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Günther Vandenhertz hat als erster einen Entwurf für den Landtag vorgelegt.

© Manfred Thomas

Potsdamer Architekt: Trauer um Günther Vandenhertz

Sein Leben lang hat sich Günther Vandenhertz für Potsdams altes Stadtbild eingesetzt - mit viel Sachkenntnis und stets konstruktiv. Jetzt ist er im Alter von 94 Jahren gestorben, am Montag wird er beigesetzt.

Von Peer Straube

Potsdam - Immer wieder das Stadtschloss. Wie ein roter Faden zieht es sich durch das Leben von Günther Vandenhertz. Zuerst das Original, nach dem Krieg zwar in Trümmern liegend, aber wiederaufbaufähig. Später, nach der Wende, der Traum vom Wiederaufbau. Dass es heute wieder dort steht, gekleidet in die beeindruckende Fassade des genialen Baumeisters Knobelsdorff, daran hat Vandenhertz einen ganz maßgeblichen Anteil. Über Jahrzehnte hinweg hat er sich für das steinerne Erbe der Stadt eingesetzt, dabei zu DDR-Zeiten auch Repressalien in Kauf nehmend. Stets bleibt er dabei konstruktiv, stets sachlich. Seine Stimme ist eine, die mit großer Sachkenntnis, aber nie mit Schaum vor dem Mund erklingt und wohl auch deshalb gehört wird in der in Architekturfragen so streitbaren Stadt. Jetzt ist diese Stimme verstummt. Bereits am 10. Juli starb Vandenhertz im Alter von 94 Jahren, wie erst kürzlich bekannt wurde. Am heutigen Montag wird er auf dem Neuen Friedhof beigesetzt.

Vorschlag für ein Hotel im Schloss

Der junge, in Jena geborene und in Weimar ausgebildete Architekt kommt 1953 in die Stadt, als das historische Herz Potsdams zwar in Schutt und Asche liegt, seine Konturen aber noch erkennbar sind. Mit einigen Gleichgesinnten vermisst er in seiner Freizeit die zerstörten Gebäude und bereitet damit den Weg für die Rekonstruktion der Wilhelm-Staab-Straße, die später als „erste Barockstraße der DDR“ gefeiert wird. Gemeinsam mit einem Kollegen schlägt er zudem vor, das Schloss als Hotel wiederaufzubauen. 

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Am 6. November 1959 ist Vandenhertz einer von 15 Architekten des VEB Hochprojektierung Potsdam, die sich gegen den auf Druck der SED-Führung beschlossenen Abriss der Schlossruine wenden, der tags darauf beginnen soll. Sie tun das für damalige politische Verhältnisse mit einem Paukenschlag: Sie schicken ein Telegramm an den DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck, den SED-Bezirkschef und den Präsidenten der Deutschen Bauakademie, in dem sie „die Zerstörung eines baukünstlerischen Ensembles“ anprangern. Ein gleichlautendes Schreiben geht an die Akademie der Wissenschaften in Moskau, den früheren französischen Außenminister Georges Bidault und an die Akademie der Künste in Paris.

Ein Entwurf für den Alten Markt

Die Schleifung des Knobelsdorffschen Baus verhindern sie damit zwar nicht. Aber Vandenhertz wird die Sensibilität für die barocke Mitte der Stadt zeit seines Lebens nie verlieren. Auch zu DDR-Zeiten unternimmt er immer wieder Vorstöße zur Rettung bedrohter historischer Bauwerke. So schlägt er 1967 vor, aus der zerstörten Garnisonkirche ein Konzerthaus mit 1200 Plätzen zu machen. Auch diese Idee verhallt freilich ungehört – ein Jahr später wird die Kirche auf SED-Geheiß gesprengt. Im gleichen Jahr gewinnt Vandenhertz einen Wettbewerb und einen Architekturpreis für einen Entwurf zur Gestaltung des Alten Marktes. Herzstück ist eine Kombination aus Stadthalle und Theater, der Havel zugewandt – und das Schlossgrundstück freilassend. Die Pläne scheitern. Aus Platzgründen und nicht zuletzt an den Kosten: Rund 80 Millionen DDR-Mark hätte das Projekt verschlungen.

Runder Pavillon statt Terrassenrestaurant

Anfang der 1970er-Jahre liefert Vandenhertz einen Entwurf für die geplante Bebauung des Brauhausbergs mit einem Restaurant: einen eingeschossigen Rundbau. Gebaut wird aber der Vorschlag seines Kollegen Karl-Heinz Birkholz für ein Terrassenrestaurant namens „Minsk“, das auf die Topografie des Bergs Bezug nimmt. Neidlos erkennt Vandenhertz an, dass Birkholz’ Idee besser ist. „Ich war nicht beleidigt“, wird er später sagen. „Mir war klar, dass sein Entwurf günstiger für den Hang ist. Sein Konzept war wunderschön.“ Auch deswegen erhebt Vandenhertz Jahrzehnte später seine Stimme für den Erhalt des „Minsk“, als dessen Abriss bereits besiegelt scheint. 

