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Potsdamer Minsk: Nur eine Stimme Mehrheit

Die Diskussionen um das Minsk gehen in die nächste Runde: Die Entscheidung über Erhalt oder Abriss des DDR-Gebäudes ist nach heftiger Debatte im Stadtparlament erneut vertagt worden.

Potsdam - Um 18.30 Uhr stand es fest. Mit einer denkbar knappen Mehrheit von 28 zu 27 Stimmen votierten die Stadtverordneten am Mittwoch für eine weitere Galgenfrist für das marode Terrassenrestaurant Minsk am Brauhausberg – gegen den erklärten Willen von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Nun kann erst bei der nächsten Stadtverordnetenversammlung im September über den umstrittenen DDR-Bau entschieden werden.

Die Niederlage für Jakobs und die ihn unterstützenden Fraktionen von SPD und CDU/ANW zeichnete sich bereits in der Sitzung ab. Kurz vor dem Tagesordnungspunkt ließen Linke, Grüne und Die Andere einen neuen und letztlich eben mit knapper Mehrheit beschlossenen Änderungsantrag als Tischvorlage verteilen. Darin forderten sie weitere Prüfungen, ob und wie der DDR-Bau doch noch weiter genutzt werden kann. So soll der Oberbürgermeister nun bis September unter anderem untersuchen, ob im Minsk eine Kunsthalle mit Gastronomie entstehen könnte, wie es der Investor Jan Kretzschmar bereits vorgeschlagen hatte. Und Jakobs soll bei der rot-roten Landesregierung nachfragen, welche Möglichkeiten es gibt, das Minsk als Betriebskita auszubauen – etwa für den Landtag.

Eine Chance für das Minsk?

Und noch ein Ass schüttelte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg aus dem Ärmel: Er verschaffte dem früheren und immer noch hoch angesehenen Bauausschussvorsitzenden Christian Seidel (SPD) die Chance, ausgerechnet vor seinen Parteifreunden für den Erhalt des Minsk zu sprechen. So gebe es die Chance eines Signals an die Stadtgesellschaft, dass DDR-Gebäude auch jenseits der Plattenbausiedlungen in die Stadtentwicklung einbezogen würden, argumentierte Seidel. Zudem könne man mit dem Minsk am Brauhausberg ein „potsdamspezifisches“ Ensemble schaffen – an einem bedeutenden Standort der Stadt, bei dem es um die Bebauung für die nächsten 100 Jahre gehe. Bezogen auf die ursprünglichen Planungen für den Brauhausberg sagte Seidel, hier hätten sich die Rahmenbedingungen gravierend geändert – schon wegen des Schwimmbads blu als dominierendem Monolithen. Daher befürworte er auch weitere Prüfungen.

Doch die SPD-Vertreter sprachen sich nach rund 15 Minuten Bedenkzeit zu dem Vorstoß dagegen aus. So verwies SPD-Fraktionschef Pete Heuer auf die für die Stadtwerke möglichen 27 Millionen Euro Einnahmen, die ein bislang unbekannter Investor für Baugrundstücke auf dem Brauhausberg geboten hat – wenn er das „Minsk“ abreißen und stattdessen Wohnhäuser errichten kann. Kämmerer Burkhard Exner (SPD) ergänzte, das Geld werde zur Refinanzierung des mittlerweile schon 42 Millionen Euro teuren blu benötigt – ursprünglich sei man nur von 23 Millionen Euro ausgegangen.

Dagegen sagte Scharfenberg, die Stadt sei ursprünglich von nur bis zu elf Millionen Euro Erlösen am Brauhausberg ausgegangen. Doch gerade mit den hohen Angeboten gebe es die Chance für das Minsk, „ein Unikat der Ostmoderne“. Und auch der von SPD und CDU/ANW zuletzt eingebrachte Vorschlag für 20 Prozent Sozialwohnungen auf dem Brauhausberg müsse belastbar geprüft werden. Dem stimmte auch Bürgerbündnis/FDP-Fraktionschef Wolfhard Kirsch zu: Schließlich sinke mit einer derartigen Vorgabe der zu erwartende Verkaufspreis für die Grundstücke – und damit die Einnahmen für die Stadtwerke. Um wie viel Geld es sich dabei genau handele, müsse vor einer Entscheidung feststehen, so Kirsch, dessen Fraktion als Zünglein an der Waage gilt.

 „Wenn die Sache nicht so ernst wäre, würde ich von einer Lachnummer sprechen“

Dennoch versuchte Jakobs, die Stimmung noch herumzureißen. „Wenn die Sache nicht so ernst wäre, würde ich von einer Lachnummer sprechen“, begann er. Je länger man debattiere, desto schwerer würden die Entscheidungen – er fürchte noch jahrelange Debatten zu dem Thema. Dabei sei die Ausgangslage durch frühere Beschlüsse klar – und es habe auch schon ein erfolgloses Interessenbekundungsverfahren zum Minsk gegeben, erinnerte er. So habe es die Kita-Idee schon einmal gegeben. „Das wird aber die teuerste Kita des Landes Brandenburgs, dafür kann man drei neue bauen.“ Die ganze Debatte laufe aus seiner Sicht darauf hinaus, dass „wir nicht nur auf Einnahmen verzichten, sondern auch noch mit städtischen Mitteln das Minsk sanieren sollen“. Zudem sprach Jakobs von einem Wettbewerb, den Kaufpreis für die Grundstücke zu minimieren: „Das ist nicht logisch.“ Ohnehin finde er das Thema überschätzt: „Das ist keine Debatte, die die Stadt in Wallung bringt.“ Hingegen sagte Saskia Hüneke von den Grünen, an dieser wichtigen Stelle der Stadt sei es legitim, noch einmal neu nachzudenken – auch, weil durch die millionenschwere Vergabe die Grundstücks- und Mietpreise in Potsdam weiter in die Höhe getrieben würden, wie sie deutlich machte.

So tobte die Debatte eine Stunde lang, auch mit vielen schon bekannten Argumenten. Am Ende stimmten die Linke, die Grünen, Die Andere, die AfD und Teile von Bürgerbündnis/FDP für weitere Prüfaufträge – mit einer Stimme Mehrheit gegen SPD und CDU/ANW. Zu ihrer nächsten Sitzung treffen sich die Stadtverordneten nach der Sommerpause am 5. September, ab 15 Uhr. Scharfenberg sagte schon zu: „Wenn bis dahin ein tragfähiges Prüfergebnis vorliegt, dann gibt es eine Entscheidung. Dazu stehen wir.“

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Lesen Sie weiter: Mit der neuen Galgenfrist für das Potsdamer Minsk, steigen die Chancen für dessen Erhalt, sagt PNN-Redakteur Henri.

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