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Dem Co-Trainer der Babelsberger Flüchtlingsfußballmannschaft "Welcome United", Zahirat "Hassan" Juseinov, und seiner Familie droht die Abschiebung.

© Ralf Hirschberger/dpa

Potsdamer Flüchtlingsmannschaft "Welcome United 03": Härtefallkommission prüft Abschiebung: Die Probleme im Fall „Hassan"

Der Co-Trainer von „Welcome United 03“ soll keine Duldung mehr erhalten. Jetzt prüfen die Härtefallkommission und die Stadt Potsdam den Fall. Der ist aber nicht so einfach gelagert, wie gedacht. Es geht auch um Straftaten.

Potsdam - Der von Abschiebung bedrohte Fußballtrainer des Vorzeige-Flüchtlingsteams „Welcome United 03“ wird Thema für die Härtefallkommission für abgelehnte Asylbewerber. Ein entsprechender Antrag sei eingegangen, bestätigte am Montag Innenministeriumssprecher Ingo Decker. Die Kommission werde sich in ihrer nächsten Sitzungen mit dem Fall des Mazedoniers und seiner Familie beschäftigen.

Allerdings ist fraglich, ob die Kommission Zahirat „Hassan“ Juseinov helfen kann – denn sie besitzt klare Ausschlusskriterien, in welchen Fällen sie nicht aktiv wird. Das gilt etwa für Ausländer, „die im Rahmen des ausländer- oder asylrechtlichen Verfahrens falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht“ haben. Am Montag wurde bekannt, dass der 35-Jährige bei seiner Einreise 2010 eine falsche Identität angegeben haben soll und deswegen später verurteilt wurde. Parallel dazu bestätigte die damals zuständige Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) einen Strafbefehl wegen Diebstahls von Videospielen aus dem Jahr 2012, hier musste Juseinov eine geringe Geldsumme als Strafe zahlen.

Woidke setzte sich für ihn ein

Er selbst räumte die Probleme mit der Justiz ein. Allerdings seien im Fall der Einreise die Pässe aller Familienmitglieder gestohlen worden, so Juseinov. Ebenso habe er Sorge davor gehabt, wieder ausgewiesen zu werden. Zu dem Diebstahl in einem Einkaufscenter sagte er, diesen habe eine andere Frau zu verantworten, die für seine Lebensgefährtin und ihn kurz den Kinderwagen übernommen und dabei die Videospiele gestohlen habe. Er habe das nicht mitbekommen und sei an der Kasse erwischt worden. „Ich konnte nicht das Gegenteil beweisen.“ Letztlich habe er den Strafbefehl akzeptiert.

Ausschlusskriterium für die Härtefallkommission sind „Straftaten von erheblichem Gewicht“. Die Berliner Rechtsanwältin für Aufenthalts- und Asylrecht Berthe Obermanns sagte den PNN: „Eine Ausweisung kommt nur in Betracht bei Delikten, die eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach sich ziehen, also zum Beispiel Raubüberfälle – ein kleiner Diebstahl reicht da nicht aus.“

Am Dienstag Gespräch mit Ausländerbehörde

Am Freitag war bekannt geworden, dass dem Co-Trainer von Deutschlands erster Füchtlingsfußballmannschaft „Welcome United 03“ die Abschiebung droht. In der Folge hatte sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für den vierfachen Vater eingesetzt, bei einer Online-Petition sind mehr als 2400 Unterstützer zusammengekommen. Juseinov und seine Familie leben seit mehr als fünf Jahren in Deutschland – allerdings lediglich mit dem Rechtsstatus der Duldung. In Kürze soll die Duldung auslaufen, dann droht Juseinov und seiner Familie die Abschiebung.

Ministeriumssprecher Decker sagte allerdings, dass Abschiebefälle, die in der Härtefallkommission behandelt werden, zumindest weiter einen zeitweiligen Schutz vor Ausweisung erhalten. Juseinov selbst sagte, er habe Angst. Für ihn als Roma sei Mazedonien kein sicheres Land. Claus Schröter vom Netzwerk Migrationsmedizin sagte den PNN, die Roma als Volk ohne Land hätten ein Sonderrecht, das Freizügigkeitsrecht. Wenn der Mazedonier nachweisen könne, dass er Roma ist, könne er sich darauf berufen.

Die Stadtverwaltung, deren Ausländerbehörde für Juseinov zuständig ist, teilte am Montag mit, das der Sachverhalt geprüft würde. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte, Potsdam müsse Bundesgesetze einhalten. Zwar habe sich Juseinov um den Sport verdient gemacht, das aber begründe noch keine Ausnahme.

Heute soll Juseinov mit der Ausländerbehörde ein Beratungsgespräch haben. Unter anderem prüft die Verwaltung, ob der Paragraph 25a des Aufenthaltsgesetzes für die Familie zur Anwendung kommen könnte. Demnach kann die Aufenthaltserlaubnis einem jugendlichen geduldeten Ausländer erteilt werden, wenn er zur Schule geht und schon vier Jahre in Deutschland wohnt, wie es bei Juseinov der Fall ist. Auch seine Eltern können diesen Status erhalten, aber nur wenn „der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist“. Nach eigenem Bekunden ist Juseinov bei einer Straßenreinigungsfirma angestellt. 

HINTERGRUND 

Für die Umsetzung der geltenden Gesetze im Asylrecht sind verschiedene Behörden zuständig. Die Entscheidungen über Asylanträge trifft dabei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die kommunalen Ausländerbehörden sind hingegen zuständig für die Entscheidung und gebenenfalls auch die Durchführung von Ausweisungen oder Abschiebungen. Dabei kann sogar die Polizeihinzugezogen werden. Unter besonderen Bedingungen kann auf die Durchführung einer Abschiebung im Ermessensfall verzichtet werden – in Brandenburg kann die sogenannte Härtefallkommission eine derartige Empfehlung treffen. Diese wurde im Jahr 2005 gegründet. In ihr sitzen zehn Vertreter vom Flüchtlingsrat, den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, der Kommunen und der Landesregierung. Die Antragsteller müssen darlegen, warum im jeweiligen Fall eine Ausweisung in die Heimat unter humanitären oder persönlichen Aspekten eine ganz besondere Härte bedeuten würde. Wenn mindestens zwei Drittel der Vertreter in dem Gremium die Auffassung teilen, bittet die Kommission das Innenministerium um die Anordnung einer Aufenthaltserlaubnis für den oder die Betroffenen. Dann entscheidet der Minister eigenständig, ob bei der zuständigen Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angeordnet wird. Laut der aktuellen Statistik hat die Kommission von 2005 bis Ende 2014 insgesamt 258 Anträge für 532 Personen bearbeitet. In gut der Hälfte der Fälle wurde dem Antrag stattgegeben: In 137 Fällen zugunsten von knapp 300 Betroffenen. Für das vergangene Jahr liegt noch keine Bilanz vor. HK

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