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Kot macht Heu unbrauchbar und potenziell sogar gefährlich – ohne dass das gleich auffällt.

© Andreas Klaer

Potsdams Landwirte leiden unter Hundehaufen: Die Kot-Sünder

„Leinen los“ heißt es, wenn Hundebesitzer ins Grüne fahren. Aber die Haufen ihrer Tiere richten immensen Schaden für landwirtschaftliche Betriebe an.

Von Carsten Holm

Potsdam - Zu Dutzenden kommen sie morgens vor der Arbeit oder am späten Nachmittag nach Feierabend, am Wochenende sind es nicht selten bis zu 100. Sie nähern sich mit ihren Autos, die oft ein „B“-Kennzeichen tragen, den Grünflächen in Satzkorn, Marquardt und Fahrland. Sie halten an, öffnen ihre Kofferklappen, und dann heißt es „Leinen los!“ für ihre Vierbeiner. 

„Die Hunde schießen”, hat der Landwirt Thorsten Huschke oft beobachtet, „querfeldein über unsere Felder, zertrampeln frisch gesätes Saatgut und zerstören die Keimlinge. Ihre Herrchen hindern sie nicht daran, ihre Haufen auf dem Heu zu hinterlassen oder draufzupinkeln.“ Zudem habe sich das Verhalten des Wildes verändert, Rehe stünden „aus panischer Angst vor Hunden überall in Deckung im Gebüsch“.

Saatgut wird zertrampelt, Keimlinge zerstört, Heu unbrauchbar

Huschke, der mit seinem Bruder Dirk große Flächen in Satzkorn bewirtschaftet, hat Mühe, seinen Zorn auf die Gassi-Ausflügler im Zaum zu halten. „Die halten sich für tierlieb und nehmen überhaupt nicht wahr, was sie hier draußen in der Natur anrichten“, sagt er. Und er wirkt etwas traurig, wenn er hinzufügt: „Ich glaube, die Städter verstehen das Dorf und die Landwirtschaft falsch. Sie haben ein verklärtes Bild davon.“ Jetzt, wo es früher dunkel werde, reisten sie auch noch mit Stirnlampen an, „damit sie nicht in irgendetwas hineintreten“.

Hundeauslaufgebiete wie hier im Berliner Grunewald fehlen.
Hundeauslaufgebiete wie hier im Berliner Grunewald fehlen.

© Andreas Klaer

Die Rechtslage ist zwiespältig. Eindeutig ist sie in der Innenstadt und in großen Teilen Babelsbergs geregelt: dort herrscht weiträumig Leinenzwang, genau wie beispielsweise in öffentlich zugänglichen Park- und Grünanlagen, in Wäldern, auf Volksfesten, in Fußgängerzonen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Komplizierter ist die Lage auf dem Land. Dort herrscht zwar kein Leinenzwang, aber dennoch dürfen sich Hunde nicht auf Feldern austoben und Beete umpflügen. Hier greift aber kein Gebot oder Verbot, das das Ordnungsamt überwacht. Richten die Hunde bei ihren Notdurft-Exkursionen Schaden auf privaten Grundstücken der Bauern an, können die Landwirte dies als Eigentümer zur Anzeige bringen und Schadenersatz einklagen. Es zeigt sich: auch wo kein Zwang zur Leine gilt, ist die Leine anzuraten.

Auch der Fahrlander Landwirt Ernst Ruden hat kein Verständnis für Hundehalter, die ihren Tieren dennoch freien Lauf lassen. Am Rand des Weges, an einer großen Grünfläche des Flurs 9, die unter Einheimischen als Sigbund bekannt ist, „wächst wegen der Hunde auf den ersten zehn Metern zur Seite hin gar nichts mehr”, sagt Ruden. Er selbst schätzt Hunde, er besitzt einen Dalmatiner-Mischling, der ihm als Hütehund dabei hilft, seine 20 Rinder zusammenzuhalten.

"Gassi-Touristen" sind schon länger ein Problem

Das Problem mit den Gassi-Touristen gebe es „schon lange“, weiß Lutz Kleinert, Geschäftsführer des Obstguts Marquardt, „aber wir haben versucht, es auszuhalten“. Er sieht die wachsende Last mit dem Hundekot auch als Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung: „Es gibt doch sichtbar weniger Kinder und mehr Hunde.“

Landwirte weisen auf den Leinenzwang hin.
Landwirte weisen auf den Leinenzwang hin.

© Andreas Klaer

Am schlimmsten sei es, berichten die Bauern übereinstimmend, wenn sich Betreiber von Berliner Diensten auf den Weg zu ihnen machen, die das sogenannte Hunde-Sitting anbieten. Ein Transporter mit Anhänger halte dann an der großen Wiese hinter Fahrland, „und auf einen Schlag springen zehn, zwölf Tiere heraus und toben überall herum“, so Ruden. Es gibt keinen berechtigten Zweifel an der Zeugenschaft der Potsdamer Bauern.

