zum Hauptinhalt
Trockene Angelegenheit. In diesem Jahr sind die Düsteren Teiche im Katharinenholz komplett ausgetrocknet. Doch auch jetzt gibt es dort kein Wasser.

© A. Klaer

Exklusiv

Potsdamer Dürrejahr: Klimaprognose für Potsdam: Ein Wetterprofil wie in Toulouse

Ein Potsdamer Klimaforscher sagt: Die ungewöhnliche Wetterstatistik für das ablaufende Jahr zeigt, in welche Richtung sich das Potsdamer Klima verändert. Wegen der langen Trockenheit schlägt die Schlösserstiftung bereits Alarm. 

Potsdam - Immer noch kein Wasser: Anders als in vergangenen trockenen Jahren sind die Düsteren Teiche – gelegen nordwestlich vom Park Sanssouci im Katharinenholz – immer noch komplett ausgetrocknet. Das ausgedörrte Feuchtbiotop ist eine der sichtbarsten Folgen der ungewöhnlichen Trockenheit in diesem Jahr. Denn noch nie gab es so wenig Regen. Die PNN geben einen Überblick, wie groß das Problem ist und welche Folgen das hat.

Extreme Trockenheit

In der Tat steuert Potsdam, einen Monat vor Jahresende, auf die geringste Niederschlagsmenge innerhalb eines Jahres seit Beginn der Wetteraufzeichnungen zu – zugleich war es seit 1893 insgesamt noch nie so warm. Laut der Klimastation auf dem Telegrafenberg liegt die Regensumme, die das Jahr über fiel, erst bei 311 Millimetern, was 311 Liter pro Quadratmeter entspricht. Der bisher geringste Jahreswert wurde 1976 mit 375 Millimetern verzeichnet. Normal sind rund 600 Liter pro Quadratmeter. Vor allem ab Mai verzeichneten die Meteorologen deutlich weniger Niederschläge. Allein im August fielen mit zehn Litern pro Quadratmeter nur knapp 20 Prozent des sonst üblichen Regens – und danach blieb es weiter trocken.

Zugleich liegt die Gesamt-Tagestemperatur, bei der alle täglichen Durchschnittstemperaturen miteinander addiert werden, schon bei 4000 Grad Celsius. Das langjährige Mittel beträgt etwa 3200 Grad, selbst im Rekordsommer 2003 lag die addierte Gesamttemperatur in Potsdam bei knapp über 3500 Grad.

Für Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellt diese Wetterlage einen Blick in die Zukunft dar: „Wir haben in diesem Sommer eine Zeitreise nach 2070 gemacht“, sagte Reusswig auf PNN-Anfrage. Denn mit Hilfe von Computermodellen haben seine Kollegen und er berechnet, wie sich der menschengemachte Klimawandel langfristig auch auf Potsdam auswirken könnte. Das Ergebnis: Wenn weltweit weiter in hohem Maß Kohlendioxid ausgestoßen wird, ändert sich das Wetterprofil für die Landeshauptstadt deutlich. „Dann wird es wie heute in Toulouse in Süd-Frankreich.“ Das heißt: Bis zu vier Grad höhere Durchschnittstemperaturen, mehr Sonnenschein, weniger Tage mit Niederschlägen – aber wenn es regnet, dann stärker. Diesen Trend gibt es schon jetzt. Beispiel September – da wurden im ganzen Monat knapp 20 Liter Regen pro Quadratmeter registriert, 15 Liter davon fielen allein am 23. September.

Gärten der Stiftung bedroht

Wegen der Trockenheit schlägt die für die berühmten Potsdamer Welterbe-Gärten verantwortliche Schlösserstiftung jetzt Alarm. „Die Auswirkungen des Klimawandels behindern die fachgerechte Pflege und Präsentation unserer Gärten immer mehr“, sagte Gartendirektor Michael Rohde auf PNN-Anfrage. Die durch Wetterextreme verursachten Probleme der vergangenen Jahre – etwa das Orkantief „Xavier“ im Oktober 2017 – hätten sich mit der Dürre erheblich verstärkt. „Schon heute sind bei uns vertrocknete Äste, kürzere Austriebe und völlig abgestorbene Gehölze zu sehen.“

So habe man allein durch „Xavier“ in den Potsdamer Parks rund 500 der insgesamt mehr als 42 000 Bäume verloren, bei 600 Bäumen gab es erhebliche Kronenschäden. Das habe man mit Nachpflanzungen – der Bund hatte eine Sonderzahlung von 250 000 Euro bewilligt – reparieren wollen, so Rohde. Doch dann kam die Dürre. „Unsere Gärtner waren im Sommer wochenlang mit dem täglichen Wässern der Nachpflanzungen und besonders sensiblen Gehölze – neben den Blumenpartien – beschäftigt.“ Dadurch hätte man andere Aufgaben wie der Schnitt von Hecken, die Wegepflege gegen Erosion oder andere Bodenarbeiten vorerst nicht erledigen können.

