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28 Wohnungen sind in der Spornstraße saniert worden.

© Sebastian Gabsch

Potsdamer Spornstraße: Außen Barock, innen Terrazzo

Lange Zeit tat sich nichts in der Straße mit Potsdams ältestem Kopfsteinpflaster. Jetzt wurden schon mal die Häuser der Spornstraße saniert - von einem bekannten Investor.

Potsdam - Der Mann auf dem Bürgersteig vor der Nummer drei wartet auf den Umzugswagen. Die Spornstraße ist aufgrund letzter Bauarbeiten zum Teil gesperrt, die Möbelträger werden das nicht lustig finden. Der Umzieher ist bester Laune. Er und seine Frau ziehen aus einer Übergangswohnung endlich zurück in den alten Kiez. Er hat schon zu DDR-Zeiten hier gewohnt, im Eckhaus an der Dortustraße, sagt der Mann, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung sehen will. Jetzt konnten sie sich eine kleinere Wohnung drei Häuser weiter aussuchen. Kommt ja alles aus einer Hand.

Miethäuser wie in einer Zeitblase

Eigentümer der kurzen Häuserzeile ist Günther Jauch, Journalist, TV-Moderator und ein Potsdamer, der gerne in historische Bausubstanz investiert. Vor etwa vier Jahren kaufte er die heruntergekommenen Altbauten in der Spornstraße. Sowohl Wohnhäuser als auch Straße gehören zum barocken Stadtkern. Nur dass diese Ecke zwischen Lindenstraße und Dortustraße bisher sich selbst überlassen gewesen war. In der Straße mit dem ramponierten denkmalgeschützten Kopfsteinpflaster konnte man bis vor Kurzem sogar noch frei parken. Und die mächtigen Mietshäuser waren wie in einer Zeitblase stecken geblieben.

„Wie soll es da drinnen schon ausgesehen haben vor der Sanierung – wie 40 Jahre DDR eben“, sagt der Mann. Viele Wohnungen hatten noch Ofenheizung, manche sogar noch einen Badeofen. Immerhin gab es hier bereits Küchen und Bäder mit Toilette, nicht etwa auf der halben Treppe. Denn die Häuser waren zwar von außen Barock – hinter der Fassade allerdings 1950er-Jahre. Der Grund: mindestens zwei Bombentreffer im zweiten Weltkrieg. Danach mussten die Gebäude der Spornstraße neu aufgemauert werden. Man gab sich Ende der 1950er- Jahre dabei noch Mühe und baute auf den historischen Grundrissen vergleichsweise modern und großzügig – die Plattenbauwohnungen, die kurz darauf in der DDR bevorzugt fabriziert wurden, waren wesentlich beengter. Einziges Zugeständnis angesichts des damaligen Wohnungsmangels: Es wurde ein zweites Obergeschoss draufgesetzt. Was, wenn man es nicht weiß, heute kaum auffällt.

28 Wohnungen Fläche sind entstanden

Diesen Hybrid von Barockfassade und Nachkriegsinnerem verkaufte die Stadt Potsdam schließlich an das Wohnungsunternehmen Semmelhaack, das wiederum an Jauch weiterverkaufte, der nun von Juni 2016 bis August 2017 sanieren ließ. 28 Wohnungen mit insgesamt etwa 2000 Quadratmetern Wohnfläche sind nun modern und nach gehobenem Standard ausgestattet. Bei Neuvermietung beträgt die Kaltmiete zehn Euro, Bestandsmieter zahlen deutlich weniger.

„Wollen Sie mal sehen?“ Der Mann schließt auf. Echtholzparkett, 3,20 Meter Deckenhöhe, aber kein Stuck. Originale Sprossenfenster mit Isolierverglasung, historische Beschläge, solide Holztüren. Das Bad mit ebenerdiger Dusche. Die Einbauküche allerdings bringt jeder Mieter selber mit. Vom Balkon schaut man in den grünen Innenhof mit Buddelkästen, Sitzgelegenheiten und Fahrradständern. Die neuen alten Mieter sind zufrieden. Mit der Wohnung, der Miete und der Gesamtsituation. Auf ihren Vermieter lassen sie nichts kommen. Die Wohnungsverwaltung habe sich vorbildlich gekümmert, beide Umzüge bezahlt, ebenso die Miet-Differenz.

Mauern teilweise sehr beschädigt

Die Sanierung sei ohne große Überraschungen erfolgt, sagt Manfred Dengel von der gleichnamigen Immobilienverwaltung. Die Planung übernahm das Potsdamer Architekturbüro Bernd Redlich, die ausführenden Gewerke kamen aus der Region. Es sei leider immer schwieriger, passende Handwerker zu finden, klagt Dengel. Die Restaurierung der historischen Fassade lag in den Händen der Potsdamer Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze. „Unser Glück war, dass die Substanz im Großen und Ganzen noch stand“, sagt Dengel. Auch wenn den alten Maurerarbeiten der Baustoffmangel der Nachkriegszeit anzumerken war. Die Flickarbeit der DDR hatte es nicht besser gemacht: „Die Mauern waren teilweise schon recht angenagt“, sagt Dengel.

Die großzügigen Treppenhäuser sind die Highlights der Gebäude. Hier hat sich noch ein authentisches Flair der 50er-Jahre erhalten, das man an dieser Stelle nie vermuten würde. Hier wurde grundsätzlich nicht gerüttelt an der originalen Gestaltung. Die Flure sind erstaunlich breit und hoch, fast wie eine Einfahrt. Warum, das kann sich auch Dengel nicht erklären, schließlich geht es vom Straßenniveau ein paar Stufen hoch. Es sei sicherlich nie jemand durchgefahren. Der Bodenbelag musste nicht erneuert werden, der originale Terrazzo ist noch in Ordnung.

50-er Jahre Moderne im Innern

Die Treppengeländer sind ebenfalls noch original, klassische Handläufe mit schlanken, konischen Sprossen, 50er-Jahre-Moderne. Ebenso die Malerei an Durchgängen und Türstürzen, die nach Freilegung unter mehreren Farbschichten wiederhergestellt wurde: grafische Muster in Pastelltönen.

Die meisten der alten Mieter sind in ihre sanierten Wohnungen zurückgezogen. Zehn Wohnungen mit Größen von 41 bis 84 Quadratmetern sind noch zu haben. Wer hier wohnt, hat das Garnisonkirchen-Glockenspiel vor der Haustür, die Innenstadt um die Ecke. Und mit der buckeligen Spornstraße – die Stadt hat die Sanierungspläne aufgrund der Häusersanierung aufgeschoben, sagt Dengel – hat mancher Mieter seinen Frieden gemacht. Da fahren die Leute wenigstens langsamer.

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