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In den vergangenen 20 Jahren hat der Hospizdienst rund 1900 Sterbende begleitet.

© Thilo Rückeis

Potsdamer Hospiztag: Den Koffer für die letzte Reise packen

Beim Hospiztag können Potsdamer am Samstag über Tod und Sterben ins Gespräch kommen. In den vergangenen 20 Jahren hat der Hospizdienst rund 1900 Sterbende begleitet.

Potsdam - Wenn das Ende näher rückt, sind sie da: Die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen des ambulanten Hospizdienstes Potsdam begleiten regelmäßig Menschen beim Sterben, egal ob in der eigenen Wohnung, im Pflegeheim, im Krankenhaus oder im stationären Hospiz. Die Hand halten, zuhören, da sein – bis zuletzt. Am 3. September feierte der Hospizdienst sein 20-jähriges Bestehen und veranstaltet aus diesem Anlass am Sonnabend den Potsdamer Hospiztag.  

Rund 120 Ehrenamtler:innen gibt es, neben sechs hauptamtlichen Mitarbeiter:innen. „Manche von den Ehrenamtlichen sind seit 20 Jahren mit dabei“, erzählt Heike Borchardt, die seit der Gründung des Potsdamer Hospizdienstes die Leitung innehat. Obwohl es eine anspruchsvolle und manchmal belastende Arbeit ist, gebe es immer wieder Momente der Freude: „Das kann ein einfaches Lächeln sein oder ein ruhigeres Atmen, weil der Mensch spürt, dass jemand in der Nähe ist“, sagt Borchardt. 

Heike Borchardt, Leiterin des Hospiz- und Palliativberatungsdienst Potsdam.
Heike Borchardt, Leiterin des Hospiz- und Palliativberatungsdienst Potsdam.

© Thilo Rückeis

Angefangen hat alles 2001

Viele Sterbende und ihre Angehörigen seien sehr dankbar für das bloße Zuhören. „Manchmal schüttet ein Sterbender einem sein Herz aus und sagt danach, es war ein tolles Gespräch, obwohl man selber wenig gesagt hat.“ In den vergangenen 20 Jahren hat der Hospizdienst rund 1900 Sterbende und etwa 1545 Trauernde begleitet. 

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Angefangen hat alles 2001: Schon vorher habe es mit der Hospizbewegung ein bürgerschaftliches Engagement für die Begleitung Sterbender gegeben, sagt Borchardt, doch erst ab 2001 wurde gesetzlich geregelt, dass stationäre Hospize und ambulante Hospizdienste regelfinanziert werden müssen. Das erste Hospizbüro befand sich in den Räumen des Vereins Sekiz in der Hermann Elflein-Straße: Die Trägerschaft übernahm die Hoffbauer-Stiftung, die Berliner Malteser halfen bei der Aufbauarbeit und leisteten fachliche Unterstützung. 

„Wir waren ganz allein in Potsdam“

Das stationäre Hospiz auf Hermannswerder entstand erst viel später im Jahr 2012 – unter anderem auf Betreiben des ambulanten Hospizdienstes, der in Potsdam dafür Unterschriften gesammelt hatte. Im "Ernst von Bergmann"-Klinikum gab es damals auch noch keine Palliativ-Station. „Wir waren ganz allein in Potsdam“, sagt Borchardt. „Es gab noch nicht dieses palliative Netzwerk, wie wir es heute haben.“ Stattdessen arbeitete der Hospizdienst mit Hausärzt:innen zusammen, die Palliativ-Medizin für die Linderung von Schmerzen im Sterbeprozess verabreichten. 

Im Laufe der Jahre hat der Hospizdienst mehr als 300 Ehrenamtliche ausgebildet.
Im Laufe der Jahre hat der Hospizdienst mehr als 300 Ehrenamtliche ausgebildet.

© Thilo Rückeis

2004 zog der Hospizdienst in die Räume der evangelischen Kirchengemeinde Babelsberg in der Karl-Liebknecht-Straße, der Malteser Hilfsdienst wurde offizieller Kooperationspartner der Hoffbauer-Stiftung. Zehn Jahre später erfolgte der Umzug nach Hermannswerder, in die unmittelbare Nähe des stationären Hospizes. 

Ein Thema, das man gerne wegschiebt

Zwischenzeitlich trat der Hospizdienst immer wieder öffentlich in Erscheinung, etwa bei „Stadt für eine Nacht“, mit den Potsdamer Hospiztagen oder mit Aktionen wie 2011 in den Bahnhofspassagen Potsdam, bei der der Hospizdienst über 100 Koffer aufstellte, die von verschiedenen Menschen für die „letzte Reise“ gepackt worden waren.  

