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Restaurant "Speckers Landhaus" in der Potsdamer Jägerallee schließt. Inhaber ist Steffen Specker.

© Andreas Klaer

Potsdamer Restaurant schließt: Russischer Abschied in Speckers Landhaus

Familie Specker wird Potsdam erhalten bleiben, das scheint sicher. Wo genau sie am Herd stehen werden, verraten die Köche noch nicht, dafür aber, wer künftig im Landhaus bewirten wird.

Potsdam - Die Vorspeisen werden gerade serviert, ein bunter Teller mit feiner Fischsülze, Blini, Wachtelei, Lachskaviar, dazu ein „Wässerchen“, Wodka im geeisten Glas, da spielt der zwischen den voll besetzten Tischen umherwandelnde Akkordeonist Schostakowitschs Walzer Nummer zwei. Moll und Dur wechseln sich in dem drei-Minuten-Stück ab: Melancholie, Traurigkeit, Träumerei und Optimismus. Es passte so gut zum letzten Abend in Speckers Landhaus. Freitag und Samstag wurde gleich zweimal zum lange geplanten Russischen Abend geladen. Dass er der letzte sein würde, stand erst seit wenigen Wochen fest, als kurzfristig der Verkauf der Immobilie festgemacht werden konnte.

Zum Abschluss gab es russische Leckereien im Speckers.
Zum Abschluss gab es russische Leckereien im Speckers.

© Andreas Klaer

Die Köche-Familie Gottfried Specker, Tochter Tina und Schwiegersohn Steffen Specker hatten das Restaurant in der Jägervorstadt 2007 gekauft und zunächst eine halbe Million in die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses gesteckt. Durch die Jahre kamen sie dann alle, Gäste aus Politik und Gesellschaft, Künstler, Wissenschaftler, Unternehmer, Touristen, Angestellte aus der Vorstadt. Aus Potsdam, Berlin und dem Umland Freunde des Hauses, Fans der Küche, die Speckers hier etablierten: eine geerdete aber feine Küche. Grundregeln der Französischen Küche - „Ich muss Paul Bocuses Trüffelsuppe Élysé nicht neu erfinden“, sagt Steffen Specker -  aber in seine Töpfe kam Brandenburger Wild. Fisch und Gemüse. 14 Punkte gab es 2017 vom Restaurantführer Gault Millau.

Von außen wird sich das Haus nach dem Besitzerwechsel nicht verändern, drinnen wird umgebaut.
Von außen wird sich das Haus nach dem Besitzerwechsel nicht verändern, drinnen wird umgebaut.

© Andreas Klaer

Specker kritisierte die Potsdamer Verkehrsplanung

Und doch ist jetzt – erstmal – Schluss. Zu groß war die Belastung in den letzten Monaten, beinahe schon Jahren, gewesen. Die Personaldecke immer gefährlich dünn, die Kosten hoch. Die Vorschriften und Pflichten in der Gastronomie immer umfänglicher. Zudem mache es Potsdam seinen Unternehmern unnötig schwer, hatte Senior Specker immer wieder geklagt. Wie soll man arbeiten, ein Unternehmen führen, wie sollen Gäste zu ihnen finden, wenn in Potsdam der Verkehr nicht funktioniert? Man um jeden Parkplatz kämpfen muss? Nein, so ganz kann er das auch am letzten Abend nicht vergessen, gerne hätte Specker, der Patron, der was Besonderes wollte aber eben auch nicht, am besten einfach nur zeigen, was man kann, in Potsdam mehr Glück gehabt.

Der Kaviar durfte beim russischen Abend nicht fehlen. 
Der Kaviar durfte beim russischen Abend nicht fehlen. 

