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„Potsdams Handwerker damals und heute“ im Potsdam Museum: Brotbacken gegen die Verstaatlichung

Gestern und heute: Eine Ausstellung im Café Art erzählt die Geschichte von Potsdams ältesten Handwerksbetrieben, die verschiedene Systeme überstanden haben und die es noch immer gibt.

Potsdam - Diese Geschichte kennt Bäckermeister Werner Gniosdorz nur aus Erzählungen. In den 1930er-Jahren erwarb Familie Braune ein Gebäude auf dem Nachbargrundstück der Bäckerei in der Friedrich- Ebert-Straße. Als Garage für die Firmenwagen. Zur feierlichen Eröffnung nach dem Umbau wurde ein Foto mit allen Mitarbeitern auf dem Hof gemacht. „Meine Mutter war als kleines Mädchen dabei“, sagt Gniosdorz, der heute die Bäckerei führt. Der Fotomoment war damals im Bewusstsein der Familie durchaus etwas Besonderes – jeder Mitarbeiter bekam einen gewidmeten Abzug.

Solche Bilder gibt es in vielen Handwerksbetrieben – Fotos, Gemälde und Urkunden, die Geschichten erzählen. Der Potsdamer Grafiker Peter Rogge hat sie ausfindig gemacht, gesammelt, mit aktuellen Bildern ergänzt und daraus gemeinsam mit Judith Granzow vom Potsdam Museum eine Ausstellung sowie einen Kalender gestaltet. „Potsdams Handwerker damals und heute“ ist seit gestern im Café Art im Potsdam Museum zu sehen. 15 Potsdamer Handwerksbetriebe werden dort mit je einer Handvoll Bilder vorgestellt. Auch der Fotokalender ist dort zu bekommen.

"Wer weiß schon noch, was ein Böttcher ist?"

Die Ausstellung ist das erste Projekt im neuen Themenjahr von Kulturland Brandenburg. 2016 geht es um „Handwerk zwischen gestern und übermorgen“, in ganz Brandenburg finden dazu 34 Projekte statt. „Wir wollen die Tradition und Geschichte Brandenburger Handwerksbetriebe als auch den heutigen Stand mit den Herausforderungen für die Zukunft zeigen“, sagte Brigitte Faber-Schmidt, Geschäftsführerin von Kulturland Brandenburg, zur Eröffnung. Das Themenjahr soll auch zeigen, welche vielfältigen Handwerke es im Land und in Potsdam gibt. „Wer weiß schon noch, was ein Böttcher ist“, sagte Faber Schmidt. Auch angesichts des heutigen Fachkräftemangels wurde das Thema Handwerk gewählt.

Die Ausstellung im Café am Alten Markt zeigt zunächst einmal, wie die exemplarischen Betriebe trotz aller Systemwechsel bis heute überlebten. Wie es ihnen damals ging und heute, was bewahrt wurde und was sich veränderte. Eines der ältesten Fotos zeigt die Gärtnerei Spillner, eine kleine Kate in der Behlertstraße, dort, wo in den 1930er-Jahren das Behlert-Karree errichtet wurde. Das Foto entstand um 1870. Der großformatige Abzug stammt aus dem Jahr 1920 und ist als solcher auch interessant. Unter dem Glas blättert die Oberfläche des Fotopapiers. Der Rahmen wurde von der Firma Wilhelm Jordan – auch vertreten in der Ausstellung – gefertigt. Solche Querverbindungen finden sich häufig in dem Firmengefüge – und sind sehr interessant, sagte Peter Rogge. Das historisch wertvolle Bild hat die Gärtnerei Spillner, die heute in der Heinrich-Mann-Allee sitzt, dem Potsdam Museum überlassen.

Alte und neue Bilder von Potsdams Handwerkern

Sämtliche ausgestellten Bilder sind Originale. Die Recherche dauerte ein Weilchen, sagt Peter Rogge. Er verschaffte sich zunächst einen Überblick über Potsdams älteste Familienbetriebe und ging dann von Tür zu Tür. Nicht überall waren alte Fotos zu finden. Vom Jalousien- Müller in Babelsberg stammt dafür ein kunstvoller Meisterbrief, daneben hängen Fotos von heute. Die Firma hat keine Nachwuchsprobleme, Jonas Müller, vierte Generation, wurde im vergangenen Jahr bester Lehrling im Bundeswettbewerb. Von Metallbau K. Lehle & Sohn stammt ein Ölbild, das Firmengründer Caspar Lehle zeigt – stolz am Arbeitsplatz. Alte wie auch neue Bilder, Schnappschüsse vom Alltag oder besonderen Anlässen wie Firmenjubiläen dokumentieren das Selbstverständnis der Gründer und Handwerker, die sich vor dem Haus, in der Werkstatt oder draußen präsentieren: beeindruckend die Männer von Orgelbau Schuke, die sich mit den hölzernen Orgelpfeifen aufgestellt haben. Die Männer vom E. Krüger & Co. Straßen- und Tiefbaugeschäft Potsdam sieht man beim Schuften auf Potsdams Straßenbaustellen, und Fischer Mario Weber ließ sich wie seine Vorgänger am Havelufer fotografieren. Es sind Fotos, die typischerweise in den Wohnzimmern, über Schreibtisch oder Werkbank hängen. Und jetzt weiße Flecken hinterließen.

Bäckerei Braune: "Wir haben einfach immer weiter gebacken"

Für die Ausstellung hat der Fotograf Mathias Marx aktuelle Fotos der Handwerker gemacht – zur Gegenüberstellung. Bäcker Werner Gniosdorz kam zur Eröffnung live und persönlich dazu. Und erklärte, was auf den Fotos zu sehen ist: der gemauerte Backofen, der noch bis 1990 mit Kohle beheizt wurde. Das war weniger romantisch, als die Kunden heute meinen – vor allem das Entsorgen der Asche war eine ziemliche Sauerei, erinnert sich der Bäcker. Heute steht an gleicher Stelle ein Elektroofen. Die Bäckerei Braune gehört zu den Familienbetrieben, die Krieg und DDR unbeschadet am selben Standort überstanden. Brenzlich wurde es, als 1972 die Verstaatlichung drohte. „Aber wir haben einfach immer weiter gebacken – und nichts passierte“, sagte Gniosdorz. Auch von solch mutiger, beeindruckender Gelassenheit erzählen die Bilder.

Die Ausstellung ist zu sehen bis zum 14. Februar im Café Art im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, geöffnet Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertage bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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