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Potsdamer Schule feiert Jubiläum: Gymnasium Hermannswerder: Die Bildungsinsel

Das Gymnasium Hermannswerder begeht sein 25-jähriges Bestehen. Einst war es die erste Schule in freier Trägerschaft in den neuen Bundesländern. Doch auch heute gibt es manches Mal Turbulenzen. „Wir sind in gewisser Weise im Aufbruch“, sagt der Schulleiter.

Potsdam - Es sind beeindruckende Fotoarbeiten, die in den Fluren des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder zu sehen sind: ausdrucksstarke Porträts von Schülern. Manches in den oft künstlerisch bearbeiteten Aufnahmen bleibt rätselhaft, anderes zieht den Betrachter geradezu magisch an. Da ist der durchdringende katzengleiche Blick einer Schülerin, die ihr Gesicht in einer Folge von Bildern mit immer stärker werdenden Kontrasten verwandelt. Und da ist Goethe, ja eben jener Dichterfürst der Deutschen, der jedenfalls hier im Schulflur alles andere als verstaubt daherkommt: Ein Schüler hat sich den Spaß erlaubt, das berühmte Bild von Tischbein nachzustellen, das „Goethe in der Campagna“ zeigt, sitzend in einer idealisierten antiken Landschaft. Die Version in Hermannswerder, sozusagen der Pop-Tischbein, geht so: Die antiken Ruinen sind abgeräumt, im Hintergrund ist stattdessen Wasser zu sehen, der Schüler stützt sich in Goethe-Pose auf ein modernes Sofa.

Der Abschluss der Potsdamer Schule wurde in der BRD als Abitur anerkannt - in der DDR nicht

„Beeindruckend, mit welchem Mut, mit welcher Offenheit sich die Leute da selbst darstellen“, sagt Schulleiter Leif Berling über die Fotoarbeiten. Der groß gewachsene Mann führt seit zwei Jahren die kirchliche Bildungseinrichtung auf der Halbinsel in der Havel. In diesem Schuljahr begeht das Gymnasium mit einer Reihe von Veranstaltungen ein Jubiläum: Vor 25 Jahren wurde es gegründet, hervorgegangen aus dem Kirchlichen Oberseminar. Dort konnte man zu DDR-Zeiten eine Reifeprüfung ablegen, die zwar in der alten Bundesrepublik als Abitur anerkannt wurde. Fehlanzeige dagegen im Osten: Für ein Studium an einer staatlichen Universität außerhalb der Theologie konnte man den Abschluss aus Hermannswerder nicht verwenden.

Immerhin hatten die Regierenden das 1950 gegründete Kirchliche Oberseminar nach anfänglichen Wirren nicht verboten. Die Heimatorte der jungen Menschen, die das Oberseminar besuchten, waren weit über die Landkarte verstreut. Schließlich gab es in der DDR nur wenige solcher konfessionellen Bildungseinrichtungen. „Die kamen aus der ganzen DDR“, erinnert sich der ehemalige Lehrer und Kantor Dietrich Schönherr an seine damaligen Schüler. Darunter waren viele Pfarrerskinder, denen aus politischen Gründen häufig das Abitur an staatlichen Schulen versperrt blieb. Freilich wollte auch die Stasi wissen, wie es am Oberseminar zuging. Mindestens einen Spitzel unter den Lehrern hat es gegeben, berichtet Schönherr. Ein sehr guter Pädagoge sei das eigentlich gewesen. „Wir waren sehr bestürzt, dass ausgerechnet der bei der Stasi war.“

Eine Nische im Schulbetrieb der DDR

Und dennoch war Hermannswerder eine Nische im Schulbetrieb der DDR, eine Nische, in der es sogar Lehrbücher aus Westdeutschland gab, wie sich Uwe Breithor erinnert, der 1979 in Hermannswerder sein Abitur ablegte. „Es war ja auch ein bisschen familiär damals“, sagt Breithor, der wie viele andere seiner Mitschüler im – heute noch bestehenden – Schulinternat auf der Insel wohnte. Breithor, jetzt Pfarrer im Gefängnis Heidering südlich von Berlin, äußert sich positiv über seine Zeit am Oberseminar: „Ich hab’s in guter Erinnerung.“

