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Maler- und Lackierermeister Torsten Gerlach.

© Andreas Klaer

Potsdamer Malermeister Torsten Gerlach: Mit Pinsel und Pistole

Der Potsdamer Torsten Gerlach ist Maler- und Lackierermeister. Einen schöneren Beruf könnte er sich nicht vorstellen.

Potsdam - Wo sind denn die Pinsel? Keine da, sagt der Maler. Nicht auf dieser Baustelle. Die Auszubildende Lisa-Sofie Lux kniet in einem Raum, der mal die Küche wird, auf dem Boden und prüft die Wand auf kleinste Unebenheiten, die sie gleich mit Schleifpapier bearbeiten wird. Wenn erst einmal Farbe drauf ist, ist es zu spät, etwas zu korrigieren. "80 Prozent der Arbeit des Malers ist Vorbereitung und Untergrundbehandlung. 20 Prozent ist das, was man schließlich sieht, die Oberfläche mit Farbanstrich oder Lack", sagt Torsten Gerlach. "Der Maler arbeitet heute selten ausschließlich mit einem Pinsel." Stattdessen sind es große Geräte mit teils komplizierter Technik: Spritzpistolen, die mit meterlangen Schläuchen an einem riesigen Farbkessel angeschlossen sind, ein Langhalsschleifer für die Deckenbearbeitung oder die sogenannte Reinigungskrake.

Gerlach, Maler- und Lackierermeister aus Potsdam-Drewitz, dürfte theoretisch auch Autos lackieren. Praktisch bietet er alles an, was mit der Behandlung und Gestaltung der Oberflächen von Gebäuden zu tun hat - innen und außen. Er kommt nach dem Maurer oder Trockenbauer dran und veredelt deren Oberfläche. Er kümmert sich gegebenenfalls um Brandschutzbeschichtungen oder Wärmedämmung. Solche Arbeiten, hauptsächlich in Neubauten, sind das Brot und Butter-Geschäft von Torsten Gerlach und seinem Team.

Ganz anders ist es, wenn er in einem Altbau arbeitet. Dort sind möglicherweise historische Fenster und Türen aufzuarbeiten - aus Holz, nicht aus Plastik. Stuckdecken werden wiederhergestellt, Treppenwangen und verschnörkelte Handläufe abgebeizt und neu gestrichen - so wie es einmal ausgesehen haben mag, zeittypisch. Wände werden vielleicht in historischer Wischtechnik gestaltet oder bekommen einen Fries mit Schablonen. Und vergolden kann Gerlach auch.

"Ich mache gerne Altbausanierungen"

In Potsdam, vor allem in Babelsberg mit seiner Gründerzeit-Bausubstanz, gibt es viele solche Baustellen, auf denen Gerlach dann doch mit dem Pinsel arbeitet. "Ich mache gerne Altbausanierungen. Im Altbau ist der feine Handwerker und der Problemlöser gefragt. Man muss aufpassen, mit Überraschungen in der alten Bausubstanz rechnen und solche Baustellen intensiver betreuen. Aber wenn der Bauherr anschließend staunt, dass der Stuck oder ein anderes Detail so toll geworden ist, das ist natürlich schön", sagt Gerlach. Und lächelt: "Der Maler braucht auch das Bauchpinseln."

Auf der Großbaustelle in der Babelsberger Großbeerenstraße, auf der er gerade arbeitet, ist das anders, viel anonymer. Manchmal sei er bei der Bauabnahme nicht mal dabei. Natürlich sieht man auch hier, was man geschafft hat - gemeinsam im Team mit den anderen Gewerken. Aber es ist ein eher automatisiertes, standardisiertes Arbeiten.

Und trotzdem muss es perfekt sein - auch die Wand, die später hinter der Küchenzeile verschwinden wird. Lisa-Sofie Lux glättet und schleift von Hand. Bei größeren Flächen kommen Maschinen zum Einsatz. Staubig ist es hier überall. Atemwegserkrankungen und Allergien gehören zu den Berufskrankheiten des Malers. Die 20-Jährige wollte trotzdem diesen Beruf lernen. "Ich wollte etwas auf dem Bau machen", sagt sie, und jetzt ist sie die einzige Frau in ihrer Berufsschulklasse - und auf der Potsdamer Baustelle, wo Trockenbauer, Fliesenleger und Elektriker miteinander auskommen müssen. 

