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Protestcamp bei FH in Potsdam: FH-Besetzung sorgt für kontroverse Debatten

Die Besetzung der FH spaltet die Gemüter in Potsdam. Während Bürgermeister Burkhard Exner die Vorhaben der Stadt verteidigte zeigten Politiker der Linken Sympathien für die Besetzer. Der Stadtjugendring sorgte mit einer ungewöhnlichen Protestaktion für Aufsehen.

Potsdam - Die Stadtpolitik reagiert auf die anhaltende Besetzung der Fachhochschule. Heftige Kritik an der Aktion kam von der CDU. „Über die Zukunft des FH-Gebäudes wurde nach einem langjährigen demokratischen Diskussionsprozess entschieden“, erklärte CDU-Kreischef Steeven Bretz. Zur Demokratie gehöre es, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, auch wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen. „Das müssen auch die Linken endlich mal lernen.“ Dagegen lobte der vor Ort anwesende Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller die Besetzung als ein Zeichen für öffentliche Nutzung und gegen private Verwertung. Anders drückte sich der Linke-Landtagsabgeordnete und Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg aus – zwar lobte er die „Enthusiasten“, die FH erhalten wollen. „Ich halte die Besetzung aber für aussichtlos.“ SPD-Fraktionschef Pete Heuer sagte, die Besetzung stelle eine Missachtung demokratischer Entscheidungen dar. Er fügte hinzu: „Wer reingeht, muss auch wieder rauskommen.“ CDU/ANW-Fraktionschef Matthias Finken erinnerte, nach der Bürgerentscheidung über den Badstandort in der Mitte habe Scharfenberg ihn aufgefordert, die Mehrheitsentscheidung anzuerkennen. „Ich denke, das trifft jetzt auch für die Entscheidung zur Potsdamer Mitte zu." Drastischer drückte sich die CDU-Bundestagskandidatin Saskia Ludwig aus: „In Potsdam dürfen nicht Linksextreme bestimmen, welche Häuser abgerissen werden.“ Die Landesregierung dürfe vor dem „linkem Mob“ nicht kapitulieren, sagte Ludwig – und erinnerte auch an die Absage einer Podiumsdiskussion des Landesschülerrats aus Sicherheitsgründen, nachdem die Antifa mit Störungen gedroht hatte, sollte die AfD-Jugend teilnehmen dürfen.

Stadtjugendring erntet Kritik für Gummiente "Agathe"

Der Vorsitzende des Bildungsausschusses, Clemens Viehrig (CDU/ANW), kritisierte wiederum, dass der Stadtjugendring seine überdimensionale aufblasbare Gummiente Agathe am Protestcamp aufpumpte – auch dieser stelle sich „gegen demokratische Beschlüsse?!“, twitterte Viehrig. Der SJR ist der Dachverband von 25 Jugendorganisationen in Potsdam und sieht sich als parteipolitisch unabhängiger Verein für Interessen von Kindern und Jugendlicher. Auch der Verein Mehr Demokratie Berlin/ Brandenburg meldete sich zu Wort: „Mit einem Bürgerentscheid hätte der aktuelle Streit um die Potsdamer Mitte entschieden werden können.“ So müssten Hürden für kommunale Bürgerbegehren beseitigt werden – an denen auch ein Bürgerbegehren zum Erhalt alter DDR-Bauten in Potsdam gescheitert war. So müssten endlich Bürgerbegehren zu Bebauungsplänen möglich sein. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass das Ergebnis eines Bürgerentscheids aufgrund der demokratisch legitimierten Abstimmung in der Regel anerkannt und Konflikte so beigelegt werden könnten.

