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Am Mittwoch tagten die Stadtverordneten ein letztes mal im Plenarsaal im Rathaus Potsdam.

© Andreas Klaer

Update

Potsdamer Stadtverordnetenversammlung: Zitterpartie zum Extavium geht weiter

Eigentlich sollte am Mittwoch über das Weiterbestehen des Mitmachmuseums entschieden werden, doch die Stadtverordneten kamen gar nicht erst bis zu diesem Tagesordnungspunkt. Davor wurden hingegen andere wichtige Entscheidungen gefällt. Ein Überblick.

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Potsdam - Zum letzten Mal haben am Mittwoch die Stadtverordneten regulär im Potsdamer Stadthaus in der Friedrich-Ebert-Straße getagt – ab der nächsten Sitzung im März sitzen sie wie berichtet aus Platzgründen in einem Saal der Industrie- und Handelskammer an der Breiten Straße zusammen. Empfangen wurden sie wie so oft von einer Protestaktion – diesmal ging es um das Strandbad Babelsberg. Was das Anliegen der Demonstranten war und was in der Sitzung wichtiges besprochen wurde, fassen wir an dieser Stelle zusammen.

Protest wegen der Verkleinerung des Strandbads

Rund 40 Potsdamer haben am Nachmittag vor dem Stadthaus gegen die geplante Verkleinerung des Strandbades Babelsberg und den Abriss der aus DDR-Zeiten stammenden Gebäude des Segelsportclubs demonstriert. Mit Transparenten und auf Flugblättern forderten sie einen Planungsstopp und eine öffentliche Diskussion zum Thema. Bislang hätten nur "Geheimverhandlungen" zwischen der Schlösserstiftung, der Stadt und den Stadtwerken als Eigentümerin des Bades stattgefunden, heißt es in einer vom Bündnis "Stadt für alle" verbreiteten Mitteilung. Das Gebaren vor allem der Stiftung sei "absolutistisch", kritisierte das Bündnis. Unmengen von Ressourcen und Geld würden verschwendet, um einen historischen Weg anzulegen, hieß es weiter. 

Foto: Katharina Wiechers
Vor der Stadtverordnetenversammlung demonstrieren Potsdamer gegen die Verkleinerung des Strandbads Babelsberg.

© Katharina Wiechers

Wie berichtet planen Stadtwerke und Schlösserstiftung nach einem mehr als zehn Jahre zurückliegenden Gerichtsurteil nun einen Flächentausch. Das Strandbad soll dabei näher an die Humboldtbrücke heranrücken. Dafür sollen die Gebäude des Bades und des Seesportclubs abgerissen werden, das Strandbad erhält einen Neubau, in dem perspektivisch auch die Wassersportler unterkommen sollen. Bis dahin ist eine Übergangslösung mit Container geplant. 2023 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Parallel will die Stiftung einen Drive genannten Rundweg wiederherstellen. Zu den Einzelheiten will die Stadt im Februar auf einer Bürgerversammlung Stellung nehmen.

Neue Notschlafplätze für Frauen

Für wohnungslose Frauen in Potsdam sollen zehn Notschlafplätze geschaffen werden. Plätze speziell für Frauen gebe es in der Stadt bislang nicht, so die Sozialbeigeordnete Brigitte Meier (SPD) in der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch. Dies sei „hoch problematisch“. Außerdem befindet sich derzeit ein weiteres Projekt für Frauen ab 27 Jahren in Vorbereitung. Dabei handele es sich um dauerhafte Wohnplätze. 

Probleme beim Zweckentfremdungsverbot

Die seit Langem geplante Satzung für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnungen in Potsdam kann erst zum Jahresende eingeführt werden. Das sagte Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD). Das Papier liege zwar bereits vor, jedoch sei die Sachlage sehr komplex, zudem habe man personelle Probleme, so die Beigeordnete. Das Land hatte bereits im Juni 2019 ein Gesetz über das Zweckentfremdungsverbot erlassen, ursprünglich hatte die Verwaltung ihre Satzung bis dahin fertig haben wollen. Das Papier soll eine Umwandlung von Wohnraum, etwa in Ferienwohnungen, Anwaltskanzleien oder Arztpraxen, erschweren. Künftig müsse auch ihr Geschäftsbereich bereits im Bauantragsverfahren einbezogen werden, kündigte Meier an. Eine verlässliche Zahl, wie viele Wohnungen illegal als Ferienwohnungen genutzt oder anderweitig zweckentfremdet wurden, gibt es bislang nicht.

