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Beim Besuch in der Villa „Bergmann“ traf Irina Mykychak (4. v. l.) auch auf Klinikumchef Hans-Ulrich Schmidt (3. v. l.).

© Andreas Klaer

Potsdams Klinikum hilft der Ukraine: „Sie können sich auf uns verlassen“

Eine ukrainische Vizeministerin bedankte sich für das Engagement des Bergmann-Klinikums. Fährt Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nun bald in die Ukraine?

Potsdam - Das kommunale Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ wird über seine Hilfslieferungen für Krankenhäuser in der Ukraine nicht mehr vorab berichten – sondern nur noch dann, wenn die Güter auch angekommen sind. Der Grund dafür sei die Sorge, dass russische Freischärler solche Transporte überfallen könnten, sagte Klinikumchef Hans-Ulrich Schmidt den PNN am Freitag auf Nachfrage.

Hilfe für 500.000 Euro

Kurz zuvor hatte Schmidt anlässlich eines Dankesbesuchs der ukrainischen Vizegesundheitsministerin Irina Mykychak in Potsdam bekanntgegeben, dass erst in der vergangenen Woche ein weiterer Transport in das attackierte Land gefahren sei – ohne dass die Öffentlichkeit darüber vorab informiert wurde. Bei inzwischen vier humanitären Hilfslieferungen in die Ukraine habe das Klinikum rund 70 Tonnen an Arzneimitteln, medizinischem Material und Technik wie Röntgen- oder Ultraschallgeräten geliefert, im Gesamtwert von 500.000 Euro. 

Möglich sei das durch Spenden vieler Partner geworden. Erinnert wurde an ein voll besetztes Solikonzert im Nikolaisaal kurz nach Kriegsbeginn. Inzwischen sei das Potsdamer Klinikum als offizieller Hilfspartner auf einer Liste des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verzeichnet, sagte Schmidt – und versprach der Regierungsvertreterin des osteuropäischen Landes: „Sie können sich weiter auf unsere Hilfe verlassen.“

Pflegeschuldirektorin Leslia Vovk (M.) aus Lwiw mit Hilfsgütern, die das kommunale Klinikum „Ernst von Bergmann“ in die Ukraine hat bringen lassen. 
Pflegeschuldirektorin Leslia Vovk (M.) aus Lwiw mit Hilfsgütern, die das kommunale Klinikum „Ernst von Bergmann“ in die Ukraine hat bringen lassen. 

© Klinikum Ernst von Bergmann

Zu Gast war Vizeministerin Mykychak in der repräsentativen Villa „Bergmann“ am Tiefen See – und machte dort deutlich, wie nötig die Unterstützung für das von Russland attackierte Land ist. So seien bereits mehr als 100 Krankenhäuser in der Ukraine von russischen Angriffen vernichtet worden, 500 seien zumindest teilweise zerstört. Auch Hunderte Apotheken lägen in Trümmern. „Es gibt bei uns keine sicheren Orte, alles wird bombardiert.“

"Wie meine zweite Heimat"

Das berichtete auch Bergmann-Chefarzt Thomas Erler, der selbst sechs Jahre im ukrainischen Lwiw Medizin studiert hat und am Klinikum die Hilfslieferungen koordiniert. Man habe einen der Transporte umleiten müssen, weil das Zielkrankenhaus komplett zerstört worden ist. Seine Beweggründe für die Hilfe schilderte er so: „In Lwiw wurde mein Sohn geboren – auch deshalb empfinde ich die Ukraine wie meine zweite Heimat.“

Nur mit Hilfe von außen sei es möglich gewesen, die Behandlung von Patienten in der Ukraine sicherzustellen – und das in teils provisorisch zu Operationszimmern umgebauten Kellern. Benötigt worden seien zum Beispiel deutlich mehr Medikamente für eine Vielzahl frühgeborener Kinder, deren Mütter wegen des Stresses durch den Krieg deutlich eher als gedacht ihre Babys zur Welt brachten, wie die Vizeministerin berichtete.

Einladung für Schubert

Ihre Delegation zeigte sich bei dem Termin aber auch zuversichtlich. Zum Beispiel Leslia Vovk, die Direktorin des Pflegecolleges in Lwiw. Sie sagte, nur zu Beginn des Kriegs sei die Angst groß gewesen, dann sei man – auch mit Hilfe aller Verbündeten – stark geworden. Nach der Dunkelheit werde das Licht kommen, glaubt sie. Zugleich lud sie den anwesenden Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) ausdrücklich zu einem Besuch in die Ukraine ein. Er sagte: „Ich hoffe, dass ich diese Einladung bald annehmen kann.“ Das Stadtparlament habe ihm den Auftrag gegeben, sich hinter das angegriffene Land zu stellen. „Und solange die Situation so bleibt, wird mit der Unterstützung aus Potsdam nicht Schluss sein.“ Zugleich bekräftigte er, dass Potsdam nach dem Krieg eine Partnerstadt in der Ukraine suchen wolle – oder eine andere Form der engeren Zusammenarbeit.

Treffen mit Woidke

Das Team des Bergmann-Klinikums war nicht ihr einziges Besuchsziel in Potsdam – zuvor sprach Vizeministerin Mykychak mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Dieser zeigte sich danach erschüttert. „Es ist ein Krieg nicht nur gegen die ukrainische Armee, es ist ein Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung“, sagte Woidke. „Deswegen ist es für uns eine humanitäre Verpflichtung, den Menschen in der Ukraine beizustehen.“

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Und auch den Geflüchteten müsse man helfen, machte Klinikumchef Schmidt deutlich. So habe sein Haus nach Kriegsbeginn die Unterbringung von 70 Familienangehörigen der rund 100 Mitarbeiter:innen mit ukrainischen Wurzeln ermöglicht. Geflüchteten medizinischen Fachkräften biete man beispielsweise Deutschkurse an. Erste Einstellungen als Hilfskräfte seien bereits erfolgt, hieß es weiter – insgesamt unterstütze die Klinikgruppe bereits rund 40 Flüchtlinge beim Eingliederungsprozess.

Kinder und Jugendliche in Behandlung

Auch habe man die medizinische Versorgung von einigen chronisch kranken Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine übernommen, die unter anderem mit Mukoviszidose, Herzproblemen oder Asthma zu kämpfen hätten. Und nicht zuletzt habe man auch sehr viele Formulare ausfüllen müssen, bevor überhaupt Hilfstransporte in das Kriegsgebiet möglich gewesen seien, so Schmidt.

Die Hilfsgüter würden in der Ukraine digital registriert, um ihre Verwendung auch transparent darstellen zu können, sagte Vizeministerin Mykychak. Sie sprach beim Besuch auch von der hohen psychischen Belastung für ihre Landsleute, verwies auf die Gräueltaten der russischen Armee, auf zerstörte Dörfer und Städte, erschossene Zivilisten, auf Vergewaltigungen, „leider auch der Männer“. Einmal habe ihre Enkelin sie gefragt: „Die Russen, die glauben doch auch an Gott – weswegen schießen sie dann auf uns?“

Wo spenden?

Spenden für die Hilfsaktionen des kommunalen Gesundheitskonzerns sind weiter möglich – und zwar auf das Konto des Freundes- und Förderkreises des Klinikums „Ernst von Bergmann“, IBAN: DE95120700240309266500 und BIC: DEUTDEDB160.

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