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Von 1961 bis 1984 lenkte Hanke die Geschicke der Stadt.

© Andreas Klaer

Potsdams Plattenbaumeisterin: Ex-Oberbürgermeisterin Hanke wird 90 Jahre alt

23 Jahre lang war Brunhilde Hanke zu DDR-Zeiten Potsdams Oberbürgermeisterin. Als größten Erfolg sieht sie den Bau neuer Wohnungen an. Montag wird sie 90 Jahre alt.

Potsdam - Eigentlich wollte Brunhilde Hanke ihren 90. Geburtstag am Montag mit der Familie im Restaurant auf dem Pfingstberg feiern, 25 Gäste sollten kommen. Und einige Tage später noch einmal mit Freunden im „Laubenpieper“. Doch die Coronakrise hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht – beide Feiern hat sie abgesagt. „So ist das eben. Ich kann das ja nachholen.“ Brunhilde Hanke bleibt gelassen.  

Mit Klarsicht berichtet die frühere Oberbürgermeisterin auch über ihre 23 Amtsjahre. Von 1961 bis 1984, bis sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antrat. Nun sitzt Brunhilde Hanke bei einer Tasse Tee in ihrer Wohnung in den Roten Kasernen, in die sie nach dem Tod ihres Mannes Helmut gezogen ist. Die 90-Jährige erzählt ohne Zögern, Jahreszahlen, Namen, alles sitzt.  

Hanke wollte Lehrerin werden

Dass sie mit 31 Jahren diesen wichtigen Posten erhielt, so stellt sie es dar, kam für sie überraschend – und wider Willen. „Ich war jung, hatte drei kleine Kinder und wollte eigentlich Lehrerin werden, um Beruf und Familie besser in Übereinstimmung zu bekommen“, sagt sie. Dann habe sie der damalige erste Bezirkssekretär im sogenannten Kreml auf dem Brauhausberg, Sitz der SED-Bezirksleitung, als Oberbürgermeisterin vorgeschlagen. „Es ging damals um die Förderung von Frauen und Jugend“, erklärt Hanke, da habe sie gut gepasst. „Ich habe mich gesträubt“, sagt sie. Und doch wurde sie vorgeschlagen und gewählt. 

Wer Hanke nach ihren größten Verdiensten für die Stadt fragt, bekommt eine eindeutige Antwort: Wohnungen. „Die ganzen Neubaugebiete sind unter meiner Regie entstanden, Zentrum Ost, Schlaatz, Stern, Waldstadt II“, sagt sie. Darauf ist sie nach wie vor stolz: „37 000 Wohnungen haben wir damals gebaut.“ Dazu kamen Kitas, Treffpunkte und Schulen. Durch das eigens errichtete Plattenwerk in der Waldstadt ging es auch schneller voran. Es herrschte großer Druck auf dem Wohnungsmarkt. Die Neubauten in der Platte waren trocken, geheizt, noch dazu mit Warmwasser ausgestattet. „Sie wurden uns aus den Händen gerissen“, erinnert sich Hanke.

Hanke und der damalige Generaldirektor der Potsdamer Schlösser, Jochen Mückenberger.
Hanke und der damalige Generaldirektor der Potsdamer Schlösser, Jochen Mückenberger.

© PRIVAT

Beschränkte Gestaltungsfreiheit

Dabei habe sie, trotz der Hierarchie des Systems in der DDR, auch Gestaltungsfreiheit gehabt, sagt sie – wenn auch beschränkte. „Wir haben Untersuchungen der Gebiete vorgenommen und dann Vorschläge gemacht. Der Rat des Bezirks hat das dann geprüft“, beschreibt Hanke. Für das Zentrum Ost sei dann beispielsweise die Vorgabe gekommen, mehr Wohnungen auf dem Gelände zu bauen – daher die Hochhäuser. Bei vielen Themen seien die Entscheidungen aber von oben gekommen – wie bei der Garnisonkirche. „Angeblich hat Walter Ulbricht die Sprengung persönlich entschieden“, sagt Hanke. Sie selbst war dagegen, konnte sich aber nicht durchsetzen. 

Auch andere Ideen kamen nicht an, so schildert sie es. Für die Heilig-Geist-Kirche in der Innenstadt etwa, die im Zweiten Weltkrieg beschädigt wurde, hatte sie geradezu futuristische Pläne. „Gemeinsam mit dem Stadtarchitekten hatten wir die Idee, auf die Reste der Kirche eine Glaskuppel zu setzten, ein bisschen wie der Fernsehturm in Berlin. Dort hätte man sitzen und auf die Havel schauen können“, sagt sie, noch immer angetan. Doch Geld gab es dafür nicht, stattdessen wurde die Kirche 1974 gesprengt. 

