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Potsdam: Zwei Jahrzehnte für Knobelsdorff

Der einstige Vorsitzende des Stadtschlossvereins, Michael Schöne, hat ein Buch geschrieben. Es erzählt vom Wiederaufbau, seinen Gegnern und Helfern.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Was für eine lange Zeit 22 Jahre sein können, hat ihm vor allem seine Tochter gezeigt, sagt Michael Schöne. Als er 1994 anfing, sich für den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses einzusetzen, war sie gerade mal im Kindergarten. Jetzt, wo das Schloss steht und er sich zurückzieht, ist die Tochter schon fast mit dem Studium fertig. Sie macht gerade den Master.

Viele Höhen und Tiefen haben der heute 61-jährige Schöne und seine Mitstreiter in diesen Jahren durchlebt, nicht nur einmal schien das Projekt zu scheitern. Doch er wurde nicht müde, für sein Anliegen zu werben, bis vor Kurzem als Vorsitzender des Stadtschlossvereins. Sozusagen zum Abschied von dem Projekt, von Potsdam und vom Verein hat er ein Buch über den Wiederaufbau geschrieben. „Stadt sucht Mitte“ hat er es genannt, seit wenigen Wochen ist es auf dem Markt.

"Wenn man sich nicht um den alten Kern der Stadt kümmert, wird die Potsdamer Innenstadt niemals wirklich funktionieren"

Zunächst erzählt der Anwalt darin, wie er als gebürtiger Westberliner überhaupt dazu kam, sich für das Potsdamer Projekt zu engagieren. Er war seit der Wende als Immobilienunternehmer in der Stadt aktiv, schreibt er, kaufte Altbauten, sanierte und vermietete oder verkaufte sie. Die Geschäfte liefen gut, doch dass die einstige Potsdamer Mitte im Wesentlichen aus einer Brache bestand, ließ ihm keine Ruhe. „So reifte in mir die Erkenntnis: Man kann am Stadtrand sanieren, so viel man will, wenn man sich nicht um den alten Kern der Stadt kümmert, wird die Potsdamer Innenstadt niemals wirklich funktionieren.“ Und so formulierte Schöne für sich ein Ziel, dessen Umsetzung ihn mehr als zwei Jahrzehnte kosten sollte: „Man muss das Stadtschloss wieder aufbauen!“

1996 startete er einen ersten Anlauf. Er legte einen Immobilienfonds auf, suchte Investoren und sammelte Gelder ein. Seine Idee war, in dem wiederaufgebauten Preußenschloss Galerien, Museen und Cafés beziehungsweise im Obergeschoss Wohnungen und Büros unterzubringen. 130 Millionen Mark kalkulierte Schöne für den Bau. Doch er scheiterte an der Politik, die „Potsdamer Seilschaften“ waren stark genug, wie er sagt. Das eingesammelte Geld musste er zurückgeben.

Nur ein kleines Zeitfenster

Doch kurz darauf erhielt er Unterstützung von unerwarteter Seite. Die PDS-Politikerin Birgit Müller, damals Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, erklärte sich bereit, den Wiederaufbau des Fortuna-Portals zu unterstützen – sie wurde sogar Mitglied im Förderverein für den Wiederaufbau des Portals, dem Vorgänger des Stadtschlossvereins. „Das war damals ein ganz kleines Zeitfenster, in dem das möglich war“, so Schöne im PNN-Gespräch. Kurz darauf war die PDS wieder geschlossen gegen einen Wiederaufbau – ebenso wie die Nachfolgepartei Die Linke. Doch damals waren nicht nur Müller und einige Fraktionsmitglieder für das Portal, auch die SPD unter Matthias Platzeck unterstützte Schöne.

Allerdings fehlte es noch an der Finanzierung. Da kam Schöne seine lockere Bekanntschaft mit dem TV-Moderator Günther Jauch zupass. Bei einem gemeinsamen Abendessen fragte ihn Jauch: „Sagen Sie mal ehrlich: Kann man das wirklich wieder aufbauen, ohne dass es nach Disneyland aussieht?“ Schönes Antwort kann man sich ausmalen, und offenbar hat sie Jauch überzeugt: Einige Wochen später lud er Schöne erneut ein und schlug vor, zwei Jahre lang für die Zementindustrie zu werben und für das Honorar von sieben Millionen Mark das Fortunaportal zu finanzieren. „Günther Jauch erzählte mir also bei sich zu Hause, dass er mal eben so sieben Millionen DM für das Fortunaportal spenden wolle“, schreibt Schöne. Doch bekanntermaßen sollte es genau so kommen, am 12. Oktober 2002 stand das einstige Schlosstor wieder.

