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Die letzte ihrer Art. Das beeindruckendste Exponat der Ausstellung ist die einzige Zellentür, die vom Polizeigefängnis in der Priesterstraße/Bauhofstraße noch existiert. Das Gebäude selbst wurde 2002 abgerissen, die Gedenkstätte Lindenstraße widmet sich nun erstmalig der historischen Aufarbeitung des Ortes.

© Andreas Klaer

Potsdamer Polizeigefängnis: Das verschollene Gefängnis

Eine Schau über das ehemalige Polizeigefängnis wird in der Gedenkstätte Lindenstraße gezeigt. Sie informiert über die Nutzungsgeschichte - und über die Schicksale, die mit dem Gebäude verknüpft sind.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Zellennummer ist noch immer klar zu erkennen: 333 steht in simplen schwarzen Ziffern auf der weißen Gefängnistür, eines der wenigen Überbleibsel aus dem Polizeigefängnis in der ehemaligen Priesterstraße/Bauhofstraße. Das Gebäude selbst gibt es nicht mehr. Im Jahr 2002 wurde es abgerissen, auf dem heutigen Gelände in der Henning-von-Tresckow-Straße befindet sich das Polizeirevier Potsdam sowie das Innenministerium. Dort wo einst das Gefängnis stand, ist heute nur noch ein Parkplatz. All das erzählt die Werkstattausstellung „Sechs Wochen sind fast lebenslänglich... Das Potsdamer Polizeigefängnis Priesterstraße/Bauhofstraße“, die seit dem gestrigen Dienstagabend in den Räumen der Gedenkstätte Lindenstraße zu sehen ist.

Werkstattausstellung deshalb, weil die Forschungen über das Polizeigefängnis noch immer andauern. Die Gedenkstätte hofft auf die Mitarbeit von Familienangehörigen ehemaliger Häftlinge, oder auch ihnen selbst. „Wir sind sehr dankbar für Hinweise oder sogar konkrete Dokumente wie Briefe und Tagebücher“, sagt Gedenkstättenleiterin Uta Gerlant. Denn noch sei längst nicht alles über das ehemalige Polizeigefängnis bekannt. Die Schau in der Gedenkstätte Lindenstraße ist die erste, die sich überhaupt mit dem Ort beschäftigt. Ausgehend von der Kunstausstellung im Potsdam Museum zu dem expressionistischen Maler Fritz Ascher ist die Aufmerksamkeit auf das Gefängnis gelenkt worden. Ascher saß 1938/1939 einige Monate im Polizeigefängnis in der Priesterstraße (PNN berichteten).

Ausstellung informiert über die Bau- und Nutzungsgeschichte und über die spätere Nutzung in der sowjetischen Besatzungszone

Die Ausstellung informiert soweit es geht über die Bau- und Nutzungsgeschichte des Gefängnisses von 1925 bis in die 1950er Jahre sowie die spätere Nutzung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) sowie in der DDR. Bis 2000 wurde das Gebäude wohl noch als Gefängnis genutzt, 2002 schließlich abgerissen. Die zwei Straßennamen im Titel der Ausstellung bezeichnen dabei dieselbe Straße. Die heutige Henning-von-Tresckow-Straße trug ab 1749 den Namen Priesterstraße – abgeleitet von den beiden Predigerhäusern der damals noch stehenden Garnisonkirche. Im Jahr 1945 benannte man sie nach dem in den ehemaligen Kasernen untergebrachten städtischen Bauhof in Bauhofstraße um. Erst seit 1990 ist die Straße nach dem Widerstandskämpfer Henning von Tresckow benannt.

Einzelne Dokumente und Infotafeln geben Aufschluss über die Entstehungsgeschichte der Geheimen Staatspolizei und über einzelne leitende Akteure der Gestapo. Für die Ausstellungsrecherche hat sich Kuratorin Astrid Homann durch viele Archive gewühlt. Trotzdem hat sie keine fotografischen Innenansichten des Gefängnisses gefunden, historische Außenaufnahmen sind in der Ausstellung dagegen zu sehen.

„Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass diese Menschen überlebt haben“

Über das Innere des Polizeigefängnisses gibt immerhin ein Modell Auskunft, das von Häftlingen in den 1980er Jahren für Brandschutzübungen angefertigt wurde. Gemeinsam mit dem stellvertretenden Direktor des Potsdam Museums, Hannes Wittenberg hat der ehemalige Häftling Bernd Hübner es in dem Archiv des Potsdam Museums wiederentdeckt. Genauso wie die Zellentür mit der Nummer 333. Sie stammt aus der Zeit 1937/1938 und ist eine Tür aus dem Frauentrakt, wie Kuratorin Homann erklärt. „Die Nummerierung der Zellen ist gut nachzuvollziehen, deshalb können wir das genau zuordnen“, sagt sie. Sogar das Stockwerk ließ sich ermitteln: Die Zelle 333 befand sich im ersten Obergeschoss.

Ob eine der weiblichen Häftlinge, die in der Ausstellung vorgestellt werden, in eben dieser Zelle gesessen hat, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass sie ihre Haft überlebt haben. Lidia T. etwa: 1921 in der Ukraine geboren, wurde sie 1942 mit ihrer Schwester nach Deutschland verschleppt und in Brandenburg (Havel) als Zwangsarbeiterin eingesetzt. Im Jahr 1943 wurde sie festgenommen, weil sie politische Briefe an eine Freundin schrieb. Sechs Wochen war sie im Polizeigefängnis Priesterstraße, dann im KZ Ravensbrück. 1945 kehrte sie in ihre Heimat zurück. Von solchen Biografien – auch von männlichen – erzählen mehrere Infotafeln. „Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass diese Menschen überlebt haben“, sagt Uta Gerlant. Die vielen, die das Gefängnis nicht wieder lebend verlassen haben, sollen aber auch nicht vergessen werden.

Gegen das Vergessen soll auch ein Zeitzeugengespräch wirken, das am 15. März 2018 um 18 Uhr in der Gedenkstätte stattfinden soll. Eingeladen ist Helga Scharf, geboren 1934 in Berlin. Wegen der Verteilung von Flugblättern einer Werderaner Widerstandsbewegung in der DDR, wurde sie 1951 in Potsdam inhaftiert. 1953 wurde sie auf Bewährung entlassen, 1993 schließlich rehabilitiert. Sie ist eine der wenigen ehemalig Inhaftierten, die heute noch leben.

Die Ausstellung ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 2 Euro.

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