Mit dem Thema Wohnungen verbindet sie auch schmerzhafte Erinnerungen. „Am schlimmsten war der Zerfall der Innenstadt“, sagt Hanke. Das Holländische Viertel war in einem erbärmlichen Zustand, undichte Dächer, viel Leerstand. „Wir haben kaum Mittel dafür bekommen, Kapazitäten gab es nur für Neubau“, so Hanke. Auch damals habe es schon Empörung, aber eben kein Geld gegeben für Sanierungen und auch keine Arbeitskräfte wie beispielsweise Maurer. „Was die Innenstadt anbelangt, ist uns leider so gut wie nichts gelungen“, sagt sie bedauernd. „Das hat mich sehr bedrückt, auch der desolate Zustand der Jugendstilhäuser in Potsdam-West.“

Hanke setzte den millionsten Ziegelstein für die Garnisonkirche.
Hanke setzte den millionsten Ziegelstein für die Garnisonkirche.

© Andreas Klaer

Lob und Kritik

Nach Artikeln über Brunhilde Hanke in den PNN reagieren häufig Leser. Manche erinnern sich mit Dankbarkeit daran, wie sie damals eine Wohnung bekamen. Andere verstehen nicht, warum über sie geschrieben wird, als Handlangerin der Diktatur. „Ich finde das verständlich“, sagt Hanke, konfrontiert mit dieser Kritik. „Aber wer dachte, ich sei ein Diktator, der war immer überrascht, wenn er mich persönlich kennenlernte.“ Sie habe immer versucht, mit den Menschen zu sprechen, Probleme zu lösen, deren Situation so gut es ging zu verbessern.  

Tatsächlich deckt sich das mit Beschreibungen von Politikern, die sich an Hanke erinnern. So sagt etwa der SPD-Mann Matthias Platzeck, ebenfalls ehemaliger Oberbürgermeister von Potsdam und früherer Ministerpräsident Brandenburgs: „Als Staatsratsmitglied war Frau Hanke voll Bestandteil des Systems, hat es aber anders als viele Volkskader damals geschafft, sympathisch zu bleiben.“ Hanke sei nachdenklich gewesen, für Fragen und Zweifel offen. „Sie hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten stets versucht, das Beste für die Stadt herauszuholen“, so Platzeck. Durch das ehrliche Bemühen habe sich die Abneigung in Potsdam in Grenzen gehalten. „Sie wurde respektiert.“ 

Auch Jann Jakobs (SPD), bis 2018 Potsdams Oberbürgermeister, sagt, Hanke nötige ihm höchsten Respekt ab – auch als eine der wenigen Frauen damals in einer solchen Funktion. Zwar liege er politisch nicht unbedingt auf ihrer Linie – Hanke ist heute Mitglied der Linken – aber sie habe in Fragen wie dem Abriss der Garnisonkirche auch Mut gezeigt. „Sie hat diese Stadt geprägt“, sagt Jakobs. „Die riesigen Wohnungsbauprogramme, an denen sie maßgeblich mitgewirkt hat, haben dazu beigetragen, dass eine Expansion Potsdams Richtung Süden möglich wurde.“ 

Hanke interessiert sich immer noch für die Stadtpolitik

Bis heute liest Brunhilde Hanke Zeitung, informiert sich über die Stadtpolitik und beobachtet diese kritisch. Das Museum Barberini findet sie wunderbar – „aber der Platz ist tot“. Das Schwimmbad blu sei ein „schwerer Klotz“. Umso besser, dass Hasso Plattner nun das Minsk mitsamt Springbrunnen wieder herrichten möchte. Über die Brandenburger Straße sagt Hanke: „Da ist so viel Leerstand, weil die Mieten zu hoch sind, gleichzeitig gibt es jede Menge Optiker und Bäcker.“ Damals habe man das eben geplant, überlegt, was die Leute brauchen. 

Man merkt, dass Hanke ihren sozialistischen Blick nicht ganz abgelegt hat. Sie gibt offen zu, dass sie das Ende der DDR als persönliche Niederlage erlebt hat. „Wir waren angetreten, um eine neue, andere Gesellschaft zu schaffen. Dann wurden wir zurückkatapultiert in die kapitalistische Gesellschaft.“ Ein Schock sei das gewesen. Den habe sie überwunden, verarbeitet, sagt sie. Doch es schmerzte, als die alte Fachhochschule abgerissen wurde, es betrübt sie, dass das Rechenzentrum vielleicht plattgemacht werde. Den Plan von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), den Stadtkanal wiederherzustellen, findet Hanke gut. „Die Stadtpolitik muss nur aufpassen, dass sie sich nicht übernimmt. Ich habe das Gefühl, sie tanzt auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig.“ 

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