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Leere Stühle, leere Lokale: Potsdams Gastronomen leiden unter dem erneuten Lockdown.

© Sebastian Gabsch PNN

Potsdamer Gastronomen im Lockdown: Ernst, aber nicht hoffnungslos

Die Coronakrise mit dem Schließzwang für Restaurants bringt immer mehr Gastronomen in existenzielle Bedrängnis.

Von Carsten Holm

Potsdam - Die Coronakrise in der Potsdamer Gastronomie hat selbst notorische Optimisten wie René Dost ins Schwanken gebracht: „Mir geht’s richtig dreckig”, sagte der Chef vom Café Heider und zahlreicher weiterer Restaurants in der Landeshauptstadt, in Berlin, Wildau, Frankfurt (Oder) und Cottbus, den PNN. Er habe in drei Monaten eine Million Euro verloren, „zwei weitere Monate kann ich das nicht durchhalten”.

Keine Staatshilfe bei beanspruchten Staatskrediten

Als grobe Ungerechtigkeit empfindet es Dost, dass er keinen Anspruch auf die Staatshilfen für November und Dezember habe, weil er im Frühjahr staatliche Kredite aufgenommen hatte. „Wovon hätte ich die denn zurückzahlen sollen?“, fragt er. „Stinkesauer” sei er zudem auf die Vermieter seiner Lokale. Von 18 hätten sich nur drei auf eine Mietminderung eingelassen.

Gastronom René Dost gesteht: "Mir geht es richtig dreckig."
Gastronom René Dost gesteht: "Mir geht es richtig dreckig."

© Andreas Klaer

Ohne staatliche Zuschüsse, sagt Peggy Weichelt, Mitinhaberin des Traditionshauses „Der Alte Stadtwächter”, „wäre es für uns vorbei”. Ihr Lebensgefährte, der Österreicher Werner Pichler, führt das Restaurant seit 23 Jahren, vor 14 Jahren stieß sie hinzu. Weichelt ist fassungslos darüber, dass Vertragspartner wie ihre Krankenkasse mit höchstmöglicher Kälte einen Brief mit der Androhung eines Insolvenzverfahrens schickten. 30 000 Euro hatten sich für den Arbeitgeberanteil für die Krankenversicherung der 17 Angestellten angehäuft. Werner Pichler legt seine Zahlen offen: Am Freitag 30 Euro Umsatz für Außer-Haus- Essen, am Samstag 70 und am gestrigen Sonntag „nicht einmal 100 Euro”.

Gunnar Lingrün, vom Café "Collage" im Holländischen Viertel, verkauft Speisen und Getränke aus dem Fenster.
Gunnar Lingrün, vom Café "Collage" im Holländischen Viertel, verkauft Speisen und Getränke aus dem Fenster.

© Andreas Klaer

Hart trifft es Gastronomen wie Gunnar Lingrün, den Inhaber des Café Collage in der Mittelstraße. Er hat Mitte August übernommen – dann schwappte die zweite Coronawelle über ihn. In einem stets offenen Fenster bietet er Kaffee, Glühwein und Fischbrötchen für drei Euro an. Der Umsatz sei „längst nicht kostendeckend”, erzählt Lindgrün, „ich zahle im Monat allein 4000 Euro Miete”.

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Offen sprechen die Gastronomen über ihre zum Teil bedrohliche Lage. „Im Frühjahr wurde mein Antrag auf Coronahilfe abgelehnt”, sagt Justus von der Werth, Inhaber des Cafés an der Mühle von Sanssouci, „da wäre ich ohne die Hilfe meiner Familie pleite gewesen”. Jetzt verkaufe er nur Kaffee und Brezeln: „Das ist ein Nullsummenspiel. Aber wir sind noch da.”

"Die drei schmerzhaftesten Monate des Jahres vor uns"

Daniel Zander, mit seiner Schwester Stephanie Inhaber des „Otto Hiemke” in Babelsberg, weiß, dass nun die drei schmerzhaftesten Monate des Jahres vor uns stehen”. Die Zanders haben Vorkehrungen getroffen. 2020 trennten sie sich von drei Mitarbeitern, und die Öffnungszeiten wurden gekürzt. „Aber dass wir ein Familienbetrieb sind, ist für uns finanziell eine Überlebensgarantie”, sagt Zander. Verhalten optimistisch ist Jörg Frankenhäuser, der mit seiner Frau das Sterne-Restaurant „Kochzimmer” betreibt. Er erwarte „eine Kaufzurückhaltung, es kann sein, dass wir auf Kurzarbeit gehen müssen”. Vom April an „wird aber eine enorme Nachfrage auf uns zukommen”. Die Gästebindung habe sich „in der Krise enorm verstärkt”.

Bei anderen war es sehr knapp. Kay Fock, Geschäftsführer der „Genusswerkstatt” am Filmmuseum, musste an seine Ersparnisse, um seine Familie zu ernähren. „Aber wir schaffen wir das”, glaubt er. Seine 40 Angestellten machten sich Sorgen, weil das Kurzarbeitergeld nicht reicht, berichtet Julian Pawelczyk, Geschäftsführer des „Alex” in der Wilhelm-Galerie: „Meine Mama hat mir etwas gegeben”, habe einer erzählt. 

Lage für Gastronomen immer bedrohlicher

„Wir werden das überstehen”, ist sich Dieter Lübberding, Chef des Königlichen Campingplatzes Sanssouci und des Restaurants Anna Amalia, sicher. Er ist optimistisch: Im neuen Jahr werde es vorangehen, er werde einen Servicechef und gelernte Servicekräfte einstellen sowie über einen Lieferdienst mit Boxen „von Magdeburg bis Dresden” nachdenken.

Widerstand gegen AfD-Idee: "Völliger Schwachsinn"

Ausnahmslos auf Ablehnung stößt der Appell des parlamentarischen Geschäftsführers der AfD-Landtagsfraktion Dennis Hohloch an Gastronomie und Handel, ihre Geschäfte zu öffnen. Unter dem Hashtag „Wir machen auf” verbreitete er auf Facebook und Instagram ein Bild auf dem zu lesen ist: „Gastronomie und Einzelhandel wehren sich gegen Lockdown”. Das tun sie offenbar keineswegs „Bei uns hat die AfD schon Hausverbot bekommen, als wir noch in Beelitz residierten”, sagt Jörg Frankenhäuser den PNN. „Allein die Aufforderung ist unglaublich”, findet „Stadtwächter”-Chef Pichler.

Dieter Lübberding, Mitinhaber des Campingplatzes Sanssouci, spricht von „völligem Schwachsinn angesichts von täglich mehr als 1000 Corona-Toten”, und auch Daniel Zander vom „Otto Hiemke”, hat eine klare Haltung: „Die Amis haben uns gezeigt, wohin so etwas führt.”

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