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Am 17. Januar 2014 wurde des 120 Millionen Euro teure Gebäude eröffnet.

© Ralf Hirschberger/dpa

Potsdamer Stadtschloss: Landtag seit einem Jahr im Schlossgewand

Ein Jahr nach seiner Eröffnung hat sich der neue Potsdamer Landtag zu einem Besuchermagneten entwickelt. Die Diskussionen über Millionenkosten und die Schlossfassade sind passè - der weiße Adler im Plenarsaal auch.

Potsdam  - Wenn die Linken-Abgeordnete Gerrit Große im Plenarsaal des Potsdamer Landtags sitzt, schaut sie noch häufig auf den leeren Platz an der weißen Wand über dem Präsidium. "Ich vermisse den weißen Adler", sagt die 60-Jährige wehmütig. "Ich vermisse aber auch die heißen Debatten darüber - die waren so identitätsstiftend für Brandenburg."

Architekt Peter Kulka hatte aus künstlerischen Gründen einen großen weißen Adler durchgesetzt - statt einem Wappentier in der Landesfarbe Rot. Wochenlang hatten die Proteste empörter Brandenburger die Debatte über den neuen Landtag nach der Eröffnung Mitte Januar 2014 bestimmt. Bis der 1,80 Meter große weiße Vogel aus Stahlblech im Juni schließlich abgehängt wurde.

Über 160.000 Besucher wollten den neuen Landtag sehen

Damit haben die Bürger nicht nur ihren Frieden mit dem 120 Millionen Euro teuren Parlamentsbau mit der rekonstruierten Fassade des historischen Potsdamer Stadtschlosses der preußischen Herrscher-Dynastie gemacht - sie strömen begeistert in ihren neuen Landtag. Rund 164.000 Besucher seien seit der Eröffnung mit einem Bürgerfest Mitte Januar 2014 gezählt worden, mehr als 31.000 von ihnen hätten an den regelmäßigen Führungen teilgenommen, berichtet die Landtagsverwaltung. "Und ich habe noch niemanden getroffen, der sich nicht über das neue Parlament gefreut hat", sagt Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski.

"Ich gehe hier regelmäßig mit Freunden und Bekannten hin, die mich besuchen kommen", erzählt Gabriele Rosenau aus Hennigsdorf. "Für mich ist es das neue Aushängeschild für die Landeshauptstadt." Toll findet sie insbesondere, dass die Kantine mittags jedem offen steht. "Da kann man auch schon mal einen Minister sehen."

Ähnlich sieht es Wolfgang Herkholz aus Berlin-Spandau, der im großen Innenhof des Schlosses Erinnerungsfotos macht. "Früher schaute man sich das Holländische Viertel an, und heute geht man erstmal zum Landtag." Auch Renate Korten ist überzeugt. "Es ist alles so hell und freundlich hier", meint die Brandenburgerin. "Im alten Landtag war ich nie."

Provisorische Unterbringung in der ehemaligen Reichskriegsschule ist Geschichte

"In die alte Bruchbude auf dem Brauhausberg habe ich mich auch kaum getraut, Besucher einzuladen", sagt Christoph Schulze. Der 49-Jährige ist Landtagsabgeordneter der ersten Stunde seit 1990, zunächst für die SPD und zuletzt mit einem Direktmandat für BVB/Freie Wähler. Von 1993 an war das Landesparlament zwanzig Jahre lang provisorisch in der einstigen Reichskriegsschule aus der Kaiserzeit untergebracht, die zu DDR-Zeiten von der SED-Bezirksleitung genutzt wurde.

"Jetzt kommen Schulklassen und viele Bürger, auf der großen Tribüne im Plenarsaal ist auch bei den Debatten meist genügend Platz", freut sich Schulze. Ihn stören nur die vielen Glaswände, die Fraktionen und andere Büros abschotten. "Das wirkt ein wenig wie offener Vollzug", meint er. "Im alten Landtag standen die Türen offen - aber da kam kaum jemand."

Auch die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher fühlt sich wohl im Schloss - und ist froh, dass die Grünen wegen langjähriger außerparlamentarischer Opposition an dieser Entscheidung nicht beteiligt waren. "Ich hätte auch Bedenken gegen das Schloss gehabt", gibt sie zu. "Aber in diesen sehr nüchtern gehaltenen Räumen fühlen wir uns nicht als Schlossbewohner." Wichtig sei, dass der Landtag vom Berg ins Zentrum gerückt sei. "Ich freue mich, dass wir so viele Besucher haben - auch wenn es in der Kantine dann manchmal eng wird."

Architekt: Die Stimmung ist gekippt

Für den Architekten Kulka ist die Entwicklung des Landtags-Schlosses zum Besuchermagneten ein kleines Wunder. "Die Stimmung ist regelrecht gekippt", sagt Kulka. "Im Vorfeld hat es viel Kritik an den Kosten und an der historischen Schlossfassade gehagelt." Er selbst könnte sich auch bis heute ein modernes Parlamentsgebäude an diesem Platz vorstellen. "Aber ich freue mich, dass die Leute heute mit dem Schloss leben wollen."

Auch Kulka hängt noch ein wenig an dem weißen Adler, der im Keller des Landtags in einem Abstellraum verschwunden ist. Nun gibt es dafür ein kleines rotes Wappentier am Rednerpult. "Der weiße Adler war eine gute Lösung, aber ich kann nun mit diesem demokratischen Kompromiss leben", sagt Kulka. "Ein großer roter Adler hätte dagegen den Plenarsaal optisch erschlagen."

Hintergrund: Das Potsdamer Stadtschloss

Der Brandenburger Landtag ist hinter der rekonstruierten Fassade des Potsdamer Stadtschlosses zu Hause. Der Architekt Peter Kulka orientierte sich bei dem Neubau an dem historischen Entwurf des preußischen Baumeisters Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der das Schloss zwischen 1744 und 1751 umbaute. Spenden ermöglichten unter anderem den Bau einer historischen Fassade, ein Kupferdach und die Wiederherstellung des Figurenschmucks. Das im Zweiten Weltkrieg beschädigte Preußenschloss am Alten Markt war in den Jahren 1959/1960 auf Anweisung der DDR-Führung abgerissen worden.

Im Inneren ist das Parlamentsgebäude ein moderner Neubau. Allerdings wurde das historische Treppenhaus von Knobelsdorff rekonstruiert. Im Erdgeschoss sind durch einen Glasboden die historischen Überreste des einstigen kurfürstlichen Speisesaals mit den Bodenfliesen zu sehen.

Nach dem ersten Spatenstich im März 2010 wurde das Gebäude im Herbst 2013 an den Landtag übergeben. Die Baukosten lagen bei120 Millionen Mark. Das neue Parlament wurde mit einem Bürgerfest im Januar 2014 eröffnet.

Klaus Peters

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