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Vater und Sohn. Um die Jahrtausendwende kaufte Wolfgang Broszeit (r.) ein Grundstück neben dem elterlichen Betrieb, um dort wie sein Vater Bruno (l.) Boote zu reparieren. Doch die Baubehörde macht ihm das Leben immer wieder schwer. Nun droht ihm sogar ein Nutzungsverbot.

© Andreas Klaer

Potsdamer Holzstapel 2.0: Unbequem

Nicht nur Holzstapel bedürfen in Potsdam einer Baugenehmigung, auch Boote. Für Wolfgang Broszeit geht es im Streit mit der Baubehörde um die Existenz seiner Nedlitzer Werft.

Von Katharina Wiechers

Nedlitz - Die Parallelen zum mittlerweile schon bundesweit bekannten Holzstapel von Hermannswerder sind nicht zu übersehen. Dort verlangt die Stadtverwaltung eine Baugenehmigung für einen Haufen Kaminholz, auf einem Grundstück im Potsdamer Norden sind es nun Boote, für die eine solche erbracht werden soll – und ein Zaun, den der Besitzer mitten durch seinen Garten ziehen soll. Auch bei den jeweils betroffenen Personen sind durchaus Ähnlichkeiten zu erkennen: Denn beide haben sich schon vorher mehrfach mit der Potsdamer Baubehörde angelegt, man könnte auch sagen: Sie sind unbequem.

Im Fall des Grundstücks in Nedlitz am Weissen See ist diese unbequeme Person Wolfgang Broszeit. Kurz vor der Jahrtausendwende hat er das große Stück Land mit Wasserzugang im Lerchensteig gekauft, direkt neben dem seit 70 Jahren bestehenden elterlichen Betrieb „Broszeit Bootsmotoren“. Dort wohnt er seitdem nicht nur, er lagert und repariert dort auch selbst Boote. Unter den Wassersportlern im Norden der Stadt ist der Betrieb bekannt.

Schon kurz nach dem Kauf des Grunstücks wurde er mit Vorwürfen aus der Verwaltung konfrontiert

Doch schon kurz nachdem er das Grundstück, das zuvor landwirtschaftlich genutzt worden war, gekauft hatte, wurde er mit Vorwürfen aus der Verwaltung konfrontiert – offenbar hatten Behördenmitarbeiter die Adresse genauer unter die Lupe genommen. Mit der Umgestaltung des Grundstücks habe Broszeit ein Streuobstbiotop zerstört, außerdem sei die Pumpe, mit der er Gießwasser aus der Havel hole, nicht genehmigt und überhaupt könnten seine Boote den Boden durch heruntertropfendes Öl beschädigen. Letztlich habe er immer beweisen können, dass er im Recht war, sagt Broszeit. Nur einmal habe er nach einem Termin vor Gericht 180 Euro wegen eines nicht angemeldeten Containers bezahlt. Doch im Rathaus habe man offenbar neue Möglichkeiten gesucht, um ihm das Leben schwerzumachen.

So sei zum Beispiel der Flächennutzungsplan für den Bereich, in dem sein Grundstück liegt, stillschweigend verändert worden. Ursprünglich habe dieser vorgesehen, dass auf dem der Straße zugewandten Teil Bebauung möglich sei, so Broszeit. Tatsächlich würde sein Sohn Florian gerne mit seiner jungen Familie ein Häuschen neben dem des Vaters errichten. Doch bei der jüngsten Änderung wurden auf seinem Grundstück deutlich mehr Grün- und weniger Baufläche eingezeichnet, ein Neubau wäre jetzt nicht mehr möglich, sagen Vater und Sohn. Erfahren habe die Öffentlichkeit von den nachträglichen Änderungen erst, nachdem der neue Flächennutzungsplan 2014 in Kraft trat.

In diesem Jahr kam ein neues Schreiben der Stadt bei Broszeit an

Bei der Stadt räumt man auf PNN-Anfrage ein, dass Aufgrund einer „veränderten Darstellungssystematik“ in dem Bereich „kleinere Flächen in die benachbarten größeren Grünflächen einbezogen“ wurden. Gleichzeitig seien die Bauflächen in dem Bereich aber „geringfügig erweitert“ worden. An welcher Stelle dies jeweils geschah und was das für Neubauten auf Broszeits Grundstück bedeutet, schreibt die Stadt nicht.

