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Potsdamer Garnisonkirche: Historiker Sabrow fordert Sachlichkeit

Kritik an der Kritik: Der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung kritisiert die Kritiker des Films über die Sprengung der Garnisonkirche, der im rbb ausgestrahlt wurde

Potsdam - Im Streit um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche hat der Historiker Martin Sabrow eine sachliche Debatte angemahnt. Die 1945 zerstörte und 1968 abgerissene Kirche sei zwar ein „Walhalla des preußisch-deutschen Aufstiegs zur europäischen Großmacht“ gewesen, sagte Sabrow in Potsdam. In der Debatte sei jedoch auch Offenheit für Zwischentöne nötig, dabei dürfe man „nicht wieder in die Schwarz-Weiß-Schablonen vergangener Zeiten zurückfallen“.

Erste Kritik kam von der Bürgerinitiative gegen die Garnisonkirche

Die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ hatte zuvor einen neuen rbb-Film, der am 14. April ausgestrahlt wurde, kritisiert und dem Filmemacher vorgeworfen, „mittels inhaltlicher Verkürzung und filmischer Stilmittel eine systematische Geschichtsklitterung“ zu betreiben. Der Film vermittele ein positives Bild vom „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933, an dem auch die Garnisonkirche von den Nazis genutzt wurde. Dass der NS-Terror an dem Tag bereits in vollem Gang war, werde unterschlagen. Der Film sei deshalb eine „verpasste Chance, sich sachlich und ehrlich mit der Geschichte der ehemaligen Hof- und Garnisonkirche auseinanderzusetzen“.

Der 21. März 1933 sei „als Stufe der Machtergreifung noch viel gewichtiger, als die Bürgerinitiative sich in ihrer Kritik an der vermeintlichen Verharmlosung“ vorstelle, betonte Sabrow: „Er orchestriert das sogenannte Zähmungskonzept der nationalkonservativen Eliten, die glaubten, Hitler durch Hindenburg, Papen und die Machtverhältnisse an der Reichsspitze insgesamt rahmen und für ihre reaktionären, vordemokratischen Zwecke instrumentalisieren zu können.“ Diese Illusion habe „ohne Hitlers oder Goebbels’ Zutun oder Willen einen entscheidenden Beitrag zur Durchsetzung der NS-Herrschaft geleistet“, sagte der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF).

Der Film vermittle die Verbrechen des NS-regimes als harmlose Randnotiz

Wenn die Kritik an dem rbb-Film den Eindruck eines mittlerweile verstorbenen Zeitzeugen nicht anerkennen wolle, dass am 21. März 1933 in Potsdam eine positive Grundstimmung geherrscht habe, die den Tag als Tag der Hoffnung verstand, „dann demonstriert sie den Fehler vieler Geschichtsamateure, die Zeugnis und Analyse verwechseln und den Quellen vorwerfen, dass sie nicht zum Wissen und zur Denkwelt der Nachlebenden passen“, kritisierte Sabrow. Der Historiker betonte zugleich, es sei „legitim, die Bedeutung der Garnisonkirche für die Formierungsgeschichte der NS-Herrschaft stärker zu akzentuieren, als die Aussage des Films es in den Augen seiner Kritiker“ tue. Tonlage und Argumente der Kritik, die anderen mangelnde Sachlichkeit und Ehrlichkeit vorhalte und zugleich selbst „ungeniert Fakten und Wertungen vermengt, wie es leider immer wieder geschieht, wenn Geschichte zur Magd politischer Interessen wird“, seien jedoch verstörend, sagte Sabrow.

Dem rbb-Film kritisch entgegenzuhalten, dass der Abriss der Kirchenruine nicht vergleichbar mit dem millionenfachen Leid sei, das das NS-Regime verursacht hat, stelle „eine ziemlich atemberaubende Überhöhung des eigenen Anliegens dar und nimmt einem sinnvollen Gedankenaustausch jede Grundlage“, sagte Sabrow weiter. Die Bürgerinitiative betonte hingegen, die Verwendung von Passionsmusik Johann Sebastian Bachs für eine Filmsequenz über die Sprengung der Ruine setze den Kirchenabriss nahezu gleich mit der Kreuzigung Jesu: „Die Kirche wird zum Märtyrer erhoben.“ Der rbb-Film vermittele den Eindruck, „dass die Verbrechen des NS-Regimes eine harmlose Randnotiz, der Abriss der Kirchenruine dagegen ein schweres Verbrechen gewesen wäre“.

Yvonne Jennerjahn

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