Ein "Kuckucksei der SED"

Nach dem Mauerfall setzt sich der Architekt als einer der ersten für die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte ein. Er plädiert für den (bekanntlich dann auch erfolgten) Abriss des zu DDR-Zeiten begonnenen Theaterrohbaus auf dem Alten Markt, das er als „Kuckucksei der SED“ bezeichnet. 

Nur wenig später kämpft er auf der anderen Havelseite gegen die Entstehung neuer Bausünden. Im jahrelangen Streit um die Dimensionen des Potsdam-Centers, das Potsdam beinahe auf die Rote Liste gefährdeter Welterbestätten gebracht hätte, entwickelt er einen Alternativvorschlag, der das Center zur Stadt hin öffnet und nicht von ihr weg. Sein Gegenentwurf wird vor allem von den Grünen unterstützt, kann sich politisch letztlich aber nicht durchsetzen, weil die Mehrheit der Stadtverordneten seinerzeit für diesen Fall ein generelles Scheitern der Pläne befürchtet. Als Mitglied der „Aktionsgemeinschaft für ein stadtverträgliches Potsdam-Center“ geißelt er auch die letztlich gebaute abgespeckte Variante als nach wie vor zu überdimensioniert. Die abweisende, ja geradezu feindliche Wirkung des gelb verklinkerten Kolosses gibt ihm bis heute recht. 

Landtagsschloss mit Glaskuppel

Vandenhertz schließlich ist es auch, der Ende der 1990er-Jahre die festgefahrene Diskussion über einen Wiederaufbau des Stadtschlosses neu belebt. Er zeichnet einen Entwurf für ein Landtagsgebäude in der äußerlich originalen Schlosshülle, über dessen Innenhof sich ein filigraner, gläserner Plenarsaal erhebt – eine elegante Kombination von Historie und Moderne. Auch, wenn sein Vorschlag letztlich nicht umgesetzt wird, weist er damit doch als erster nach, dass selbst ein gemeinsames Parlament der Länder Berlin und Brandenburg im Falle einer Fusion darin Platz hätte. „Damit hat er den Durchbruch für den Landtag im Schloss geschafft“, sagt Potsdams Ex-Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der die Debatten selbst mit verfolgt hat. 

1995 legte Vandenhertz diesen Alternativentwurf für das Potsdam-Center vor.
1995 legte Vandenhertz diesen Alternativentwurf für das Potsdam-Center vor.

© Entwurf: Günther Vandenhertz

"Krönung meines Lebens"

Als der Landtag 2005 beschließt, nicht den „Kreml“ auf dem Brauhausberg zu sanieren, sondern einen Parlamentsneubau auf dem alten Schlossgrundriss zu errichten, spricht Vandenhertz von der „Krönung meines Lebens“. Sieben Jahre später trifft er sich mit drei Mitstreitern von damals an der fast fertigen Knobelsdorff-Fassade des Landtagsneubaus. Seine Vollendung erlebt er noch, ebenso die Rekonstruktion des Stadtbildes an der Alten Fahrt mit dem prägenden Museum Barberini, auch ein Gebäude, dessen Wiederaufbau ihm wichtig war. 

Trauer um einen "feinsinnigen Menschen"

Wegbegleiter und Politiker trauern um ihn. Er habe Vandenhertz als fachlich „unheimlich versierten und feinsinnigen Menschen“ kennengelernt, als einen „Mann der leisen Worte“, der einen ganz wichtigen Beitrag zur Stadtentwicklung geleistet habe, würdigt Jakobs den Verstorbenen. „Immer hat er mit Achtung und Behutsamkeit an unseren geschichtsträchtigen Bauten gearbeitet und für sie neue Nutzungen entworfen“, erklärt die Bürgerinitiative Mitteschön auf ihrer Homepage. Mit ihm verliere Potsdam einen „besonders engagierten, klugen Menschen“, schreiben Grünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke und Albrecht Gülzow in einem Nachruf der Gruppe Argus, die sich seit 1988 für das historische Stadtbild einsetzt. „Wir trauern um einen besonnenen Mann, der sein Wissen als Architekt gerne geteilt hat und der sich durch die Ignoranz der Mächtigen nie entmutigen ließ.“

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