Dennoch kommt die Stiftung nicht nach. Rohde sagte, die Böden seien bis weit in die Tiefe – bis zu zwei Meter – völlig ausgetrocknet. „Das hat schon jetzt sichtbare Auswirkungen – wir befürchten, dass die Wurzeln der Gehölze das Grundwasser kaum noch erreichen und schlicht vertrocknen.“ Tatsächlich zeigt auch die Potsdamer Klimastation, dass das verfügbare Bodenwasser unter einem Kiefernbestand bei knapp zehn Litern pro Quadratmeter liegt – in normalen Zeiten sind dies fast 100 Liter. Rohde sagte: „Das ganze Ausmaß der Dürrefolgen werden wir erst im Frühjahr 2019 beurteilen können – und zum Teil sogar noch später, da Bäume und Gehölze immer noch eine starke Widerstandskraft haben.“

Die Schlösserstiftung benötigt mehr Gärtner

Schon bislang lag das Pflegedefizit in den Gärten der von Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg finanzierten Stiftung bei rund 4,5 Millionen Euro pro Jahr, es fehlten mehr als 40 Gärtnerstellen. Mit der Dürre wird das noch mehr zum Problem. „Daher benötigen wir dringend eine personelle und finanzielle Aufstockung, um den Bestand künftig fachgerecht präsentieren zu können“, forderte Rohde. Aus Denkmalschutzgründen könne man auch nicht einfach trockenresistentere Robinien anstelle von Rotbuchen pflanzen – anders als dies etwa im städtischen Raum möglich wäre. Erschwerend komme die Bekämpfung von Schädlingen wie dem ostasiatischen Buchsbaumzünsler hinzu, der sich wie berichtet durch die wärmeren Temperaturen nun auch in Mitteleuropa heimisch fühlt.

Als Gegenmaßnahme prüfe man – auch mit wissenschaftlicher Hilfe – wie sich zum Beispiel neue Pflanzungen optimieren lassen, so Gartenchef Rohde. Zum Beispiel seien Gehölze aus eigener Aussaat widerstandsfähiger als Zukäufe. Daher wolle man einheimische Bäume wieder in eigenen Revierbaumschulen aufziehen. Und diese Woche wolle man für die Baumnachpflanzungen erstmals ein von der Technischen Universität Berlin entwickeltes Substrat mit Biokohle als deutlich besseren Dünger verwenden, unter anderem oberhalb des Orangerieschlosses im Park Sanssouci.

Stadtverwaltung pflanzt andere Bäume

Auch das Grünflächenamt versucht sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen, wie Stadtsprecherin Christine Homann erklärte. So werde bei neuen Pflanzungen zunehmend auf die hitzeverträgliche Zerreiche und ungarische Eiche gesetzt, „da diese sich aufgrund ihres tiefgehenden Wurzelwerkes in Trockenphasen verbliebene Wasserreserven besser erschließen können als andere heimische Baumarten wie Linde und Ahorn“. Auch die Potsdamer Hauptbaumart, die Linde als klassischer Waldbaum, werde vor allem in der Innenstadt zunehmend durch Platanen, Robinien, Gleditschien, Schnurbäumen oder Ulmen ersetzt. Diese Arten seien gerade im Sommer mit zunehmend aufgeheizteren innerstädtischen Bereichen stresstoleranter als Linden. Im Ergebnis eines gegenwärtig in Zusammenarbeit mit der Berliner Humboldt-Universität laufenden Stresstests für Straßenbäume könnten darüber hinaus bald auch exotisch klingende Baumnamen wie der Amerikanische Amberbaum oder die Kobushi-Magnolie den städtischen Straßenbaumbestand bereichern, so Homann.

Grundsätzlich arbeite man auch daran, den städtischen Baumbestand tendenziell zu vergrößern. Denn vor allem in innerstädtischen Bereichen komme einem vitalen Baumbestand eine immer größer werdende Bedeutung zu. Das macht auch PIK-Forscher Reusswig deutlich. So würden zu viele versiegelte Flächen bei häufigerem Starkregen leichter überfluten. „Und mehr Grünflächen machen die Stadt auch kühler.“ Noch zu wenig werde in Potsdam bei aktuellen Bauprojekten auf das Potential von Dach- und Fassadenbegrünung gesetzt, hier könne auch die städtische Bauplanung mehr Vorgaben machen. Ebenso schlug Reusswig eine Prüfung vor, mit Wärmepumpen das Havelwasser anzapfen und damit das Fernwärmenetz zu speisen. Das könne auch den Fluss abkühlen und dessen Öko-System vorm Umkippen bewahren.

Konzepte zur Anpassung an den Klimawandel

Das PIK hatte für Potsdam schon 2015 ein Konzept zur Anpassung an den Klimawandel vorgelegt. Zudem hatten die Stadtverordneten zuletzt auf Initiative der Linken ein Hitzeschutz-Konzept gefordert, dass bis März erarbeitet werden soll – und in der politischen Diskussion ist gerade ein Aktionsplan „100 Prozent Klimaschutz bis 2050“, in dem unter anderem die Erhöhung des Energiestandards im Neubaubereich gefordert wird.

Auch die Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP) beobachtet die Trockenheit. EWP-Sprecher Stefan Klotz sagte, die Grundwasserstände seien zwar leicht gesunken – allerdings sei das Vorjahr so nass gewesen, dass die Wasserspeicher gut gefüllt seien. „Ein problematisches Szenario wäre aber, wenn mehrere Jahre hintereinander auch so trocken werden sollten.“ Als Gegenmaßnahme habe man unter anderem schon vor einigen Jahren mit einer Neubestimmung von Trinkwasserschutzzonen begonnen. „Das zahlt sich jetzt aus.“

Biotopen drohen Schäden

In den nächsten vier Tagen prognostizieren die Meteorologen endlich ausgiebigen Regen mit rund 20 Liter pro Quadratmeter in Potsdam. Ein Hoffnungsschimmer für die Düsteren Teiche? Axel Kuschat, Geschäftsführer beim brandenburgischen Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, ist nur bedingt optimistisch. Zwar sei das Moorgebiet wechselnde Wasserstände gewöhnt. „Doch so eine dauerhafte Trockenheit schädigt Biotope enorm.“ Gerade für Amphibien bestehe die Gefahr, dass sie austrocknen. Solche Einbußen müsse auch die Landesregierung im Auge behalten, wenn sie sich weiter einem konsequenten Kohleausstieg verweigere.

Zur Startseite