V.l. Potsdams Jugendbeibeordnete Noosha Aubel (parteilos), Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und Baubeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos).
V.l. Potsdams Jugendbeibeordnete Noosha Aubel (parteilos), Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und Baubeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos).

© Archivfoto: Sebastian Gabsch

Schubert will Bürgerdialog fortsetzen

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) will sein Modell des Bürgerdialogs fortsetzen. Auch für 2020 seien Stadtteilspaziergänge und Bürgersprechstunden geplant, sagte er am Mittwoch. Er wertet das von ihm eingeführte Format als Erfolgsmodell, das Interesse sei sehr groß. „Das hat meine persönlichen Erwartungen übertroffen“, so Schubert. Die Bürgersprechstunden seien stets ausgebucht und auch die Stadtteildialoge und Rundgänge würden ausgesprochen gut besucht. Ende des ersten oder Anfang des zweiten Quartals sei geplant, eine Evaluation der bisher stattgefundenen Veranstaltungen zu präsentieren. Dazu würden auch die Stadtverordneten eingeladen.

Die Andere kritisiert Bedingungen an VHS

Die Fraktion Die Andere hat Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Volkshochschule (VHS) geübt. Viele Lehrkräfte der städtischen Einrichtung befänden sich in prekären Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen, sagte Fraktionsmitglied Lutz Boede. Er forderte eine Festanstellung für die Lehrer der Einrichtung, deren Arbeit immer wichtiger werde. Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) wies die Vorwürfe zurück. Das Modell, Lehrkräfte auf Honorarbasis zu beschäftigen, werde bundesweit angewandt, so Aubel. Nach der Erhöhung des Stundenhonorars von 20 auf 35 Euro vor zwei Jahren sei Potsdam Spitzenreiter bei der Bezahlung der Lehrkräfte. Die rund 120 Kursleiter dort leisteten hervorragende Arbeit. Im vergangenen Jahr seien insgesamt 23.000 Unterrichtsstunden erteilt worden. Perspektivisch wolle man das Angebot ausbauen, vor allem für junge Menschen.

Unterschriften für Erhalt des Extaviums übergeben

Unterstützer des Mitmachmuseums Extavium haben Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) während der Stadtverordnetenversammlung Unterschriften für den Erhalt der Einrichtung übergeben. Insgesamt sind 2357 Unterschriften von Potsdamern zusammengekommen, etwa 1400 weitere Menschen, die nicht in der Landeshauptstadt wohnen, haben ebenfalls unterschrieben. Als Lehrerin schätze sie das Extavium sehr, sagte Unterstützerin Jeanette Storch bei der Übergabe. Kinder könnten hier selber experimentieren und auch solche, die sonst nicht stillsitzen könnten, lernten hier viel. 

Auch der 19-jährige Konstantin Mielke plädierte in der Stadtverordnetenversammlung für einen Erhalt des Extaviums in der Breiten Straße. Er könne sich noch heute an seinen ersten Besuch des Museums als fünfjähriger Junge erinnern. Er habe bei seinem Besuch damals das Prinzip des Flaschenzugs verstanden. Später sei er mit seiner Schule oft im Extavium gewesen und habe viele Workshops besucht, die zum Rahmenlehrplan passten und den Lernstoff auflockerten.

Übergabe der Unterschriften zum Extavium in der Stadtverordnetenversammlung.
Übergabe der Unterschriften zum Extavium in der Stadtverordnetenversammlung.

© Katharina Wiechers

Die Zukunft des Museums stand am Mittwoch auch auf der Tagesordnung im Stadtparlament – doch der Rettungsantrag der Linken konnte wegen der langen Sitzung nicht mehr behandelt werden. Daher entschied man sich zur Überweisung in den Hauptausschuss "zur Erledigung". Die Linke-Fraktion will die Stadtverordneten über eine finanzielle Übergangslösung und die Suche nach einem neuen Betreiber beschließen lassen.  

Eigentlich hatten sie auf einen Sofort-Beschluss gehofft: Dem Extavium in der Ladenzeile Am Kanal läuft bekanntlich die Zeit davon. Dessen Gründer hatten ausgeführt, dass Geld reiche wohl maximal bis Ende März. Der Hauptausschuss tagt wieder im Februar, nach den Winterferien.  Bisher verweigert das Rathaus eine von dem Haus für 2020 beantragte Förderung von 200.000 Euro, vor allem wegen Bonitätsbedenken.