Die Auszubildende Lisa-Sofie Lux wollte unbedingt auf den Bau.
Die Auszubildende Lisa-Sofie Lux wollte unbedingt auf den Bau.

© Andreas Klaer

Eine ziemlich reine Männerwelt. Gerlach freut sich, dass er eine Frau ausbilden kann. "Frauen sind gründlicher und ordentlicher", findet er. "Das Klischee stimmt."

"Es ist der schönste Beruf"

Sechs Beschäftigte arbeiten für Gerlach, drei davon noch in der Ausbildung. Gerlach, heute 50 Jahre alt, beginnt nach der Schule eine Lehre zum Bauschlosser und wechselt dann in den Malerberuf. "Seitdem bin ich ein glücklicher Mensch", sagt er. "Es ist der schönste Beruf, man kann so viel gestalten und alte und neue Techniken anwenden." Nach fünf Jahren macht er seinen Meister und zieht später aus seiner Heimat in Südbaden nach Lehnin, weil dort eine Meisterstelle zu besetzen ist. 1998 macht er sich selbstständig - in Potsdam. Das Lager ist im Keller seines Wohnhauses, ein alter VW-Bus ist sein erster Firmenwagen. 

Im Lager finden sich Farbtöpfe und Eimer.
Im Lager finden sich Farbtöpfe und Eimer.

© Andreas Klaer

Der Fachkräftemangel beschert ihm viel Arbeit. Er hat meistens mehrere Baustellen gleichzeitig und was reinkommt, investiert er am liebsten in die Firma.

Gerlach achtet dabei auf schadstoffarmes Arbeiten, von der Auswahl der Materialien und Anstriche bis zur ordnungsgemäßen Resteentsorgung. Doch für bestimmte Belastungsbereiche sind Zweikomponentenlacke, -beschichtungen und -spachtelmassen unabdingbar. „Aber man kann sparsam damit umgehen, gut haushalten, wenig Reste produzieren und diese dann ordnungsgemäß entsorgen.“ 

Die Stadtentsorgung Potsdam nimmt von Handwerksbetrieben bis zu einer halben Tonne im Jahr unentgeltlich ab, da liegt er drunter. Etwa 300 Kilogramm Sondermüll fallen bei ihm jährlich an. Und die gehören selbstverständlich nicht einfach so in die Tonne oder in die Kanalisation gespült. „Da ist nicht ohne ein Grund bisweilen ein Totenkopf auf dem Etikett“, sagt Gerlach nüchtern.

Gerlach setzt auf schadstofffreie Farbe

Wo es geht, entscheidet er sich deshalb für schadstofffreie Farbe mit Biosiegel. Die Industrie hat längst reagiert. „Farben und Lacke sind heute weitgehend emissions- und lösemittelfrei. Sie setzen kaum noch schädliche Stoffe frei und trocknen schnell. Um die gewünschte Homogenität der Farben zu erreichen, werden stattdessen hochwertige Bindemittel zugesetzt. Kostet etwas mehr, ist dafür viel weniger schädlich.“ 

Alle zwei Jahre besucht Gerlach eine Farbmesse und schaut, was es an neuen Produkten und Technologien gibt. „Ich probiere vieles aus und stecke mein Geld gerne in Technik“, sagt Gerlach und zeigt die sogenannte Reinigungskrake: Mit Hochdruck werden damit Fassaden von Schmutz und alten Anstrichen gereinigt. Das Schmutzwasser landet über ein geschlossenes System vom Wandaufsatz in einem Behälter, wo der Dreck sofort herausgefiltert wird. Das Abwasser kann dann bedenkenlos in die Kanalisation entsorgt werden. Das Gerät kostete um die 6000 Euro, aber das war es ihm wert.

