habe noch nie so etwas Schönes gesehen“, schrieb eine Frau. „Gibt es das alles wirklich in den Läden zu kaufen?“, wollten andere wissen. Aber auch: „Ich bin traurig darüber, dass wir hier so leben müssen und froh, dass unsere Freunde so ein schönes und gut organisiertes Leben haben.“

„In der DDR herrschte politischer Stillstand, in der Sowjetunion Glasnost und Perestroika, aber das Land war wirtschaftlich am Ende“, sagt Wernicke. Dazu kam die Erschütterung des furchtbaren Zugunglücks der Transsibirischen Eisenbahn am 4. Juni 1989, das erstaunlicherweise nicht wie üblich vertuscht wurde, so Wernicke. Ebenfalls am 4. Juni fand in Peking das Tian’anmen-Massaker statt. Im internationalen Kontext liest sich der Sommer des friedlichen Mauerfalls wie eine kleine Nebengeschichte.

Vom 12. April bis 23. Juni im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.

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