Biosphäre-Beschluss im November

Das Konzept für den Umbau der defizitären Biosphäre zu einem Freizeit- und Wissenschafts-Center nebst Hotel und Wellnessangeboten soll den Stadtverordneten im November vorgelegt werden. Diesen Termin nannte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) in der Stadtverordnetenversammlung. Ursprünglich hatte es bereits in diesem Monat fertig sein sollen, allerdings war bei der Ausschreibung wie berichtet kein Angebot zur Erstellung der Machbarkeitsstudie eingegangen. Der Linke-Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg äußerte wegen der Komplexität der Anforderungen Verständnis. Die Umgestaltung der Tropenhalle soll rund 17 Millionen Euro kosten.

Eckwerte für den Haushalt beschlossen 

Die Stadtverordneten haben die Eckwerte für den Doppelhaushalt 2020/21 beschlossen. Mit den Stimmen und SPD, Grünen und Linken wurden sechs sogenannte Leitgedanken für die Aufstellung des Haushaltes festgelegt. So sollen Klimaschutz sowie umwelt- und sozial gerechte Mobilität, bezahlbares Wohnen, sozialer Ausgleich und gleichwertige Lebensverhältnisse oder eine moderne Bildungsinfrastruktur Schwerpunkte sein. 

Außerdem ist die Entwicklung einer Zehn-Jahres-Investitionsplanung beschossen worden. Auch dass die Landeshauptstadt eine „bürgernahe Dienstleisterin und attraktive Arbeitgeberin“ sein soll, steht in dem Beschluss. Auf Antrag der CDU wurde zudem die „Attraktivierung der Landeshauptstadt Potsdam als Wirtschaftsstandort“ mit in den Eckwertebeschluss aufgenommen.

Mit den Schwerpunkten gäben die Stadtverordneten Antworten auf dringliche Fragen in der Stadt, so SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Konkret sollen das Tram- und das Radverkehrsnetz ausgebaut werden, die IT an den Schulen verbessert oder Flächen für soziale Infrastruktur angekauft werden.

Ja zum Hotel über der Wagenhalle

Der Weg für den Bau eines Hotels über der ehemaligen Wagenhalle zwischen Hauptbahnhof und Semmelhaack-Siedlung in der Friedrich-Engels-Straße ist frei. Am Mittwochabend stimmten die Stadtverordneten für den entsprechenden Bebauungsplan und einen städtebaulichen Vertrag mit dem Investor. Zuvor hatte bereits der Bauausschuss seinen Segen gegeben.

Der Berliner Investor Newstone Immobilien GmbH will über der denkmalgeschützten Wagenhalle wie berichtet ein Zwei-Sterne-Hotel mit rund 180 Zimmern mit einer Größe von jeweils 20 Quadratmetern errichten. Ferner sind 60 sogenannte Longstay-Appartements vorgesehen, die etwas größer ausfallen. Das Gebäude soll dabei maximal 18,50 Meter hoch sein. Vorgesehen ist auch eine Gastronomie, Tagungsräume mit bis zu 350 Quadratmeter Nutzfläche und ein Spa-/Fitness-Bereich mit rund 500 Quadratmetern. Allerdings wurde erneut harsche Kritik an der Architektur und den Dimensionen des Projekts laut. Der Stadtverordnete Alexander Frehse (Die Partei) warf der Bauverwaltung vor, mit ihren Zugeständnissen an den Investor werde ein Industriedenkmal zerstört. Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) wies die Vorwürfe zurück. Nur mit dem Kompromiss, dass die Wagenhalle überbaut werde, sei deren Erhalt möglich geworden.

Die Biosphäre in Potsdam.
Die Biosphäre in Potsdam.

© Andreas Klaer

Grünes Licht für Kreativzentrum

Nach kontroverser Debatte haben die Stadtverordneten den Plänen für ein Kunst- und Kreativzentrum an der Plantage hinter der Garnisonkirche zugestimmt. Damit kann der Investor, das Berliner Architekturbüro Glockenweiß das Areal der ehemaligen Feuerwache kaufen und entwickeln. Insgesamt sollen rund 18.400 Quadratmeter Nutzfläche für die Kreativwirtschaft geschaffen werden, 7000 Quadratmeter davon sollen anfangs zu neun Euro netto kalt pro Quadratmeter vermietet werden. Ein erster Bauabschnitt soll bereits 2023 fertig sein, er ist als Ersatzbau für die im Rechenzentrum ansässigen Künstler und Kreativen gedacht, sollte der DDR-Bau wie bislang geplant nach 2023 abgerissen werden. Glockenweiß will nach eigenen Angaben rund 85 Millionen Euro am Standort investieren.

