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Preußen-Hochzeit: „Eine emotionale Verbindung“

Warum Potsdam? Dass Georg Friedrich Prinz von Preußen hier heiratet, verwundert den Historiker Peter-Michael Hahn nicht.

Die Enttäuschung war groß im baden-württembergischen Hechingen: „Nix mit Traumhochzeit auf dem Zoller“, schrieb etwa die Regionalzeitung „Schwarzwälder Bote“, als bekannt wurde, dass Georg Friedrich Prinz von Preußen nicht auf der Burg Hohenzollern, dem Stammsitz der Familie, sondern im 700 Kilometer entfernten Potsdam den Bund der Ehe eingehen will. Auch die in Hechingen erscheinende „Hohenzollerische Zeitung“ hatte schon auf eine „royale Traumhochzeit im Hohenzollerischen“ spekuliert und fragte genauer nach. Die Burg sei natürlich im Gespräch gewesen, erklärte daraufhin Michaela Blankart von der Generalverwaltung des Hauses Preußen in Berlin: „Allerdings ist die Burg einfach nicht groß genug.“

Die Hohenzollernburg zu klein? Dass das junge Paar sich für Potsdam entschied, ist sicher nicht nur den verfügbaren Platzkapazitäten geschuldet. Die Verbindung der Hohenzollern zu Potsdam, so sieht es Peter-Michael Hahn, Professor für Landesgeschichte an der Universität Potsdam und unter anderem Verfasser einer kleinen Geschichte der Stadt, hat sehr lange schon einen „emotionalen Anstrich“. Die Stadt habe sich seit 1650 schrittweise zum privaten Rückzugsort und Lebensmittelpunkt der Familie entwickelt. Und es sei ein Ort, der schließlich zum „Denkmal“ der Hohenzollern wurde.

Den Anfang machte Kurfürst Friedrich Wilhelm. Er ließ in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Stadtschloss bauen. Dass sich der Herrscher, der zuvor hauptsächlich in Königsberg oder Cleve gelebt hatte, für einen Neubau in dem unbedeutenden Havelstädtchen entschied, dafür gebe es zwei mögliche Erklärungen: Einerseits könnte die reizvolle Landschaft – „die Verbindung von Wald, Wasser und sanften Höhen“–, andererseits die Jagdleidenschaft von Friedrich Wilhelms zweiter Frau, Dorothea von Holstein, eine Rolle gespielt haben. Sicher ist: Nach der Fertigstellung des Schlosses in den 1670er blieb der Kurfürst überwiegend in Potsdam. Auch das Schloss Caputh, das er seiner Frau bauen ließ, spreche für die „starke Affinität zum Ort“.

Unter seinem Sohn, dem 1701 zum ersten Preußenkönig gekrönten Friedrich, spielte Potsdam keine große Rolle. Erst Friedrich Wilhelm I., bekannt als der Soldatenkönig, und sein Sohn Friedrich II., der Alte Fritz, machten Potsdam zum „Familienmittelpunkt“. Friedrich Wilhelm I. zog sich vom Herrscheralltag gern nach Potsdam zurück, um hier zu jagen und seinem „Soldatenfaible“ zu frönen und das Militär paradieren zu lassen – „zum Spaß“, betont der Historiker. In Potsdam, wo es zu dieser Zeit weder ein starkes Bürgertum noch Adel gab, lebte der König unbeschwert, es war sein Lebensmittelpunkt: Während Berlin als Verwaltungssitz eher „formalen Charakter“ besaß, wurde Potsdam zum Ort, an dem Geburtstage gefeiert oder zu dem Diplomaten eingeladen wurden.

Auch sein Sohn Friedrich II. zog Potsdam Berlin ab 1744 vor. Der Grund: Der Herrscher wollte „ein vor den Augen der Öffentlichkeit abgeschirmtes Privatleben“ führen. „Dafür war Potsdam ideal“, erläutert der Friedrichkenner: Die Kontrolle in der Garnisonstadt, in der die Einwohner „kaserniert“ waren, sei viel besser möglich gewesen als in Berlin. Auch die in dieser Zeit entstandenen Schlösser wie Sanssouci und Neues Palais blieben der Familie vorbehalten.

Nach Friedrich entwickelte sich Potsdam im 19. Jahrhundert zum „musealen Ort“, als Geburtsstätte des Friedrich-Kultes. Friedrich Wilhelm IV. machte Potsdam mit seinen italienisierenden Bauten zum Reiseziel: „Barocke Residenzen gibt es auch in Stuttgart oder München, aber mit seinen italienisierenden Bauambitionen bekommt Potsdam etwas Einzigartiges, Sehenswertes.“ In dieser Zeit ist auch die Friedenskirche, in der am Samstag geheiratet wird, entstanden.

Potsdam wurde noch im 19. Jahrhundert „zu einer Art Denkmal“, konstatiert der Landeshistoriker Hahn: Die Hohenzollern und der Friedrich-Kult geben der Stadt ihre besondere Aura, während das benachbarte Berlin als Verwaltungsmittelpunkt des Deutschen Reiches eher „neutral“ bleibt: „Berlin ist der Ort des Staates, aber nicht der Hohenzollern, die mit Potsdam eine emotionale Verbindung eingehen.“

Das habe sich auch im 20. Jahrhundert fortgesetzt: Trotz der Abdankung sei das Thema in Teilen des Bildungsbürgertums und Beamtentums unvergessen geblieben. Den Konnotationsreichtum des Ortes versuchten nicht nur die Eliten des „Dritten Reiches“ zu instrumentalisieren – Stichwort „Tag von Potsdam“–, auch die DDR-Führung konstruierte ein Geschichtsbild, in dem auch Preußenkönig Friedrich II. seinen Platz bekam. Spekulationen, dass es nach der Wende zu einer „Repreußifizierung“ von Potsdam kommen könnte, sieht Peter-Michael Hahn widerlegt – auch wenn das Thema weiterhin polarisiere. Aber Preußen gehöre heute eben zum Marktwert von Potsdam und brächte Touristen und Geld.

Dass die jüngste Hohenzollern-Generation jetzt hier heiratet, verwundert ihn indes nicht: „Potsdam ist der Ort, an dem sich die private Geschichte der Hohenzollern viel stärker entfaltet hat als anderswo“, resümiert der Historiker.

Per Fernsehübertragung können am Samstag auch die Hechinger dabei sein: Die Trauung in der Friedenskirche und die anschließende Kutschfahrt zu den Neuen Kammern wird nicht nur im RBB, sondern auch im SWR ab 11 Uhr live übertragen. Einige Hechinger stehen sogar auf der Gästeliste: Neben den Rathaus-Vertretern gehört auch Anja Hoppe, die Verwalterin der Hohenzollernburg, dazu. Sie sieht übrigens gute Chancen, dass der Familienstammsitz auf dem Zoller doch noch seinen großen Auftritt bekommt: „Für Taufen wäre die Burg ja vielleicht geeignet“, sagte sie dem „Schwarzwälder Boten“.

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