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Potsdamer Hospiz feiert Geburtstag: Tod ohne Schrecken

Das Hospiz auf Hermannswerder, das einzige seiner Art in Potsdam, wird sechs Jahre alt. Hier können Sterbende Ruhe finden.

Hermannswerder - Schicksal – dieses Wort fällt immer wieder im Gespräch mit Jutta. Die 74-Jährige sitzt in ihrem Zimmer im Hospiz auf Hermannswerder. Auf dem Nachtschränkchen frische Blumen, vor der Terrasse viel Grün und Wasser. Ja, sie weiß, dass sie dieses Haus nicht mehr lebend verlassen wird. „Aber manchmal will das Schicksal es eben so“, beschreibt die Frau. Der Krebs vor drei Jahren, Bauchspeicheldrüse, Operation, Chemotherapie, dann die Metastase in der Lunge. Jutta erzählt ruhig, lächelt immer wieder. Denn: „Es ist wunderbar hier, besser ginge es im Moment nicht.“ Keinen Moment habe sie bereut, vor sechs Wochen ins Hospiz gezogen zu sein. Auch ihr Mann und die Tochter hätten sich mittlerweile an den Gedanken gewöhnt.

So soll es laufen, dann fühlt sich auch Bettina Jacob wohl. Die 55-Jährige leitet das Hospiz, das am heutigen Samstag sechs Jahre alt wird. Es ist Potsdams einziges stationäres Hospiz und wird von einer gemeinsamen Gesellschaft der Potsdamer Hoffbauer-Stiftung und des Evangelischen Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin betrieben. „Seit der Gründung haben wir an Sicherheit im Umgang mit unseren Gästen gewonnen“, sagt Jacob.

„Unsere Gäste müssen nichts mehr. Es gibt nur noch ‚du kannst’ und ‚du darfst’.“

Gäste, so nennt sie die sterbenskranken Menschen, die eines der acht Zimmer in dem orangefarbenen Bau mit dem hübschen Wintergarten beziehen. „Sie werden hier umsorgt, wie man das mit Gästen eben tut“, so beschreibt Jacob ihre Wortwahl. „Unsere Gäste müssen nichts mehr. Es gibt nur noch ‚du kannst’ und ‚du darfst’.“ Es gibt keine verpflichtenden Essenszeiten, niemand wird zum Waschen geweckt. „Wir versuchen, Wünsche zu erfüllen“, sagt die Leiterin. Sie erzählt von jenem Gast, der einen Schwedeneisbecher täglich wollte, oder dem anderen, der morgens zum Frühstück gern als erstes einen Amaretto trank.

Um solchen Wünschen nachzukommen, hat das Hospiz seit Jahresbeginn drei Hauswirtschaftskräfte, die etwa täglich Kuchen backen. Essen hält laut Sprichwort Leib und Seele zusammen – „bei uns vor allem die Seele“, sagt Jacob. Denn: „Bis zum Schluss sind alle Sinne aktiv.“ Deshalb gibt es auch regelmäßig Musik im Hospiz, ein Therapiehund und sogar ein Pony kommen zu Besuch. „Leben bis zuletzt“, so lautet das Motto von Jacob.

Dem Tod den Schrecken nehmen

Oft bleiben die Gäste nur wenige Tage, manche sogar nur ein oder zwei. „Das ist schrecklich für alle, dann können sie ihre Zeit hier nicht mehr genießen“, sagt Jacob. Im Durchschnitt bleiben den Bewohnern zumindest ein bis zwei Wochen, bis sie sterben. Manche wohnen aber auch mehrere Monate hier. Pro Jahr verbringen rund 150 bis 180 Menschen ihre letzten Tage im Hospiz. Finanziert wird die Einrichtung zu 95 Prozent von den jeweiligen Krankenkassen, die restlichen fünf Prozent werden aus Spenden gedeckt. Unterstützt wird das Hospiz, neben 18 festen Mitarbeitern, auch von ehrenamtlichen Helfern. Diese kommen vorbei für Gespräche oder Spaziergänge, kochen oder machen wenn nötig eine Sitzwache am Bett.

„Es gibt Tode, die gehen auch uns sehr nahe. Etwa wenn die Gäste lange hier waren, noch jung sind und Kinder hinterlassen“, erzählt Leiterin Jacob. Obwohl die Bewohner des Hospizes nicht mehr geheilt werden können, werden Symptome wie Schmerzen gelindert. In Gesprächen mit den Gästen, aber auch mit Angehörigen geht es um das Sterben und die Angst. „Wir wollen dem Tod den Schrecken nehmen“, sagt Jacob. Oft funktioniere das, viele fänden eine innere Ruhe. Und bei Angehörigen überwiege nach dem Abschied oft die Dankbarkeit. Auch wenn es paradox klingen mag: Hier hat Jacob, die früher als Krankenschwester gearbeitet hat, das Gefühl, den Menschen wirklich helfen zu können. 

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PROGRAMM: Feier im Hospiz

Das Fest zum sechsten Geburtstag des stationären Hospizes auf Hermannswerder beginnt am heutigen Samstag um 14 Uhr mit einer Andacht im Garten vor dem Haus. Anschließend gibt es dort bei Kaffee und Kuchen eine Hüpfburg sowie ein Kinder- und Kulturprogramm. Auch Pony 13, beliebter Gast im Hospiz, wird da sein. Abends wird gegrillt, auch ein DJ legt auf. Gegen 21 Uhr soll die Feier ausklingen. sca

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