In diesem Jahr nun kam erneut ein Schreiben im Lerchensteig an. Darin wurde Wolfgang Broszeit unter anderem dazu aufgefordert, Baugenehmigungen für die Boote seiner Kunden, die auf seinem Grundstück auf ihre Reparatur warten oder aber die Wintersaison überdauern, einholen müsse. Dass diese gar nicht den Boden berühren, weil sie auf dafür vorgesehenen Gestellen liegen, sei unerheblich, habe man ihm gesagt, so Broszeit.

Broszeit glaubt, dass er niemals eine Genehmigung bekommen wird

Der 59-Jährige legte Widerspruch ein, denn eine Genehmigung würde er niemals bekommen, davon ist er überzeugt. Doch wenn er keine Boote mehr auf seinem Grundstück lagern kann, kann er auch seinen Betrieb zumachen. Das Verfahren läuft noch, darauf beruft sich auch die Stadt: „Wir können keine Auskünfte zu einzelnen Grundstücken oder behördlichen Verfahren erteilen.“ Allerdings wird die Forderung an Broszeit nicht dementiert, im Gegenteil. Es sei generell richtig, dass Lagerplätze von Booten „eine genehmigungsbedürftige gewerbliche Grundstücksnutzung“ seien, heißt es gegenüber den PNN.

Und nun kam vor einigen Tagen auch noch ein Pachtvertrag bei Wolfgang Broszeit an, den er unterzeichnen soll. Darin wird er aufgefordert, Pacht für einen Streifen auf seinem Grundstück zu zahlen, weil dieser der Stadt gehört. Der Streifen geht quer über die Fläche, von einem Ende bis zum anderen und sogar noch über einige Nachbargrundstücke. Der Streifen unterteilt Broszeits Grund quasi in eine wasserseitige und eine straßenseitige Hälfte. Er soll für den Streifen nicht nur monatlich 102,52 Euro zahlen – plus über 4500 Euro rückwirkend bis zum 1. Januar 2013 –, er soll ihn auch noch einzäunen. „Der Pächter ist verpflichtet, das Grundstück einzufrieden“, heißt es wörtlich in dem den PNN vorliegenden Schriftstück. „Aus meiner Sicht ist das sittenwidrig“, sagt Broszeit. Nicht nur, dass er einen Zaun quer durch seinen Garten errichten soll, er dürfte das Flurstück dann auch nicht mehr gewerblich nutzen oder überqueren, für seine Bootswerkstatt wäre das das Aus.

Er ist der Stadtverwaltung schon lange bekannt

Broszeit ist sich sicher, dass der Pachtvertrag nicht rechtens ist. Er hat einen Vertrag aus dem Jahr 1936 aufgetrieben, den einer der Vorbesitzer mit der Stadt abgeschlossen hat. Darin steht zwar, dass der Stadt der entsprechende Streifen übertragen wurde – wahrscheinlich wollte man sich damals die Möglichkeit einer Straße offenhalten. Ebenfalls festgehalten ist dort aber, dass der Grundstücksbesitzer den Streifen „bis zur Inanspruchnahme der Stadt“ nutzen darf. Von einer Pacht ist dort keine Rede.

In der Stadt sieht man das offenbar anders, Broszeit ist in der Verwaltung längst bekannt, wie hinter vorgehaltener Hand zu erfahren ist. Doch auf PNN-Anfrage will man sich weder zu dem Pachtvertrag noch zu dem Vertrag von 1936 äußern. Ähnlich wie bei der Geschichte mit dem Holzstapel teilt die Pressestelle lediglich mit: „Zu vertraglichen und grundstücksbezogenen Fragestellungen geben wir keine Auskünfte.“ Schließlich handele es sich um personenbezogene, geschützte Angaben.

Er habe das Gefühl, gegen Windmühlen anzukämpfen, sagt Broszeit. Den nächsten Schlag ins Gesicht erwartet er in den kommenden Tagen. Im Rathaus hat man ihm schon signalisiert, dass er eine Nutzungsuntersagung für sein Gewerbe auf dem Grundstück bekommen wird. Dann müsste er seinen Betrieb wirklich schließen. Doch eins ist sicher: Der unbequeme Nedlitzer wird sich nicht geschlagen geben.

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