Scharfe Kritik gab es von Vertretern von Die Andere, Teilen der Linken und dem Stadtverordneten Alexander Frehse (Die Partei) an dem Umstand, dass das kommunale Areal verkauft und nicht per Erbbaupacht vergeben wird. Man brauche eine Grundsatzentscheidung, wie man künftig mit kommunalen Grundstücken umgehen soll, forderte Frehse.

Kanalsprint ab 2021 nur noch ohne Trinkwassser

Der traditionsreiche Kanalsprint im Stadtkanal soll ab spätestens 2021 nicht mehr unter der Nutzung von Trinkwasser stattfinden. Das haben die Stadtverordneten mit knapper Mehrheit beschlossen. Abgestimmt wurde ein im Bildungsausschuss gefundener Kompromiss. Mehrere Stadtverordnete, etwa von den Linken oder Die Andere, hatten schon für dieses Jahr ein Verbot gefordert. Ob nun ab 2021 der Kanalsprint an anderer Stelle stattfindet oder umfangreich Havelwasser in den Stadtkanal gepumpt werden muss, ist noch offen.

Fläche für ein Bad in Krampnitz soll gesichert werden

Für ein Schwimmbad im Potsdamer Norden soll eine geeignete Fläche im Entwicklungsgebiet Krampnitz identifiziert und gesichert werden. Das haben die Stadtverordneten auf Antrag der rot-grün-roten Rathauskooperation beschlossen. Die Fläche soll dabei über einen direkten Zugang zum Krampnitzsee verfügen, auch für einen Badebereich mit Strandzugang, wie es Tina Lange (Linke) formulierte. Auf Antrag der CDU soll die Stadt nun zudem prüfen, an welchen Stellen und Gewässern noch Badestellen entstehen können. Auch das wurde beschlossen. Die Begründung: Der Druck auf die bestehenden Badestellen in Potsdam wird mit dem Wachstum der Stadt immer größer. Zudem gibt es in Potsdam zu wenig Schwimmbadflächen.

Potsdam Museum könnte größer werden

Das kommunale Potsdam Museum könnte größer werden. Die Stadtverordneten haben auf Antrag der Linken eine Machbarkeitsstudie "zur Realisierung einer räumlichen Erweiterung des bestehenden Baus des Potsdam Museums" beschlossen. Das sei nötig, um Schlüsselwerke der städtischen Kunstsammlung dauerhaft zu präsentieren. Zugleich ist das Angebot der Genossenschaft Karl Marx zu prüfen, dass so eine Galerie im neuen Wohn- und Geschäftskarree am Alten Markt enstehen könnte - vis á vis des Potsdam Museums.

Neue Spielregeln im Stadtparlament

Die Stadtverordneten haben sich für ihre Sitzungen neue Spielregeln gegeben. Die entsprechende Änderungen ihrer Geschäftsordnung beschloss die Stadtpolitik am späten Abend mit großer Mehrheit. Neu ist ein „Kodex für den wertschätzenden Umgang“ miteinander, dem sich die Kommunalpolitiker verpflichtet fühlen sollen. Demnach soll in Debatten „sachlich und konstruktiv“ auf Beiträge von Vorrednern reagiert werden. Dazu kommen Regeln wie: „Wir halten uns an die Fakten“ und „Wir sind höflich und wertschätzend im gegenseitigen Umgang“. Ferner wird für die Plenarsitzungen eine „geschlechtersensible Sprache“ und der Verzicht auf „ Sexismus, Rassismus und jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ gefordert, auch Beleidigungen oder Drohungen sind nicht erlaubt. Sanktionen bei Zuwiderhandlungen sind nicht vorgesehen. Unter anderem soll nun auch die Frist zur Beantwortung von Kleinen Anfragen von zwei auf drei Wochen verlängert werden. Hier hatte das Rathaus in den vergangenen Monaten schon mehrfach Überlastung angezeigt, weil man immer mehr Anfragen innerhalb kurzer Zeit beantworten müsse. Bei der Stadtverordnetenversammlung handelt es sich um ein ehrenamtliches Gremium, die Kommunalpolitiker erhalten nur eine Aufwandsentschädigung.

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