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In der Coronakrise sind viele Lieferketten gefährdet – hier ein Speditions-Lkw auf der Langen Brücke in Potsdam. 

© Andreas Klaer

Potsdamer Logistik-Start-up: Speditionen im Corona-Stresstest

Marian Pufahl vom Start-up Synfioo kennt die Herausforderungen der Logistikbranche. Wer verliert – und wer gewinnt?

Potsdam - „Das hatten wir so nicht eingeplant”, sagt Marian Pufahl über die Coronakrise. Und mit Planung kennt sich der Geschäftsführer von Synfioo eigentlich aus. Das Startup bietet eine Plattform an, über die Logistik-Manager ihre Lieferketten überwachen können. Mittels Künstlicher Intelligenz sagt die Software voraus, wann die Ware am Zielort eintrifft – unabhängig davon, ob sie im Lkw, in der Bahn oder auf dem Schiff unterwegs ist. Speditionen können das Angebot jetzt für drei Monate kostenlos nutzen. So möchte Synfioo Unternehmen in der Krise helfen – und mittelfristig Kunden gewinnen.

Die Corona-Pandemie bringe viele Spediteure in eine „extrem schwierige Lage”, sagt Pufahl. Die Krise treffe zum Beispiel jene Unternehmen besonders hart, die für Automobilhersteller tätig sind. Wenn keine Autos gebaut würden, hätten sie keine Aufträge, müssten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. „Gerade die kleinen Unternehmen werden in den nächsten Wochen ums Überleben kämpfen müssen”, prognostiziert Pufahl.

Marian Pufahl ist der Geschäftsführer von Synfioo.
Marian Pufahl ist der Geschäftsführer von Synfioo.

© Promo

Aber es gebe auch Unternehmen, deren Leistungen jetzt stärker gefragt seien als sonst. Zum Beispiel Speditionen, die Supermärkte mit Lebensmitteln beliefern. „Die kämpfen mit ganz neuen Herausforderungen”, sagt Pufahl. Durch die wiedereingeführten Grenzkontrollen in Europa käme es zu „aberwitzigen Stausituationen“ an Übergängen. Hier könne die Synfioo-Software helfen, denn sie zeige Logistik-Managern, wo sich zum Beispiel ein bestimmter Lkw gerade befinde und wann er sein Ziel erreichen könne. Aktuelle Veränderungen würden in Echtzeit berechnet und in die Prognose aufgenommen. Das gebe auch kleineren Unternehmen mehr Kontrolle. Täglich würde „eine vierstellige Zahl“ von Transporten überwacht, sagt Pufahl.

Die Bahn habe Kapazitäten gewonnen

„Wir sehen auch, dass die Bahn geringe Schwierigkeiten hat, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten”, sagt Pufahl. Das liege unter anderem daran, dass die Grenzkontrollen schneller und berechenbarer abliefen. Die Bahn habe durch die Krise „Kapazitäten gewonnen“, sagt Pufahl, auch weil sie normalerweise viele Transporte für die Autohersteller abwickle. „Die sind jetzt weggefallen. Dadurch werden Zugverbindungen frei, die ohnehin geplant waren, und die Güterwaggons können zum Beispiel für Lebensmittellieferungen genutzt werden.“

500 Paletten Nudeln aus Italien

Aktuell liefert zum Beispiel der bahneigene Logistikdienstleister DB Schenker nach eigenen Angaben 500 Europaletten Nudeln aus Italien an Aldi-Märkte in Süddeutschland aus. In den Zügen befinden sich laut DB Schenker „insbesondere Spaghetti, aber auch große Mengen Penne und Fusilli“. Die Pasta sei in Neapel für eine Aldi-Eigenmarke produziert worden. Nudeln gehören neben Toilettenpapier zu den Waren, bei denen es aufgrund von Hamsterkäufen in den letzten Wochen in besonderem Maße zu Lieferengpässen kam.

Womöglich könnte die Krise der Verlagerung eines Teils des Warenverkehrs von der Straße auf die Schiene „einen Schubs“ geben und die Entwicklung insgesamt beschleunigen, vermutet Pufahl.

Das Unternehmen Synfioo ist 2015 aus einem Forschungsprojekt am Hasso-Plattner-Institut (HPI) hervorgegangen. Das Startkapital kam unter anderem von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) und vom HPI Seed-Fund. Erst im vergangenen Jahr konnte das Startup weitere Geldgeber für das Geschäftsmodell begeistern. Eine Finanzierungsrunde Ende April brachte Investitionen von insgesamt 2,5 Millionen Euro. Das Geld kam vor allem von den Wagniskapitalgesellschaften btov Partners und Senovo.

"Alles ist zahlengetrieben"

Um die Entwicklung im eigenen Hause voranzutreiben, setzt Synfioo – wie viele Firmen der US-amerikanischen Digitalbranche – auf die Management-Methode „Objectives and Key Results“ (OKR). Die verbindet längerfristige Planung mit kurzen, dynamischen „Sprints“. Das ganze Unternehmen legt Ziele für das Quartal fest, kleine Teams brechen diese dann auf einzelne Schritte herunter. „Das ist alles zahlengetrieben“, sagt Pufahl. „Wir möchten zum Beispiel eine bestimmte Anzahl neuer Kunden erreichen oder eine bestimmte Performanceverbesserung in der Entwicklung.“

Aktuell arbeiten alle 22 Mitarbeiter im Home-Office. Die Umstellung sei dem Unternehmen nicht schwergefallen, sagt Pufahl: „Wir haben den Vorteil, dass wir von Anfang an alles remotefähig aufgebaut hatten.“ Die Arbeitsabläufe seien digital abgebildet und könnten online ausgeführt werden, unabhängig vom Standort. Alle Mitarbeiter seien bereits mit Laptops ausgestattet gewesen, die sie jetzt nutzen könnten. Die Kommunikation laufe nun vor allem über Chat-Programme.

Dennoch bleibe der direkte Austausch mit den Kollegen ein wenig auf der Strecke, sagt Pufahl. Man sehe sich durch die Webcam, nicht mehr am firmeneigenen Kickertisch. „Der Teamzusammenhang lebt auch vom täglichen Beieinandersein. Das müssen wir in diesen Zeiten neu gestalten.“ Auch online sei es wichtig, „dass man mal privat quatschen kann.“

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