Ein getrübtes Bild zeichnet hingegen Anne Vetter vom Schulalltag auf Hermannswerder. Vetter, heute als Pressesprecherin bei den Grünen in Sachsen tätig, machte ihr Abitur 1998 auf der Insel, also in einer Zeit, als die Schule nach dem Ende der DDR längst kein Nischendasein mehr führte. Von den anfänglich 27 oder 28 Schülern ihrer Klasse seien am Ende nur 14 zum Abitur zugelassen worden. Zwölf von ihnen bestanden die Prüfung. „Es haben sehr viele die Klasse verlassen“, sagt Vetter. Die meisten von denen, die weggegangen sind, hätten ihr Abitur dann an anderen Schulen gemacht. Warum es zu diesen Problemen kam, kann Vetter nur schwer beschreiben. Die Schule sei sehr speziell gewesen und die Klasse eine „bunt zusammengewürfelte Truppe“. Sie selbst habe sich sogar ganz wohl dort gefühlt, so Vetter.

Bereits acht Jahre bevor Vetter ihr Abitur in Hermannswerder abgelegt hatte, war das Kirchliche Oberseminar in ein Gymnasium umgewandelt worden – und damit laut dem heutigen Schulleiter Berling die erste Schule in freier Trägerschaft in den neuen Bundesländern. Die Schule lag damals noch nicht in der Obhut der Hoffbauer-Stiftung, zu der das Gymnasium heute gehört. Vor 25 Jahren war die Landeskirche der Schulträger, berichtet der damalige Rektor Christoph Schröder. Seit Oktober 1990 ist das Haus offiziell ein Gymnasium. Das Problem der mangelnden Anerkennung der Abschlüsse war schon einige Monate zuvor gelöst worden, erinnert sich Schröder: „Wir hatten schon zu Zeiten der Modrow-Regierung erreicht, dass die Abschlüsse rückwirkend als Abitur anerkannt wurden.“

Kunst, Musik und alte Sprachen sind das Markenzeichen der Schule auf der Insel

Ein besonderes Markenzeichen der Schule waren – und sind es bis heute – der altsprachliche Unterricht sowie das musisch-künstlerische Profil. „Wir haben Griechisch nach wie vor als ordentliches Unterrichtsfach“, sagt Schulleiter Berling und meint damit Altgriechisch. Latein gehört ohnehin zum Fächerkanon. „Moderne Fremdsprachen spielen aber bei uns eine genauso große Rolle“, so Berling. In der jährlich stattfindenden Theaterwoche führen Schüler der Jahrgangsstufe acht ein Theaterstück auf. In diesem Jahr soll es „Momo“ von Michael Ende werden. Begeistert erzählt Berling, der selbst aus Wismar stammt, von den Sangesaktivitäten der Jungen Kantorei am Gymnasium. Für das laufende Schuljahr hat der Rias-Kammerchor aus Berlin eine Patenschaft mit der Jungen Kantorei begründet. An einem Tag im September sei das Spitzenensemble aus Berlin zu einer offenen Chorprobe nach Hermannswerder gekommen. Auch Kontakte ins Ausland pflegt die Schule, erzählt Berling. „Seit Jahren ist bei uns eine Studienfahrt nach Israel Tradition.“ Das Schulgeld beläuft sich laut Schulgeldtabelle je nach Einkommen der Eltern für das erste Kind auf 27 bis knapp unter 500 Euro. In Ausnahmefällen werde es ganz erlassen, sagt Berling.

Der Schulleiter, der vor zwei Jahren aus Bremen an die Havel kam, hat in dieser Zeit allerdings bereits viel Unmut auf sich gezogen. Die Stimmung in der Lehrerschaft sei problematisch, heißt es. Berling regiere zu stark ins Kollegium hinein. Die Zahl der Dienstberatungen hat der Schulleiter drastisch erhöht. Das schmeckt nicht jedem. Berling selbst räumt gewisse Spannungen innerhalb des Kollegiums ein. Manches Althergebrachte habe er aus dem Schulbetrieb verbannt. Aber: „Das, was über die Jahre sehr gut gelaufen ist, wird natürlich bewahrt und ergänzt“, sagt Berling. „Klar ist, dass wir in gewisser Weise im Aufbruch sind“, fasst er die Situation zusammen. Auch aus der Schülerschaft gibt es Kritik: Und doch, sagt eine Kritikerin, das Klima sei „im Vergleich zu anderen Schulen herzlich“.

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