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Das St. Josefs-Krankenhaus, das städtische Bergmann-Klinikum und die Oberlinklinik schlagen Alarm.

© Andreas Klaer

Potsdams Umgang mit der Energiekrise: Wer zahlt die Millionen-Rechnung?

Kliniken, Sozialträger und Pflegeheime ringen in der Energiekrise um Geld und rüsten sich für den Ernstfall.

Potsdam - Die steigenden Energiepreise stellen Potsdams Krankenhäuser, Sozialträger und Pflegeheime vor finanzielle Herausforderungen. Insbesondere die Klinken schlagen Alarm – wie sie ihre Mehrkosten in Millionenhöhe refinanzieren sollen, ist offen. In vulnerablen Bereichen bereitet man sich auf mögliche Unterbrechungen der Energie- und Wärmeversorgung vor.

Beim städtischen Bergmann-Klinikum geht man aktuell von einer jährlichen Zusatzbelastung „um einen deutlich siebenstelligen Betrag“ für Strom, Gas und Wärme aus, wie Unternehmenssprecherin Theresa Decker auf PNN-Anfrage mitteilt – man rechne mit einer Verdreifachung der Strom- und Gaspreise und einer Verdoppelung bei der Fernwärme. 

Diese Zusatzkosten muss das Klinikum nach derzeitigem Stand selbst tragen, weil es keine Sonderausgleichsmöglichkeiten seitens des Bundes gebe. Das belaste die Zahlungsfähigkeit ebenso wie das Jahresergebnis, so die Sprecherin. Man schließe sich der Forderung der Deutschen Krankenhausgesellschaft „nach sofortigen und direkt wirksamen Maßnahmen wie zum Beispiel dem Inflationsausgleich“ an, erklärt Geschäftsführer Hans-Ulrich Schmidt.

Hans-Ulrich Schmidt, Geschäftsführer des Bergmann-Klinikums.
Hans-Ulrich Schmidt, Geschäftsführer des Bergmann-Klinikums.

© Andreas Klaer

Bergmann-Klinikum entwickelt Maßnahmenplan

Um die Patientenversorgung auch bei einer möglichen Unterbrechung der Stromversorgung sicherzustellen, werde zudem ein Maßnahmenplan entwickelt. „Mit unseren zwei großen Schiffsdiesel-Notstromaggregaten haben wir bei vollem Dieseltank eine Reichweite von etwa bis zu sieben Tagen für die Notstromversorgung, damit können wesentliche Bereiche des Klinikums mit Strom versorgt werden“, so Sprecherin Decker. Bei der Fernwärme sei man jedoch auf zuverlässige Zulieferung angewiesen.

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Auch beim Alexianer St. Josefs-Krankenhaus ist man besorgt. Anders als in der Wirtschaft könnten Kliniken die massiven Preisanstiege nicht weitergeben, erklärte Unternehmenssprecher Benjamin Stengl auf Anfrage. Die laufende Liquidität der Häuser – neben dem Josefs betreiben die bundesweit tätigen Alexianer in Potsdam auch das Evangelische Zentrum für Altersmedizin – sei stark belastet. Der Energieeinkaufsverbund des Konzerns bemühe sich, „etwaige Mehrkosten zu vermeiden und die Preise entsprechend zu verhandeln“. Durch die Energiekrise könnten aber auch Einschränkungen bei der Versorgung der Patienten nicht ausgeschlossen werden: „Das Risiko, dass solche Fälle eintreten könnten, steht ganz deutlich auf der Agenda.“

Oberlinhaus kalkuliert mit Mehrkosten im siebenstelligen Bereich

Beim Oberlinhaus, das neben der Oberlinklinik unter anderem Wohnheime und Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigungen betreibt, kalkuliert man mit Mehrkosten für Energie und Wärme im siebenstelligen Bereich, wie Sprecherin Andrea Benke auf PNN-Anfrage mitteilt. Es gebe keine Gegenfinanzierung – beim Oberlinhaus sind die Kostenträger je nach Einrichtung verschieden. Entgelte könnten in der Regel unterjährig nicht erhöht werden. „Wir befinden uns in einer Pattsituation“, sagt Benke. Man habe Anträge gestellt, um Mehrkosten nachzuverhandeln oder auszugleichen.

Die Oberlin-Werkstätten sind dank Solardach weitgehend energieautark.
Die Oberlin-Werkstätten sind dank Solardach weitgehend energieautark.

© Ottmar Winter

Das Oberlinhaus setze schon länger auf energiesparende Maßnahmen, betont die Sprecherin. So seien die Oberlin-Werkstätten dank einer 600 Quadratmeter großen Photovoltaik-Anlage über 70 Prozent stromautark. Bei der Beleuchtung habe man zu LED gewechselt, die Fahrzeugflotte werde weiter mit E-Autos ausgestattet und für die Mitarbeitenden gebe es Fahrräder und ein Job-Ticket. Solche Angebote seien aber durch den finanziellen Druck nun in Gefahr, so die Sprecherin.

