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Potsdamer Schlachthof: Wider das faulende Fleisch

Weil es rund um die vielen Potsdamer Privatschlächtereien gewaltig stank, wurde 1894 der Potsdamer Schlachthof eröffnet. Gotthilf Lude schrieb vor fast 60 Jahren die Chronik des Schlachthofs. Nun wurde die Handschrift dem Potsdam Museum übergeben.

Wo in den kommenden Jahren in der nördlichen Speicherstadt die letzte große Potsdamer Innenstadtbrache mit Wohnungen bebaut werden soll, ließen einst viele Schweine ihr letztes Quieken vernehmen, bevor sie geschlachtet wurden. Auch Rinder, Schafe und Pferde führte man an diesem Ort zur Schlachtbank, denn hier befand sich ab 1894 der Potsdamer Schlachthof. Noch zu DDR-Zeiten wurden auf dem Grundstück an der Leipziger Straße Tiere geschlachtet.

Vor fast 60 Jahren hat der Potsdamer Gotthilf Lude fein säuberlich, in gut leserlicher Handschrift, jene Geschichte aufgeschrieben, die vom Entstehen und Wachsen, von der Kriegszerstörung und dem Wiederaufbau des früheren Schlachthofs handelt. Sein Bericht, der bis ins Jahr 1959 reicht, umfasst über 40 Seiten, niedergeschrieben auf kariertem Papier. Datiert ist die historische Abhandlung auf den 31. Mai 1959. Lude starb 1972. Zuletzt hatte er in der Luckenwalder Straße, der heutigen Albert-Einstein-Straße, gewohnt. Im selben Haus lebte ab Ende der 1960er-Jahre auch der Potsdamer Fotograf Lutz Hannemann. Ihm übergab Lude, der wohl verwitwet und kinderlos war, damals seine handschriftlichen Aufzeichnungen zur Geschichte des Schlachthofs. Und in Hannemanns Hausstand blieb die Handschrift über Jahrzehnte – mehr oder weniger unbeachtet. Neulich habe er die Aufzeichnungen in seinem Keller wiedergefunden, erzählt Hannemann, der mittlerweile in Babelsberg wohnt. „Ich denke, Mensch, was ist das hier für eine rote Mappe?“ Hannemann hat die Unterlagen am vergangenen Donnerstag nun dem Potsdam Museum übergeben. „Dann ist das da, wo es nicht verloren geht“, sagt Hannemann, der in Potsdam auch als Luftbildfotograf bekannt ist.

Hannemann fand die Chronik beim Aufräumen im Keller

Und interessant sind Ludes Recherchen zur Geschichte des einstigen Schlachthofes in der Leipziger Straße allemal. Lude, geboren 1888 südwestlich von Stuttgart in der heute zu Lenningen gehörenden Gemeinde Schopfloch, arbeitete einst als Hauptbuchhalter im Potsdamer Schlachthof. Neben all seinen Zahlen, die er als Buchhalter im Blick haben musste, hatte Lude offensichtlich ein Faible für die Geschichte seiner Arbeitsstätte. So recherchierte er in vielerlei Quellen und fand interessante Details heraus. Doch die sind nicht immer appetitlich. So muss es früher, als noch im gesamten Stadtgebiet geschlachtet wurde, bisweilen olfaktorische Zumutungen gegeben haben. Lude erwähnt – allerdings ohne nähere Datumsangabe – rund 40 auf das Stadtgebiet verteilte Privatschlächtereien „mit ihrem Müll und Dunggruben, in denen die beim Schlachten anfallenden, nicht verwertbaren Fleischteile und sonstige Abgänge faulten.“ Dadurch habe sich in den damaligen Schlächtereien der charakteristische „Fleischgeruch“ verbreitet. Böden und Brunnen seien auf diese Weise verunreinigt worden. Auch habe dies Mäuse und Ratten angezogen, die sich gleich noch in der Nachbarschaft ausgebreitet hätten.

Um diese hygienischen Unzulänglichkeiten abzustellen, entschlossen sich die städtischen Behörden im Jahre 1891 zum Bau eines Schlachthofes, der daraufhin in der Leipziger Straße errichtet wurde. Die Eröffnung fand 1894 statt. Fortan war es in Potsdam verboten, auf anderen Grundstücken als dem Schlachthof große Tiere wie Schweine und Rinder zu schlachten. Chronist Lude recherchierte auch die Baukosten der aus mehreren Gebäuden bestehenden Anlage. Demnach betrugen die Investitionen für den Schlachthof insgesamt 784 528,75 Mark. Darin enthalten waren 35 643,50 Mark für die Entschädigungszahlungen an die bisherigen Privatschlächtereien, die mit der Inbetriebnahme des Schlachthofes ihre Arbeit einstellen mussten.

Die zentrale Schlachthof sollte die Geruchsprobleme in der Stadt beseitigen

Nicht nur die hygienischen Verhältnisse und damit auch die Qualität des Fleisches sollten so verbessert werden, auch wollte man mit dem neuen Schlachthof erreichen, dass der gefährliche Transport von Schlachtvieh durch belebte Straßen zurückgeht, fand Lude heraus. Wichtigster Bestandteil des Schlachthofs war, wie Lude schreibt, eine Kühlhalle für das Fleisch. Demnach wurde dort die Luft gekühlt, getrocknet und gereinigt dem in der Kühlhalle lagernden Kühlgut zugeführt.

Der Schlachthof als Institution verkaufte den Fleischern kein fertig ausgeschlachtetes Vieh, sondern stellte ihnen nur das Schlachthaus und die Einrichtungen zur Verfügung. Beim Töten der Tiere selbst kam den Angestellten des Schlachthofs wohl zumindest eine Überwachungsfunktion zu. Stilvoll liest sich, was Lude über das Geschehen an den Schlachttagen schreibt: „Im flottesten Trabe rollten nun die von den forschesten Pferden gezogenen, charakteristischen mit gewölbtem Deckel versehenen Schlachtwagen zu bestimmter Tagesstunde dem Schlachthofe zu, die Schlächter auf dem Bock mit weißer Jacke und runder, dunkler Schirmmütze.“ Lude verzeichnet für den Potsdamer Schlachthof in der Zeit vom 11. Juni 1894, dem Tag der Eröffnung, bis zum 31. Dezember 1900 die Schlachtung von 167 372 Tieren.

Beim Bombenangriff 1945 starben auf dem Schlachthofgelände 18 Menschen

Am 14. April 1945 wurde die Anlage beim Bombenangriff auf Potsdam schwer beschädigt. „Von 38 anwesenden Personen sind beim Angriff 18 Menschen getötet worden“, schreibt Lude. In den letzten Kriegstagen seien infolge der Sprengung der nahegelegenen Eisenbahnbrücke und durch Artilleriebeschuss weitere Schäden angerichtet worden. Da der Schlachthof nun nicht mehr arbeitsfähig war, wurde vorübergehend – wie früher – in den Potsdamer Fleischereien geschlachtet. Ab März 1946 konnte man die Arbeit in einem ersten Teilbereich des Schlachthofs wieder aufnehmen. Für das Jahr 1958 verzeichnete Lude die Schlachtung von 121 276 Tieren.

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