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Potsdams neue Moschee: AfD-Stand vor neuem Gebetsraum: Bunt gegen hellblau

Rund 100 Menschen folgten am Freitag dem Aufruf des Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“. Sie stellten sich der AfD entgegen, die Am Kanal gegen die Moschee protestierte – und Anwohner ansprach.

Potsdam - Auf der einen Seite hat an diesem Freitagmittag die AfD ihren Stand aufgebaut. In gewohnt hellblauer Optik, „Mut zur Wahrheit“ steht darauf, und direkt daneben das Banner „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Fünf, sechs AfD-Mitglieder stehen hinter dem Stand, darunter auch Landespolitiker. Sie sprechen Passanten an und verteilen Faltblätter zur „deutschen Leitkultur“. Auf der anderen Seite, 100 Meter weiter die Straße Am Kanal herunter, stehen gut 100 Menschen um den Stand des Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“, darunter viele Studenten mit Fahnen und Plakaten. „Bunt gegen Grauland“ oder „Nazis einen Vogel zeigen“ steht darauf. Zahlreiche Muslime sind da, Mitglieder von SPD und Jusos, Linke, einige aus der LGBT-Community mit Regenbogenfahnen. Und etwa 40 Polizisten.

Um „das Gespräch mit den Bürgern und Anwohnern zu suchen“ hat die AfD am gestrigen Freitag zwischen 11 und 13 Uhr ihren Infostand an jenem Ort aufgestellt, den die Partei in dieser Form ablehnt: Die Al Farouk Moschee des Vereins der Muslime in Potsdam e.V. hat dort Am Kanal ihren Sitz und einen Gebetsraum. Nun kann sie im Hof des Wohnblocks ein ehemaliges Heizhaus mieten, um dort auch die Freitagsgebete abzuhalten (siehe Kasten). Für Steffen Kotré, Bundestagskandidat und Mitglied im AfD-Landesvorstand, ist angesichts dessen die Lage klar: „Die Stadt bevorzugt den Islam und finanziert ihn durch Steuergelder, denn der Verein zahlt hier viel weniger Miete, als das hier üblich wäre. Außerdem hält der Imam zweifelhafte Predigten.“ Kotrés Ziel: Die Anwohner sollen befragt werden und der Verein die „volle Miete“ zahlen, die seiner Berechnung nach doppelt so hoch wäre.

"Wir lehnen jede Gewalt ab"

Der Sprecher der Potsdamer Muslime, Habib Weide, entgegnet dem Vorwurf: „Wir mieten ganz regulär das neue Gebäude, das eine gute Übergangslösung darstellt.“ Der Imam Abdullah Kamal ist am Freitag ebenfalls gekommen, um „Gesicht zu zeigen“, wie er es ausdrückt. „Wir lehnen jede Gewalt ab“, betont er. Aufrufe zum Djihad, wie manche am AfD-Stand behaupten? „So etwas gibt es hier nicht“, sagt der Imam.

Kotré und seine Mitstreiter sprechen alle an, die vorbei laufen. Wahlkampf? „So klar kann man das nicht trennen“, sagt Kotré. Einige Passanten gehen zielstrebig vorbei, den angebotenen Flyer lehnen sie ab. Doch immer wieder bleiben vorwiegend ältere Menschen stehen, diskutieren und nehmen Flyer mit. So auch Eva-Marie Dähne. Die 73-Jährige wohnt direkt nebenan. „Ich werde mich da nicht dran gewöhnen und will mich auch nicht damit befassen“, schimpft sie. „Warum müssen die hier beten?“ Sie habe Angst. „Was, wenn hier irgendwann etwas in die Luft fliegt wie am Donnerstag in Barcelona?“ Warum das so sein sollte, kann sie auf Nachfrage nicht erklären, auch habe es bisher keine wirklichen Probleme gegeben, aber: „Wir Älteren fühlen uns hier einfach nicht mehr wohl.“

Aufregung mit Deutschlandfahne

Andere, die stehen bleiben, sagen, sie hätten ja nichts gegen die Moschee, aber doch bitte nicht im Wohngebiet und vor allem nicht in ihrer Nachbarschaft. Die Muslime seien laut, nähmen keine Rücksicht auf Anwohner.

Angestachelt werden sie durch Henrico Christophori-Mielke, Mitglied der German Rifle Association. Er ist im AfD-Shirt gekommen. Seine Deutschlandfahne mit Adler darf er nicht ausrollen, sagen Polizisten, denn die dürfen nur offizielle Vertreter verwenden. Dafür spricht er umso erregter von der „Erziehungsanstalt für Djihad“ die hier Am Kanal sei, sagt, dass die Syrer doch jetzt wieder nach Hause gehen könnten, wo die Lage dort besser sei. Und kritisiert die vermeintlichen „Fake News“ in den öffentlich rechtlichen Medien. „Ich schaue lieber Youtube“, so Christophori-Mielke. „Gute Gespräche mit Anwohnern“, wird Kotré diese Diskussionen später nennen, bei denen diese ihre Ängste hätten teilen können.

Sollen sich morderate Glaubensgemeinschaften vom IS distanzieren?

Es sind Ängste, die Muhammad Almoughany aus der muslimischen Gemeinde perplex machen. Er sucht das Gespräch mit Anwohnern. „Wir wollen denen doch nichts wegnehmen“, sagt er. „Wir versuchen, hier alle zu respektieren.“ Und, besonders wichtig für ihn: „Wir sind total gegen den IS, damit haben wir doch nichts zu tun!“ Sprecher Habib Weide hat einen Spruch gefunden, mit dem nun immer dagegenhalten will, wenn ihn jemand zu seiner Haltung zu einem Anschlag fragt: „Wann haben Sie das letzte Mal einen Vegetarier gebeten, sich von Adolf Hitler zu distanzieren?“

Die knapp 100 Menschen, die Farbe bekennen gegenüber der AfD, wirken entschlossen. „Potsdam hat ein Erbe zu verteidigen als langjährige Multikulti-Stadt und Ort der Toleranz“, sagt Fabien Schüler, Vorsitzender der Potsdamer Jusos. Potsdams SPD-Chefin Ulrike Häfner sagt, es sei wichtig, dass die Muslime an einem zentralen Ort beteten. „Wir wollen das nicht unhinterfragt stehen lassen, aber dem Islam insgesamt Rückständigkeit zu unterstellen, ist infam“, so Häfner.

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