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Zum Jahresbeginn ist die Zahl der Arbeitslosen in Potsdam höher als noch zum Jahresende 2015.

© A. Klaer

Potsdamer Arbeitsmarkt: Zum Job per „Chef-Dating“

Die Arbeitsagentur Potsdam will Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen und geht dafür ungewohnte Wege.

Die Arbeitslosigkeit in Potsdam sinkt seit Jahren: 2013 waren im Jahresdurchschnitt 7,5 Prozent der Potsdamer arbeitslos, derzeit liegt die Quote bei 6,7 Prozent (siehe Kasten). In einem Bereich jedoch stagnieren die Zahlen ohne große Veränderungen: 1993 Potsdamer sind langzeitarbeitslos, also seit mehr als zwölf Monaten ohne Arbeit. Dabei mangelt es nicht an Jobs in der Region, manche Betriebe suchen händeringend nach neuen Angestellten: 1100 offene Stellen gibt derzeit es in Potsdam, im gesamten Einzugsgebiet der Arbeitsagentur Potsdam (zu der auch Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Brandenburg an der Havel gehören) sind es knapp 5000.

Woran liegt das? Sind die Langzeitarbeitslosen vielleicht zu alt oder schlecht qualifiziert? Eigentlich nicht, sagt Ramona Schröder, Chefin der Arbeitsagentur Potsdam: „Wir sehen bei unseren Langzeitarbeitslosen drei Besonderheiten: Zum einen gibt es einen leichten Männerüberschuss von etwa 60 Prozent, zum anderen sind zwei Drittel zwischen 25 und 49 Jahre alt, also eigentlich eine Altersgruppe, mit der man am Arbeitsmarkt gut arbeiten kann. Und drittens: 65 Prozent haben einen Berufsabschluss.“

Liegt es dann vielleicht daran, dass es nur Stellenangebote in bestimmten Branchen gibt? Wiederum nein, sagt Schröder: „Wir haben einen sehr guten Arbeitsmarkt mit offenen Stellen in allen möglichen Bereichen wie Logistik, Pflege, Facility, Verwaltung, Bau, Handel, Hotel- und Gaststätten-Gewerbe.“

Eine paradoxe Situation, die Schröder gerne auflösen würde: Die Arbeitsagentur Potsdam hat sich die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit dieses Jahr als Schwerpunkt gesetzt. Die Ursachen sieht Schröder zum Teil bei den Erwartungen der Betriebe: „Arbeitgeber wünschen sich häufig einen beruflich konsistenten Lebenslauf, aber Berufsbiographien sehen heute oft nicht mehr so aus.“ Weist die Bewerbung zu viele oder zu lange Lücken im Berufsleben auf, werden sie meist schnell aussortiert.

Ein Fehler, findet Schröder, und nennt ein Beispiel aus dem letzten Jahr: „Wir hatten da eine Mutter, die nach der Elternzeit lange nicht wieder ins Berufsleben gekommen ist, zuvor hatte sie im Bereich Marketing gearbeitet.“ Die Arbeitsagentur glaubte an ihre Klientin und fragte ein lokales Unternehmen, ob es die langzeitarbeitslose Potsdamerin nicht zu einem Gespräch einladen wollte – es klappte, die Firma stellte sie ein. Das war nur durch den persönlichen Kontakt möglich, sagt Schröder: „Die Geschäftsführung sagte uns, dass sie die Frau nicht zu einem Gespräch eingeladen hätte, wenn sie nur auf die Bewerbungsunterlagen geschaut hätten.“

Dieser Erfolg bestärkte Schröder, Langzeitarbeitslose und Arbeitgeber in direkten Kontakt zu bringen: Im Herbst wurden die ersten „Chef-Datings“ in Niemegk gestartet, die ähnlich funktionieren wie Speed-Datings. Dabei sprechen Bewerber und Arbeitgeber zehn Minuten miteinander und wechseln dann. Fünf Chefs örtlicher Unternehmen aus Niemegk trafen auf diese Weise auf zehn Langzeitarbeitslose – und stellten sechs von ihnen ein.

Schröder will in diesem Jahr mit Bürgermeistern und Amtsleitern aus der Region in Kontakt treten, um ähnliche Chef-Datings zu arrangieren, etwa in Kloster Lehnin oder Schwielowsee. „Man muss einfach mal andere Wege einschlagen“, sagt Schröder. Das gilt umgekehrt auch für die Langzeitarbeitslosen, denn vielen von ihnen mangelt es an Selbstvertrauen: „Manche trauen sich gar nicht, sich auf gewisse Stellen zu bewerben.“ Auf beiden Seiten bestehen also Hemmungen, die abgebaut werden müssen. Natürlich sind Chef-Datings kein Allheilmittel: Manche Langzeitarbeitslose haben zwar Berufsabschlüsse, diese sind aber nicht mehr gefragt. Daher setzt die Arbeitsagentur auf Qualifizierungsmaßnahmen, um die Abschlüsse zu aktualisieren.

Zum Teil hat Langzeitarbeitslosigkeit auch ganz praktische Ursachen: Brandenburg ist ein Flächenland, Jobs sind oft nicht dort, wo man wohnt. Für manche Langzeitarbeitslose ist das ein ernsthaftes Problem, wenn es etwa im ländlichen Raum kaum Öffentlichen Nahverkehr gibt und man sich selber kein Auto leisten kann, so Schröder: „Wir wollen uns deshalb vor allem auf die abseits gelegenen Gebiete konzentrieren.“ Manchmal könne es schon helfen, wenn Betriebe ihre Schichtzeiten an die Fahrtzeiten von Bussen und Bahnen anpassen würden.

Lokale Jobbörsen wie die Jobinale, die am 15. März in Potsdam stattfindet, sieht Schröder hingegen als ein weniger geeignetes Mittel, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen: „Das richtet sich eher an jüngere Menschen und dient zur Orientierung, echte Anbahnungen zwischen Unternehmen und Bewerbern gibt es da zu selten.“ Aktionen wie die Chef-Datings hingegen seien schnell und unkompliziert zu organisieren. „Und es kommt mehr dabei raus“, so Schröder.

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