In den Wohnbereichen oder der Klinik seien Sparmaßnahmen wie Homeoffice oder Ruhetage nicht möglich, betont sie: „Wir können Energie nicht abschalten, sonst ist die Versorgung von Menschen in unseren Einrichtungen gefährdet.“

Gemischtes Bild bei der Hoffbauer-Stiftung

Bei der Hoffbauer-Stiftung, die unter anderem Pflegeeinrichtungen, Kitas und Schulen in Potsdam, Kleinmachnow und Werder (Havel) betreibt, zeigt sich ein gemischtes Bild: Vorstandschef Frank Hohn geht für das Gesamtunternehmen von Mehrkosten von mindestens zwei Millionen Euro aus. Man rechne damit, dass die Zusatzkosten im Bereich Kitas und Horte über die Kommunen refinanziert werden, sagt er den PNN. 

Frank Hohn, Vorstandschef der Hoffbauer-Stiftung.
Frank Hohn, Vorstandschef der Hoffbauer-Stiftung.

© Ottmar Winter

Für die beiden stationären Pflegeeinrichtungen sehe er die Chance, wegen der außergewöhnlichen Belastungen die Kostensätze mit den Pflegekassen auch unterjährig verhandeln zu können – Anfang 2023 stehen zudem Neuverhandlungen an. Bei den Schulen sei man über die AG Freie Schulen mit dem Bildungsministerium im Gespräch. Hohn zeigt sich zuversichtlich, dass die noch vorhandenen Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. „Schulgelderhöhungen wegen der Energiepreise sehe ich derzeit nicht“, sagt er.

Am schwierigsten sei die Lage beim Hoffbauer-Gesundheitscampus auf Hermannswerder, wo unter anderem Pflegeberufe gelehrt werden. Mit den Krankenkassen, die die Einrichtung finanzieren, „haben wir keinen Konsens“, sagt Hohn. Man verhandele dort noch über 2021.

Energiemix soll diversifiziert werden

Hoffbauer erarbeitet gerade Energiekonzepte für die Campi auf Hermannswerder, in Werder und Kleinmachnow. Es werde vor allem darum gehen, den Energiemix zu diversifizieren, sagt Hohn. Bislang setze man hauptsächlich auf erdgasbasierte Blockheizkraftwerke. Denkbar sei als Ergänzung ein sogenanntes Pyrolyse-Kraftwerk, in dem auch Laub oder Essensreste verbrannt werden können. Für das Übergangswohnheim für Flüchtlinge am Schlaatz spreche man mit der Stadt über eine Solaranlage. „Verwaltung und freie Träger müssen miteinander reden und einzelfallbezogene Kreativleistungen erbringen“, sagt Hohn.

Bei der Seniorenresidenz Heilig Geist in der Innenstadt wird es perspektivisch für die Bewohner:innen wohl teurer. Momentan bleibt jedoch Betreiber Hendrik Bössenrodt auf den Mehrkosten sitzen, wie er auf PNN-Anfrage erklärt. Um die Kosten weiterzugeben, brauche es erst eine neue Vergütungsvereinbarung.

Der Stromvertrag mit der städtischen EWP für die Seniorenwohneinrichtung laufe zum Jahresende aus – einen Anschlussvertrag gibt es noch nicht, erklärt Bössenrodt. Sollten sich die Kosten für Strom verdoppeln, würde das für die Bewohner in der Pflege eine Erhöhung des Eigenanteils um zirka 120 Euro monatlich bedeuten. Bössenrodt hofft noch auf Lösungen aus der Politik. Die Bewohnerinnen erhielten derzeit keinen Energiezuschlag, müssten die Erhöhungen aber trotzdem tragen, betont er.

Seniorenresidenz Heilig Geist arbeitet an Notfallplänen

Die Heilig-Geist-Anlage hat zum Energiesparen die Turmbeleuchtung in den Farben der Ukraine auf 30 Minuten pro Tag reduziert – diese soll aber bis Kriegsende als Mahnung bleiben, erklärt Betreiber Bössenrodt. Der Eigentümer des Hauses wünsche sich auch Photovoltaikpanels auf dem Dach, dafür müsse es aber weitere Gespräche mit der Denkmalschutzbehörde geben.

Die Heilig-Geist-Seniorenanlage hat neue Decken angeschafft.
Die Heilig-Geist-Seniorenanlage hat neue Decken angeschafft.

© Ottmar Winter

Für den Ernstfall arbeite man in Absprache mit der Stadt an Notfallplänen – etwa zur Versorgung bei Stromschwankungen oder einem Fernwärme-Ausfall von bis zu vier Stunden. Das bereits vorhandene Notstromaggregat wolle man dafür weiter optimieren, sagt Bössenrodt. Auch ausreichend Decken als Schutz gegen Kälte habe man gekauft. Bei einem Fernwärme-Ausfall sollen die Bewohner von zwei Etagen jeweils in einen elektrisch beheizten Gemeinschaftsraum gebracht werden. Von Radiatoren in den Zimmern rate man aber entschieden ab, „um das Stromnetz nicht noch weiter zu belasten“.

Bei der Arbeiterwohlfahrt Potsdam (Awo), die unter anderem Kitas, Schulen und Senioreneinrichtungen betreibt, hält man die Auswirkungen der Energiekrise für „noch nicht abschließend absehbar“, wie Sprecherin Katharina Rößler auf PNN-Anfrage erklärt: „Die konkreten Auswirkungen werden sich erst in der kälteren Jahreszeit zeigen.“ Beim Kitaträger Fröbel rechnet man damit, dass die Mehrkosten durch die Kommune erstattet werden. Die Höhe sei derzeit noch nicht zu beziffern, sagt Sprecher Michael Kuhl.

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