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„Bitte stehen lassen“

Gegner des geplanten Abrisses der Fachhochschule hatten das Gebäude am Donnerstagmittag besetzt. An der Fassade brachten sie Transparente wie „Besetzt“ oder „Bitte stehen lassen“ an. Das Gebäude wird bis Monatsende noch von einem Fachbereich genutzt, zudem ist dort eine Mensa untergebracht. Die Demonstranten erklärten, der Betrieb der Fachhochschule könne weiterlaufen. „Wir bleiben im Gebäude bis uns der Nichtabriss und öffentliche Weiternutzung zugesichert wurden“, hieß es in einem Tweet der Besetzerinitiative „Bitte stehen lassen“.

Ultimatum bis 20.30 Uhr

Die Gruppierung „Stadtmitte für Alle“ rief zugleich zu einem Protestcamp vor dem Gebäude gegen die Abrisspolitik der Stadt auf. Dazu kamen am Nachmittag mehr als 150 Anhänger, die teils Sofas mitbrachten. Die Polizei war mit Kräften vor Ort, wollte aber zunächst eine Entscheidung der Fachhochschule abwarten. Bis 20.30 Uhr gilt nun ein Ultimatum. Dann sollen die Besetzer nach dem Willen der FH-Leitung den Bau verlassen. Ob dann die Polizei eingesetzt wird, ist unklar. Eigentlich soll die FH ab Herbst abgerissen werden, stattdessen sind zwei Wohn- und Geschäftskarrees auf dem früheren historischen Stadtgrundriss geplant, gerade werden schon Bauherrn gesucht. Eigentümer der FH ist noch das Land Brandenburg, der Hausherr ist die Fachhochschule. Der genaue Übergabetermin an die Stadt steht noch nicht fest. Entsprechend waren ab dem frühen Nachmittag Vertreter der Stadt vor Ort, unter anderem Finanzdezernent Burkhard Exner in Vertretung für den in Potsdams neuer Partnerstadt Sansibar weilenden Oberbürgermeister Jann Jakobs (beide SPD). Bald kristallisierten sich die Positionen heraus: Während FH, Land und Stadt auf ein schnelles Ende der Besetzung drängten, hatten die linken Aktivisten genau das zunächst nicht vor. Es folgten stundenlange Gespräche. Schließlich traten FH-Präsident Eckehard Binas und Kämmerer Exner gegen 17.45 Uhr vor Journalisten. Binas sagte, bis 18 Uhr müssten die Aktivisten das Gebäude räumen. „Eine Besetzung ist keine intelligente Lösung.“ An den Umzugsplänen halte man fest. Später wurde das Ultimatum für die Besetzer von Binas noch einmal bis 20.30 Uhr verlängert. Die Polizei war mit Kräften vor Ort und wollte eine Entscheidung der FH abwarten.

Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) verteidigt die Stadtpolitik

Exner wiederum verteidigte die Stadtpolitik: Es gehe nicht um einen Ausverkauf der Mitte. Im Gegenteil wolle man in weiteren Verfahren auch auf die soziale Mischung in dem Viertel achten. Nach dem PMND-Bürgerbegehren hatte die Stadt auch die Vergabekriterien verändert: So wurden die Grundstücke nicht mehr nach Höchtsgebot, sondern Festpreis ausgeschrieben. Dazu sollen Interessenten bevorzugt werden, die in ihren Häusern Sozialwohnungen anbieten oder auch öffentliche Einrichtungen für Bildung und Kultur. Auch Gastronomie ist explizit gewünscht. Einige wenige Gebäude sollen eine möglichst originale barocke Fassade erhalten, bei den anderen Bauten sind moderne Varianten möglich. Neben dem geplanten FH-Abriss startet im Herbst auch ein weiteres Reizprojekt für die linke Szene: Der Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche an der Breiten Straße. Auch hier ist mit protesten von Gegnern zu rechnen.

Über die weitere Gestaltung der Potsdamer Innenstadt mit dem als Landtag wiederaufgebauten Stadtschloss gibt es bereits seit Jahren einen heftigen Streit. Gegner der städtischen Baupläne kritisieren, dass zuviel Geld in neue Gebäude nach historischem Vorbild gesteckt werde. Ebenso wird kritisiert, dass bedeutende DDR-Architektur zerstört werde.

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