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Wie ein aktueller Fall aus Potsdam zeigt, kann die Apotheke vor Ort besser helfen als ein Online-Händler.

© Getty Images/iStockphoto (Symbolbild)

Potsdam: Wo die Apotheke vor Ort punktet

Die Residenz-Apotheke in Potsdam half einer Mutter dabei, ein dringend benötigtes Medikament für ihr Kind zu organisieren. Der Fall zeigt, was stationäre Apotheken leisten und wo die Grenzen des Versandhandels sind.

Von Helena Davenport

Potsdam - Der vergangene Freitag ist Jens Wiesenhütter in besonderer Erinnerung geblieben. Gegen Mittag war eine Kundin in seine Apotheke in der Zeppelinstraße gekommen, eine Mutter mit krankem Kind. Nifurantin in Pulverform – das sei es, was sie dringend brauche, um ihrem Sohn einen reibungslosen Verlauf seiner Therapie zu ermöglichen. Ein Rezept habe der behandelnde Arzt längst in die Apotheke geschickt, habe sie gesagt, erinnert sich Wiesenhütter. Allerdings hatte der Apotheker kein Rezept erhalten. Er habe dennoch nicht lange überlegt, erzählt er. Der 54-Jährige organisierte zunächst das fehlende Rezept und stellte schließlich das dringend benötigte Antibiotikum selbst her. In Pulverform ist das Medikament in Deutschland nämlich nicht erhältlich, es muss eigens hergestellt werden. Die Potsdamer Residenz-Apotheke konnte diesen Service leisten, auch an einem Freitag. Und sie musste das Medikament nicht zunächst verschicken lassen, wie es eine Online-Apotheke getan hätte. Das Medikament war sofort einsatzbereit.

41 Apotheken gibt es in Potsdam

Dieser Fall verdeutliche, wie wichtig Apotheken vor Ort für die Versorgung der Bevölkerung sind, so Julia Bang, Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit der Landesapothekerkammer Brandenburg. 41 Apotheken gibt es derzeit in Potsdam, die Zahl ist stabil. Dabei bestellen immer mehr Leute ihre Medikamente im Internet. Seit 2004 ist der Versandhandel mit rezeptpflichtigen und rezeptfreien Medikamenten in Deutschland erlaubt. Im Bereich der Selbstmedikation hat der Versandhandel einen Marktanteil von rund 13 Prozent erreicht. Sein Umsatz stieg 2017 um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist sein prozentualer Marktanteil deutlich niedriger – aber seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016, wonach ausländische Versandhändler nicht mehr an die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gebunden sind, steige der Absatz von rezeptpflichtigen Medikamenten im Versandhandel an, heißt es bei einer Datenerhebung von IQVIA.

Potsdamer Apotheker: "Wir müssen Miete und gut ausgebildetes Personal bezahlen"

Stationäre Apotheken machen rund 90 Prozent ihres Umsatzes mit Arzneimitteln, 80 Prozent davon mit solchen, die verschreibungspflichtig sind. „Das ist ein unfairer Wettbewerb“, findet Wiesenhütter. Er bemängelt, dass die Online-Händler Rabatte und Bonuspunkte anbieten: „Wir müssen die Miete bezahlen und ausgebildetes Personal – solche Rabatte kriegen wir nicht hin.“ Er könne die Preise in seiner Apotheke wegen der Preisbindung für stationäre Apotheken nicht erhöhen, selbst wenn die Miete steigt.

"Online-Apotheken kommen Versorgungsauftrag nicht nach"

Online-Apotheken würden Rosinenpickerei betreiben, so der Potsdamer, der drei Apotheken betreibt, seit 1997 in der Residenz-Apotheke tätig ist. „Sie suchen sich aus, was sich für sie lohnt, kommen dem Versorgungsauftrag gegenüber der Bevölkerung aber nicht unbedingt nach“, sagt er. Mit dem Versorgungsauftrag meint er etwa Nacht- und Bereitschaftsdienste und spezielle Rezepturen. Letztere stehen bei ihm im Durchschnitt ein- bis zweimal am Tag an. Am Freitag sei die gefragte Rezeptur besonders aufwendig gewesen: erst den Arzt kontaktieren, ein Rezept anfordern, zum Großhandel fahren, die nötigen Bestandteile besorgen, wieder zurückfahren, das Pulver herstellen. „Ökonomisch war das nicht“, sagt Wiesenhütter.

Er hätte das Pulver auch lieber in Ruhe hergestellt, so der Apotheker. Warum die Mutter erst am Freitagmittag auf die Idee kam, das Medikament für ihr krankes Kind zu besorgen, nachdem sie am vorigen Montag beim Kinderarzt war, kann Wiesenhütter nicht verstehen. „Aber es ging ja um die Versorgung des Kindes“, sagt er.

Kinder und Ältere bräuchten oft individuelle Dosierungen

„Wer stellt solche Arzneimittel her, wenn die Apotheken wegrationalisiert werden?“, fragt Kathrin Fuchs, Geschäftsführerin der Landesapothekenkammer Brandenburg. Irgendjemand müsse das produzieren, was die Industrie nicht liefert. Kinder, aber auch Ältere bräuchten teilweise ganz individuelle Dosierungen, die es nicht standardmäßig zu kaufen gibt, so Fuchs. Und Online-Apotheken könnten Produkte nicht digital verschicken. Fakt sei, dass sie den Zeitfaktor nicht einhalten können, betont die Geschäftsführerin.

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