Weniger begeistert ist er über die vielen Auflagen der Energiesparverordnung. „Die muss der Bauherr erfüllen, sonst gibt es keine Baugenehmigung. Aber den Energie- und Technologieaufwand, den es dafür braucht, um die ganzen Dämmstoffe zu entwickeln, herzustellen und dann nach 20, 30 Jahren als Sondermüll zu entsorgen, den halte ich für unangemessen hoch“, sagt Gerlach. „Wir müssen alles wieder auf ein vernünftiges Maß bringen. Wenn wir alles dämmen und abdichten, entkoppeln wir uns von der Umwelt. Das kann nicht das Ziel sein.“

Auch ein ganzes Arsenal Pinsel findet sich im Lager.
Auch ein ganzes Arsenal Pinsel findet sich im Lager.

© Andreas Klaer

Es gibt Aufträge, die lehnt er ab, weil sie nicht seiner Vorstellung von Umweltverträglichkeit entsprechen. Oder weil er mit dem Bauherrn schlechte Erfahrungen gemacht hat. Wenn die Stimmung auf der Baustelle schlecht ist, dann macht das Arbeiten keinen Spaß und es entstehen unnötige Probleme. Am liebsten sind ihm eingespielte Teams. Bauprojekte sind eine Symbiose aus Investor, Träger und Handwerkern, sagt er, und man sollte gut miteinander auskommen. Auch Regionalität ist wichtig, damit man sich schneller und besser um Nachsorge und Mängelbeseitigung kümmern kann. Ein Auftrag ist mit dem letzten Pinselstrich eben doch nicht erledigt. Gerlach ist auch nach Bauabnahme als Ansprechpartner da.

Die Neubauten in der Großbeerenstraße sind eher unkompliziert. Ein Massivbau mit Betondecken und Kalksandsteinmauerwerk. Ist der Gipsputz drauf und trocken, kommen die Maler dran. Dann wird geglättet, gereinigt und grundiert, zuletzt kommt Farbe drauf. Das 100-Liter Fass steht im Erdgeschoss. Daran ist ein 30-Meter langer Schlauch angeschlossen. Der reicht bis in die oberen Geschosse, wo der Maler steht - mit der Spritzpistole. Die Nachbearbeitung erfolgt dann von Hand. Einen Tag brauchen sie für die Wände im viergeschossigen Treppenhaus.

Gerlach übernimmt auch Liebhaberaufträge

Neben großen Baustellen wie dem Neubau in der Großbeerenstraße oder Altbausanierung übernimmt Gerlach auch kleinere Liebhaberaufträge. Der Besitzer eines Gutshauses bei Neuruppin hat ihn mit der Aufarbeitung der alten Doppelkastenfenster betraut. „Das bieten nur wenige Maler an - ich freue mich über so was“, sagt Gerlach. Hier braucht man dann doch noch den Pinsel - und Geduld und Leidenschaft für verwandte Wissensgebiete. 

Dass die Rahmenprofile früher so ausgetüftelt gestaltet waren, dass das Regenwasser langsam und kontrolliert abtropfte und das Mauerwerk nicht schädigte, müsste Gerlach nicht unbedingt interessieren - aber es fasziniert ihn. Und nie waren diese alten Fenster komplett dicht, immer gab es einen kleinen Luftaustausch. Da schimmelte nichts im Haus und man brauchte keine Antischimmelfarbe. „Das hatte damals alles seinen Sinn.“ Neben den Fensterflügeln steht ein weiteres Projekt: Fensterläden in grün-weiß, die zu einem Haus im Holländischen Viertel gehören.

Diese Bandbreite von Restaurierung, möglicherweise denkmalgerecht, bis hin zum modernen Neubau, sieht Gerlach als abwechslungsreiche, hochinteressante Herausforderung. Er möchte sich nicht einschränken, in dem, was er kann. Auch die Azubis sollen und müssen alle Techniken von Alt- bis Neubau lernen und die theoretischen Kenntnisse sind sehr umfänglich. „Der Beruf wird oft unterschätzt“, sagt Gerlach. „Viele denken, ich kaufe mir eine weiße Hose und werde Maler - aber das reicht eben nicht. Es ist ein sehr aufwendiges Handwerk.“

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