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Der Potsdamer Frank Nuszkowski, der seit 2014 anfangs in Berlin und jetzt in der Landeshauptstadt den „Dog Service Berlin“ betreibt, schüttelt den Kopf über Kollegen, die sich so verhalten: „Jeder weiß, dass es in Brandenburg verboten ist, die Hunde von der Leine zu lassen.“ Er selbst fährt ausschließlich in das ausgewiesene Berliner Hundeauslaufgebiet im Grunewald nahe der Clayallee, freier Auslauf sei beispielsweise auch in ähnlichen Gebieten im Tegeler Forst und am Schlachtensee erlaubt. „Außerdem darf man, auch wenn man den Trainerschein hat, nur vier Hunde mit sich führen“, sagt Nuszkowski.

Kot führt zu Schimmel im Heu und kann Tiere krank machen

Was den Landwirten zu schaffen macht, ist der wirtschaftliche Schaden, den die Hundehalter anrichten. Der Kot der Köter schmälert das Geschäft beim Verkauf von Heuballen. „Von außen sieht man nicht, wenn ein Kotklumpen in einen Heuballen geraten ist”, sagt Landwirt Thorsten Huschke, „innen entsteht dann ein Schimmelfleck, und wenn die Pferde oder Kühe das Heu fressen, werden sie krank“. Die Kunden fragten ihn dann, erzählt er, „was für einen Dreck ich da anliefere“. Siebenmal hat er das in diesem Jahr schon erlebt, schlimm war es mit Pferden eines Kunden aus Stahnsdorf, der Ballen bei ihm gekauft hatte. Die Tiere mussten in eine Seeburger Pferdeklinik, die Behandlung kostete gut 3800 Euro, zum Glück trat Huschkes Versicherung dafür ein. Dazu kam der Verlust von 120 Heuballen, die er zurückholen musste. Einer kostet 45 bis 50 Euro.

Die Potsdamer Tierärztin Anja Laabs, selbst Hundebesitzerin, weiß, wie wichtig es für Hundehalter ist, den Kot ihrer Vierbeiner zu beseitigen, „auch im Gebüsch“. Hundekot sei nicht nur für Haus-, sondern auch für Wildtiere gefährlich: „In der Regel sterben sie daran.“ Die ohnehin sehr widerstandsfähigen Erreger im Kot könnten nach dem Ausscheiden noch infektiöser werden, sie könnten von den Tieren auch auf Menschen übertragen werden. „Die Beseitigung von Hundekot ist nicht nur eine respektvolle Geste“, sagt die promovierte Veterinärmedizinerin.

Landwirt Ruden fordert Hunde-Auslaufflächen in Potsdam

Die Stadt Potsdam, so das Plädoyer des Landwirts Ruden, müsse den Hundehaltern Auslaufflächen zur Verfügung stellen, „sie kassiert schließlich auch eine Hundesteuer von mehr als 100 Euro pro Tier“. Seine Begründung scheint nicht abwegig. 7453 Hunde sind steuerlich erfasst, bis Ende August flossen schon 846 114 Euro in die Stadtkasse. Allein: die Hundesteuer fließt dem allgemeinen Haushalt zu und kann, wie andere Steuern auch, nicht zweckgebunden verwendet werden.

Versuche von Potsdamer Bürgern, Köter, die ihre Haufen mal hier und mal dort hinterlassen, mit einer DNA-Datei dingfest zu machen, scheiterten bei der Aufstellung des Bürgerhaushalts 2018/19, in dem Bürger über Vorschläge aus ihren Reihen abstimmen konnten. Die Idee: Hundehalter müssten die genetischen Daten ihrer Hunde bei der Stadt archivieren lassen, damit die Halter bei nicht beseitigten Hundehäufchen ermittelt und an den Reinigungskosten beteiligt werden könnten. Die Forderung schaffte es nicht in die „Top-20-Liste“ der Vorschläge, aber immerhin auf Platz 22. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, hielt die Stadtverwaltung dagegen, ein solches Verfahren sei zudem nicht praktikabel.

Landwirt Huschke droht mit Einzäunung

Am Ende einer Reise des Kreisbauernverbandes am vorvergangenen Freitag klagte Huschke Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sein Leid mit dem Hundekot. Und es klang wie eine Drohung, als er ankündigte, seine 146 Hektar Nutzfläche in Satzkorn einzuzäunen und Rinder darauf weiden zu lassen, „wenn bis Jahresende nichts geschieht“.

Aber was soll geschehen? Schubert machte klar, dass das Ordnungsamt nicht die Kapazitäten habe, um etwa in Satzkorn regelmäßig zu kontrollieren, ob Hundehalter ihre Hunde widerrechtlich frei laufen lassen. Er regte an, Hinweisschilder zu installieren. Letztlich, so der Rathaus-Chef, seien die Halter dafür verantwortlich, den Hundekot einzusammeln und zu entsorgen.

In einer vorherigen Fassung des Artikels hieß es, dass in Brandenburg alle Hundebesitzer dazu verpflichtet seien, ihre Hunde bei bei Ausflügen ausnahmslos an der Leine zu halten. Die Angabe wurde korrigiert.

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