So groß die Freude über das wiederaufgebaute Portal war, so sehr war das Stadtschlossprojekt selbst zu dieser Zeit an einem Tiefpunkt angelangt. Zwar hatte die Stadtverordnetenversammlung schon 2000 für einen Wiederaufbau gestimmt, doch auf Landesebene war niemand dafür zu gewinnen. In Zeiten der Immobilienkrise wollte keiner laut über einen Neubau mit barocker Fassade nachdenken, sogar Platzeck, mittlerweile Ministerpräsident Brandenburgs, rückte damals von der Schlossidee ab.

Längst beschlossen, dass der Landtag nicht auf Dauer im "Kreml" bleiben sollte

Doch die Zeiten besserten sich, bald trat auch die Landespolitik dem Schloss wieder aufgeschlossener gegenüber. Dass der Landtag nicht auf Dauer im „Kreml“ bleiben sollte, war längst beschlossene Sache, und im Mai 2005 fand sich auch eine Mehrheit für einen Landtagsneubau auf dem Alten Markt – in den äußeren Formen des historischen Stadtschlosses. Schöne und seine Mitstreiter atmeten auf. „Wir dachten, nun sind alle Schlachten geschlagen, jetzt kann nichts mehr schiefgehen“, schreibt er.

Allerdings hatten die Schlossbefürworter einen gewichtigen Gegner: Rainer Speer (SPD), damals Finanzminister. Immer wieder habe er „getrickst, um das Schloss zu verhindern“. Schöne zitiert den Ex-Minister sogar mit den Worten: „Die CDU-Schnullis wollen ein Schloss bauen.“ Aber der Beschluss galt, und nachdem auch die Potsdamer Stadtverordneten in einer dramatischen nächtlichen Abstimmung den Bebauungsplan abgesegnet hatten, startete der Wettbewerb für den Neubau. Doch der Stadtschlossverein witterte einen weiteren Schachzug der Schlossgegner und befürchtete „kostenoptimierte Architektur“, die auf viele historische Elemente verzichten würde. Doch zwei Tage vor der letzten Jurysitzung erreichte den Ministerpräsidenten ein Anruf, der alle Befürchtungen wegfegen und in die Geschichte Potsdams eingehen sollte: Software-Milliardär Hasso Plattner war am Apparat und verkündete, 20 Millionen Euro für die historische Knobelsdorff-Fassade zu spenden – laut Schöne die größte Spende einer Einzelperson, die es in Deutschland je gegeben hat.

Der Wettbewerb wurde gestoppt und neu gestartet, am Ende setzte sich bekanntlich Peter Kulka durch. Persönlich kennengelernt habe er Plattner nie, sagt Schöne. Der Kontakt kam über die Chefin des Hotels Bayrisches Haus zustande, wo Plattner öfter nächtigte. Kommuniziert habe er mit dem Milliardär stets nur über E-Mail – das eine oder andere Mal richtete auch der Chauffeur Grüße aus, so Schöne gegenüber den PNN.

2014 war das Stadtschloss fertig

Im September 2009 begannen die Bauarbeiten, 2014 war das Stadtschloss fertig – gekrönt mit einem Kupferdach, das durch eine weitere Plattner-Spende möglich wurde. Schöne hat sein Ziel damit erreicht, seine „Lebensaufgabe“ erfüllt, wie er sagt. Seit 2015 ist nicht mehr Vorsitzender des Stadtschlossvereins, auch nach Potsdam kommt er jetzt nicht mehr so oft. All die Zeit über ist er Berliner geblieben, zunächst der Kinder wegen, aber wohl auch, weil sein Engagement nicht in der Form wertgeschätzt wurde, wie er es erhofft hatte. „Es gab und gibt noch heute so manche Menschen, die eine ablehnende Haltung zu allem haben, was aus dem Westen kommt. Das habe ich immer wieder erlebt, bei Bauämtern, beim Tiefbauamt, beim Grundbuchamt“, schreibt er in seinem Buch. Und auch diesen Satz: „Es gibt diese extreme Kluft zwischen den wohlhabenden Leuten, die sich in Potsdam niederlassen und einbringen, und den vielen alteingesessenen Bremsern.“

Doch zum Schluss seines Buches wird Schöne dann doch wieder versöhnlich. „Nun ist Potsdam wieder eine der schönsten Städte in Deutschland“, schreibt er. Dass er dazu seinen Beitrag leisten konnte, erfülle ihn mit Freude. Und ganz zuletzt: „Was will man mehr?“

 

Michael Schöne: Stadt sucht Mitte. Das Buch ist im Verlag Strauss Edition erschienen und hat 139 Seiten. Es kostet 17,85 Euro.

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