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Landeshauptstadt: Potsdamer Schneider war Staatspräsident ,

die Herrschaft von Bruno Topff über die Insel Alsen dauerte allerdings nur drei Tage

die Herrschaft von Bruno Topff über die Insel Alsen dauerte allerdings nur drei Tage Von Erhart Hohenstein Potsdam hat einen Staatspräsidenten hervorgebracht: den Schneider Bruno Gustav Eugen Topff. Er trat während der Novemberrevolution am 6. November 1918 in Sonderburg (Nordschleswig) an die Spitze des Soldatenrates, rief die unabhängige Republik Alsen aus und ernannte sich selbst zu deren Oberhaupt. Seine Herrschaft währte allerdings nur drei Tage, dann war der schwer lungenkranke 32-Jährige am Ende seiner Kräfte und wurde vom Soldatenrat abgesetzt. Topff diente zu diesem Zeitpunkt als Obermaat (Unteroffizier) in der Kaiserlichen Kriegsmarine, von der am 3. November 1918 mit dem Kieler Matrosenaufstand die Revolution ihren Ausgangspunkt nahm. Er lag damals wegen seiner Tbc-Erkrankung im Sonderburger Kasernenlazarett. Als ihn die Nachricht vom Aufstand erreichte, hielt ihn nichts mehr im Krankenbett. Der Drei-Tage-Präsident ist auf der seit 1920 wieder zu Dänemark gehörenden Insel Alsen heute noch ebenso populär wie bei uns der „Hauptmann von Köpenick“. Schon seit 25 Jahren besteht die Bruno-Topff-Gesellschaft, die seinen Spuren nachgeht. „In seiner kurzen Regierungszeit entmachtete er die gesamte zivile und militärische Führung der Insel: den Landrat, Sonderburgs Bürgermeister, den Stadtkommandanten und den Marinebefehlshaber“, berichtete der Vereinsvorsitzende Schulleiter Kurt Philippsen den PNN. „Er sperrte die Konten der Reichsbank, untersagte den Export landschaftlicher Erzeugnisse und verteilte aus einem von Matrosen mit aufgepflanztem Bajonett bewachten Pkw persönlich Butter und andere Lebensmittel aus Militärbeständen an die hungernde Bevölkerung.“ Bei Topffs Revolution fiel im Gegensatz zu anderen deutschen Hafenstädten kein einziger Schuss. Auch danach ging das Schicksal glimpflich mit ihm um: Von einem Militärgericht wurde ihm 1919 Unzurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt seiner Handlungen attestiert, und er konnte in Sonderburg eine Schneiderei eröffnen. Auch seine Frau übersiedelte aus Berlin auf die Insel Alsen. Allerdings war Topffs Tuberkulose schon so weit fortgeschritten, dass er am 9. November 1920 daran verstarb. Die Witwe begleitete seine sterblichen Überreste nach Berlin, wohin sie mit einem Fährschiff und der Eisenbahn gebracht wurden. Bei der Spurensuche gelang es der Bruno-Topff-Gesellschaft mit Unterstützung der damaligen DDR-Behörden, die Herkunft des „Präsidenten“ zu klären. Im Potsdamer Einwohnermeldeamt wurde seine Geburtsurkunde aufgefunden. Danach erblickte Bruno Gustav Eugen am 02. November 1886 als Sohn des Baumeisters Arved Topff und seiner Frau Louise in der Havelstadt das Licht der Welt. Vermutlich führte sein Vater nur ein bescheidenes Baugeschäft, sonst hätte er seinen Sohn nicht bei einem Schneider in die Lehre gegeben. Später wich er dem Konkurrenzdruck durch Übersiedlung nach Rahnsdorf aus. Weder dort noch in Potsdam hat der Sonderburger Verein bisher weitere Spuren der Familie entdecken können. Wiedergefunden wurde dagegen die Grabstätte Bruno Topffs. Seine Witwe hatte ihn auf dem Zwölf-Apostel-Friedhof in Berlin-Schöneberg beisetzen lassen. Dort wurde auch sie 1935 beerdigt, außerdem in den 60er Jahren Schwester und Schwager Topffs. Auf der Grabstelle erinnert heute nichts mehr an den Potsdamer, der für drei Tage Staatspräsident war. Das will die Bruno-Topff-Gesellschaft aus Anlass des 75. Jahrestages der Ausrufung der Republik Alsen ändern. Heute Nachmittag um 15 Uhr wird der Vorstand auf dem Friedhof in Schöneberg, Werdauer Weg am Sachsendamm, einen Kissenstein zum Gedenken an den Schneider niederlegen, der die Welt verbessern wollte. „Wir würden uns sehr freuen, wenn PNN-Leser weitere Hinweise zur Familie und zum Leben Bruno Topffs geben könnten“, erklärte Kurt Philippsen.

Erhart Hohenstein

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