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Es war einmal in Amerika. Die melancholische Szene am Rande der berühmten Route 66 überzeugte die Jury des Fotowettbewerbs. Der Potsdamer Hobbyfotograf Ralph Gräf macht gerne Reisebilder, in den USA war er im Sommer 2016 unterwegs.

© Ralph Gräf

Potsdamer gewinnt beim World Photography Award: Schönste Tanke

Das beste Reisefoto: Ralph Gräf aus Potsdam hat beim World Photography Award gewonnen – mit einem Motiv von der Route 66.

Es ist heiß, 42 Grad, Ralph Graef trägt einen Sonnenhut. In der Mittagshitze wartet er an der Tankstelle, bis alles stimmt. Bis die Schatten fast senkrecht unter dem Oldtimer und dem Dach der Tanke stehen und der staubige Platz in seiner Menschenleere besonders verlassen wirkt. Dann macht er ein Foto: „Gasing up at Roy’s“, Tanken bei Roy. Beim renommierten Sony World Photography Award hat er mit diesem Bild in der Kategorie Reisen und außerdem den National Award gewonnen – bestes Reisefoto von 14 477 Einsendungen und bestes Bild aller 4300 deutschen Einsendungen. Insgesamt gab es mehr als 105 000 Fotos für den Amateurwettbewerb, eine ordentliche Konkurrenz. Der Doppelsieg freut den Hobbyfotografen aus Potsdam deshalb besonders. Am heutigen Donnerstag ist die Preisverleihung in London.

„Ich bin sehr gespannt auf die Veranstaltung, sehr neugierig“, sagt er bei einem Treffen im Galeriecafé Matschke, wo Gräf schon selbst ausgestellt hat. Außerdem ist er Mitglied der Fotogalerie Potsdam e. V., die regelmäßig im Treffpunkt Freizeit ausstellt. „Wenn ich meine Bilder zeigen kann, wenn sie gesehen werden, dann bedeutet mir das fast mehr, als verkaufen zu können“, sagt Gräf. „Aber wenn jemand unbedingt eins haben will, dann fühle ich mich schon geehrt.“

Mit acht Jahren die erste Kamera

Mit dem Fotografieren beginnt der heute 52-Jährige im Alter von etwa acht Jahren. Der Vater ist Optiker und arbeitet bei Agfa in Bayern. Einmal bringt er eine Pak-Kamera für den Sohn mit. „Eine super einfache Kleinbildkamera“, sagt Gräf. Damit fotografiert er, „was einem Achtjährigen vor die Linse kommt, Blümchen, Tiere, bestimmt auch Autos“. Als Teenager macht er Urlaubsbilder. „Ich hab dann versucht, mal nicht einfach loszuknipsen, sondern über Bildaufbau nachzudenken“, sagt er. „Das Schöne als Ziel“ heißt das Buch, das er sich aus der Stadtbücherei Schongau ausleiht und intensiv liest. „Da hörte ich zum ersten Mal von ein paar grundlegenden Regeln, vom goldenen Schnitt und Farbflächenaufteilung, von Wahrnehmungspsychologie.“

Gräf studiert dann Biologie in München, arbeitet in München und Jena und nimmt 2006 eine Professur an der Universität Potsdam an. Sein Fachgebiet: Zellbiologie. Es geht um Einzeller wie die Amöbe, um Zellteilung und Zellarchitektur. „Die freie Form der Amöbe fasziniert mich“, sagt Gräf. Die Amöbe ist es auch, die ihn das Gewinnerbild machen lässt – im weitesten Sinne. Denn als er 2016 zu einem Fachkongress über Amöben nach Arizona in den USA reist, beschließt er, ein paar Tage Urlaub dranzuhängen – zum Fotografieren. Er hat sich die Route 66 vorgenommen, die vielleicht bekannteste Landstraße der USA. Er fährt von Arizona Richtung Kalifornien und fotografiert, was vom einstigen Ruhm dieser Landstraße, die als erste das riesige Land querte, übrig blieb: Tankstellen und Hotels, Bars, Restaurants, und vor allem die ganzen Billboards und Werbeaufbauten am Straßenrand, die anzeigen wollten, wo es sich anzuhalten lohnt. Heute ist längst das meiste verwittert und verfallen, die Straße selbst eine furchtbare Schlaglochpiste, sagt Gräf. Sie wird ohnehin nur noch von Touristen genutzt. Einheimische bevorzugen die neuen Highways.

Aber diese Stimmung zwischen Wehmut und Stolz, Erinnerung und Verfall wollte Gräf einfangen. Die Bilder dieser Serie zeigen neben den Gebäuden viele Oldtimer, die von ihren Besitzern gepflegt und stolz am Straßenrand abgestellt werden. Von den Menschen war meistens keine Spur, in der Hitze, sagt Gräf, bleibt man in der Gegend in klimatisierten Räumen. Ohnehin wohne dort kaum noch jemand. Gräf kommt das sogar ein bisschen entgegen. Er ist kein Porträtfotograf. Der Mensch findet sich in seinen Bildern höchstens als kleines Zubehör am Rande.

"Besonders ist ein Bild, wenn es Emotionen hervorruft"

Als Gräf Roys Tankstelle fand, wusste er gleich, dass er hier ein besonderes Bild machen würde, sagt er. „Besonders ist ein Bild, wenn es Emotionen hervorruft. Sonst ist es belanglos.“ Die Jury des Fotowettbewerbs lobte Bildaufbau, das ikonische Motiv und die unverbrauchte und spannende Farbkomposition. Alles ist in schönstem Pastell gehalten. Der sanftblaue Himmel zieht den Blick des Betrachters ins Weite, wo die Straße in einer Hügelkette verschwindet. Im Vordergrund hält sich das Auge an einem roten antiken Pick-up fest. Das Bild trifft die Erwartungshaltung des fernen Betrachters, sagt Gräf. So stelle man sich hierzulande das klassische Amerika vergangener Zeiten vor. Bei den Amerikanern selbst würde das Foto vermutlich kaum Eindruck machen. „Für die ist es Alltag.“ Die Tankstelle sei im Übrigen noch in Betrieb gewesen, sagt Gräf, der Benzinpreis aufgrund der Abgelegenheit entsprechend hoch. Gräf war froh, dass er hier nicht tanken musste. „Gasing up at Roy’s“ ist ein Bild zum Geschichten erzählen.

Ralph Gräf mag solche Szenen, er mag das ganze Große, eingefangen in einem besonderen Bild. Außerdem interessiert ihn Architekturfotografie und Landschaft. Immer geht Gräf hier einen Schritt zurück und erlaubt sich Weite und Abstand – ein Kontrast zur winzigen Welt der Einzeller unterm Mikroskop.

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