„Es ist ein Thema, das man gerne wegschiebt“, sagt Heike Borchardt. Manchmal, wenn sie mit ihrem Stand auf einer Veranstaltung stehen, bekommen die Mitarbeiter:innen von Menschen Sätze zu hören wie: „Ich hoffe, mit ihnen habe ich lange nichts zu tun!“  

Der Hospizdienst trat immer wieder öffentlich in Erscheinung.
Der Hospizdienst trat immer wieder öffentlich in Erscheinung.

© Thilo Rückeis

Ein Interesse entsteht oft erst durch persönliche Betroffenheit: Die meisten Ehrenamtlichen, die zum Hospizdienst kommen, tun dies, weil jemand in ihrem Umfeld verstorben ist. „Die Berührungsängste rücken nach hinten, wenn man merkt, dass auch die Sterbephase eine ganz wichtige Zeit des Lebens ist“, sagt Borchardt. 

Im Laufe der Jahre hat der Hospizdienst 307 Ehrenamtliche ausgebildet. Es handele sich keineswegs nur um Ältere, das Team sei bunt gemischt, erzählt Borchardt: „Es gibt viele Menschen aus den sozialen Berufen, die das Thema in ihrer Arbeit vermissen.“ Fast ein Jahr lang dauert der Vorbereitungskurs zu den Themen Krankheit, Sterben, Trauer und Abschied, mit dem die Freiwilligen für ihre Aufgabe geschult werden.  

Hospizkultur als Gegenmodell zur aktiven Sterbehilfe

Zu den freiwilligen Aufgaben, die die Ehrenamtlichen übernehmen können, zählen Dinge wie telefonische Beratung, Vermittlung sozialer Dienste und schmerztherapeutischer Versorgung, regelmäßige Besuche von Sterbenden oder Schwerkranken und deren Angehörigen, bis hin zu Sitzwachen, um pflegende Angehörige für ein paar Stunden zu entlasten. 

„Da wir keine Angehörigen sind, können wir ein bisschen Ruhe und Kraft in die Situation bringen“, sagt Borchardt. Seit vielen Jahren gibt es zudem ein Trauercafé, auch Treffen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche werden vom Hospizdienst organisiert. 

Der Hospiztag steht unter dem Motto „Wenn ich einmal sterbe – Wer unterstützt mich in Potsdam?
Der Hospiztag steht unter dem Motto „Wenn ich einmal sterbe – Wer unterstützt mich in Potsdam?

© Thilo Rückeis

Für Heike Borchardt ist die Hospizkultur auch ein Gegenmodell zur aktiven Sterbehilfe. Die wird in Deutschland zwar viel diskutiert, ist aber noch nicht erlaubt, legal ist lediglich der „assistierte Suizid“, bei dem Menschen ihren Tod mit Medikamenten selbst und nicht durch die Hand Dritter herbeiführen. „Die Hospizbewegung wird in Zukunft ein Schutzraum sein, der sterbenden Menschen solidarisch Schutz bietet, um weitere Behandlungsmöglichkeiten zu bekommen und nicht allein mit dieser Entscheidung zu sein“, sagt Borchardt.

Potsdamer Hospizdienst lädt ein

Am Samstag (4.9.) lädt der Potsdamer Hospizdienst zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft Onkologische Versorgung Brandenburg zum 16. Potsdamer Hospiztag. Unter dem Motto „Wenn ich einmal sterbe – Wer unterstützt mich in Potsdam?“ erwartet die Besucher:innen ab 11 Uhr in der Nikolaikirche ein vielfältiges Programm rund um die Themen Sterben, Tod und Trauer. Tatjana Jury vom RBB eröffnet den Hospiztag Am Alten Markt mit Informationsständen, Aktionen und Austausch. 

Ab 12 Uhr finden im Potsdam Museum Vorträge statt, unter anderem spricht der Historiker Tobias Büloff darüber, wie Menschen im 18. Jahrhundert mit dem Tod umgegangen sind. In der Stadt- und Landesbibliothek können von 10 bis 14 Uhr Thementüten mit Büchern zum Thema ausgeliehen werden. Musik gibt es vom Männerquintett „b major“. 

Vertreten sein werden auch die Klinikclowns von „Lachen hilft“ und der Brandenburger Wünschewagen, der Todkranken letzte Wünsche erfüllt. Auch die Friedhofsverwaltung der Landeshauptstadt wird mit einem Stand vertreten sein und über die Friedhofslandschaft in Potsdam, angebotene Grabarten und neue Bestattungsmöglichkeiten informieren. Das ausführliche Programm ist nachzulesen auf der Internetseite www.lago-brandenburg.de

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