© Andreas Klaer

Den Rückhalt ihrer Stammgäste spüren sie noch einmal an diesem Wochenende, die Plätze für die russischen Abende waren schnell weg. Unterstützung erfahren sie, völlig überraschend, aus einer anderen Richtung: Nahezu alle der insgesamt 15 Köche, die hier ausgebildet wurden, reisten aus ihren jetzigen Arbeitsorten an. Aus Italien, der Schweiz und ganz Deutschland. Nahmen sich frei, um hier dabei zu sein. Nicht als Gast, sondern beim Kochen mit Steffen Specker. Der war von der Aktion sichtlich gerührt. „Die lasen von der Schließung auf Facebook und riefen sofort hier an: Wir kommen, wir werden das Landhaus noch einmal rocken!“

Die Spuren bleiben

Auch deshalb habe er nicht in die Suppe geweint, sagt er Samstagnachmittag bei den letzten Vorbereitungen in der Küche. Viel zu stolz ist er auf das, was sie geschafft haben, nämlich dieses Familienunternehmen aufzubauen. Gute Köche auszubilden, Wissen weiterzugeben. „Es gibt uns ja weiterhin, nur nicht hier“, sagt Steffen Specker. Die große Firmenkantine in Berlin bleibt, dort werden auch die Landhaus-Mitarbeiter, darunter ein begeisterungsfähiger Service-Azubi aus Syrien, übernommen. Catering und Mietkochen wird es weiterhin geben. Viele Potsdamer Stammkunden bleiben ihnen treu. Das Landhaus bleibe ihm in guter Erinnerung, besondere Gäste wie Cindy Lauper, die 2016 beim Stadtwerkefest auftrat und plötzlich hier auftauchte; Peter Maffay, Comedian Markus Profitlich. Manfred Stolpe und Matthias Platzeck. Jann Jakobs. Günther Jauch. Familienfeiern, Jubilare und Brautpaare. Auch die jungen Speckers heiraten hier. Ein Fest bis früh um acht. „Die Braut wurde entführt und ich musste sie im Hotel am Jägertor mit Champagner auslösen“, erzählt er lachend. Vermissen werde er manches, im kulinarischen Kalender besonders die Vorweihnachtszeit mit Speckers ofenfrischer Landhausgans, nur auf Bestellung. Hunderte hat er in den Wochen von Martinstag bis Weihnachten zubereitet. Soulfood, Tradition, Heimatküche.

Auch Piroggen kamen am Samstagabend auf die Teller.
Auch Piroggen kamen am Samstagabend auf die Teller.

© Andreas Klaer

Samstagabend wird dennoch russisch gegessen, eine Idee aus dem vergangenen Jahr, die sie ihren Stammgästen noch geschuldet hatten. Neben diesen ist am Samstag die ganze Familie Specker mit dabei, auch die Söhne von Tina und Steffen Specker, acht und vier Jahre alt, die mit ihren Kinderkochjacken sogar zum Vater in die Küche dürfen.

Wird Speckers jetzt zum Sushirestaurant?

In wenigen Wochen wird hier jemand anders kochen. Neuer Eigentümer ist der Inhaber der Potsdamer Sushi-Restaurants My Keng und Chi Keng, so Gottfried Specker. „Außen wird es bleiben wie es ist, weil das Haus unter Denkmalschutz steht. Innen wird alles umgebaut.“ Schon in den kommenden Tagen werde die Übergabe vorbereitet. Wann genau Umbau und Restaurantbetrieb beginnen, sei noch offen.

Steffen Specker kochte am Samstag ein letztes Mal im Landhaus.
Steffen Specker kochte am Samstag ein letztes Mal im Landhaus.

© Andreas Klaer

Specker Junior fährt erstmal mit der Familie in den Skiurlaub. Dann werde man sehen, ob sich was Kleines in Potsdam oder Berlin findet, für ein neues Projekt. In Potsdam gebe es durchaus interessante und gastronomisch unterversorgte Ecken, aber es sei noch nichts spruchreif. Wenn es so weit ist, wird auch der Schwiegervater mit dabei sein. „Ich gehe nicht in den Ruhestand, ich brauche das hier“, sagt der 66-Jährige, der am Samstag selber beim Service hilft, Boeuf Stroganoff und Watruschki, Quarkküchlein, serviert. Da wird an den Tischen schon gesungen und geklatscht, russische Volkslieder. Und  „Muss i denn Muss i denn zum Städtele heraus.“ Mit Wässerchen - und der einen oder anderen Träne beim Abschied vom Landhaus.

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