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Erstling aus Potsdam. Joachim Werzlaus (r.u.) erste Oper „Regine“ wurde im Hans Otto Theater uraufgeführt. Sein Sohn Friedemann Werzlau (o.r., Mitte) übergab den Nachlass an Karsten Fietzke und Marion Mattekat.

© A. Klaer (2)/Deutsche Fotothek

Potsdam: Wagnersche Ausmaße

Joachim Werzlau war einer der bekanntesten DDR-Komponisten. Sein Nachlass ist nun in der Potsdamer Bibliothek.

Von Sarah Kugler

Potsdam - An die Uraufführung von „Meister Röckle“ kann sich Friedemann Werzlau noch gut erinnern: Das Publikum jubelte schier endlos, immer wieder ging der Vorhang. Das war im Jahr 1976 in der Berliner Staatsoper, Werzlau war gerade zwölf Jahre alt. Die Opernmusik, die er da soeben erlebt hatte, stammt von seinem Vater Joachim Werzlau – einem der gefragtesten Filmkomponisten der Defa. Er schrieb unter anderem die Soundtracks zu Klassikern wie „Jakob der Lügner“ oder „Nackt unter Wölfen“. Am gestrigen Dienstag übergab Friedemann Werzlau den Nachlass seines Vaters an die Potsdamer Stadt- und Landesbibliothek (SLB).

Die Schenkung umfasst das Gesamtwerk von Joachim Werzlau, der 1913 in Leipzig geboren wurde. Dieses beinhaltet Werke aus den Jahren 1949 bis zu Werzlaus Tod im Jahr 2001. Autographen sind dabei, Noten, Bild- und Tonträger sowie Fotos. Wie genau sich das Material aufteilt, kann Musikbibliotheksleiter Karsten Fietzke im Moment noch nicht sagen. „Der Nachlass umfasst zehn Umzugskartons, das alles aufzuarbeiten wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen“, erklärte er am Dienstag. Einige Highlights konnte er allerdings schon zeigen: Etwa ein Nachdruck der Opernpartitur von „Regine“, Werzlaus erster Oper, die 1963 im Potsdamer Hans Otto Theater uraufgeführt wurde. Joachim Werzlau lebte selbst zeitweise in Potsdam: Von Anfang der 50erJahre bis 1967 wohnte er in einem Haus im Babelsberger Hubertusdamm.

Besonders erfolgreich war er mit der später folgenden Oper „Meister Röckle“, die allein an der Berliner Staatsoper 60 Mal gespielt wurde und sowohl in der DDR als auch im Ausland zahlreich aufgeführt wurde. Im Nachlass ist unter anderem ein Plakat von einer Moskauer Aufführung aus dem Jahr 1981 enthalten. Seit 1989 ist die Oper, die auf dem Kinderbuch „Meister Hans Röckle und Mister Flammfuß“ von Ilse und Vilmos Korn basiert und vom Kampf zwischen Mensch und Teufel erzählt, allerdings von den Spielplänen verschwunden.

Friedemann Werzlau beschreibt die Musik auch heute noch als vorzüglich: „Damals dabei gewesen zu sein, ist ein Erlebnis, das bis heute hängen geblieben ist und an das ich mich gerne erinnere“, so der 53-Jährige, der selbst Musiker ist und die Solopauke in der Kammerakademie Potsdam spielt. Überhaupt sei er viel bei Konzerten und Aufführungen dabei gewesen, bei der Filmarbeit dagegen – sein Vater komponierte unter anderem auch die Musik zu dem Märchenfilm „Das tapfere Schneiderlein“ von 1956 – nicht. „Da war ich ja größtenteils noch gar nicht auf der Welt.“ Und später als junger Mann habe er noch andere Interessen als die Arbeit seines Vaters gehabt, wie er lachend zugibt. „Heute ist das anders, sie hat nun einen wirklichen Wert für mich.“ An seinen Vater erinnert er sich als sehr genauen Menschen, der andere mitnehmen konnte und mit ganzer Seele Musiker war. „Für mich war das Bild meines Vaters, der am Klavier sitzt, ein sehr prägendes“, erzählte er am Dienstag. Seinen Nachlass habe er lange Zeit in seinem Haus aufbewahrt. Mit seinen beiden älteren Geschwistern habe er sich dann entschieden, das Werk des Vaters in professionelle Hände zu geben.

Musikbibliotheksleiter Karsten Fietz- ke, der mit Werzlau in einer Band spielt, freut sich bereits auf die Aufarbeitung des Materials. Die SLB, dessen Musikbibliothek 40 000 Medieneinheiten beinhaltet, habe nun das erste Mal einen vollständigen Komponistennachlass erhalten. „Und nicht von irgendwem, sondern von einem der größten DDR-Komponisten überhaupt“, so Fietzke. Welchen Wert der Nachlass habe, könne er noch nicht sagen, der ideelle Wert sei allerdings gigantisch. Schon allein deswegen, weil noch unveröffentlichte Werke im Nachlass sind. Unter anderem die Oper „Zille Heinrich“ aus dem Jahr 1987. Das Libretto stammt dabei von Heinz Kahlau, einem bekannten Lyriker und Meisterschüler von Bertold Brecht. Wie Friedemann Werzlau am Dienstag erzählte, sollte die Oper ursprünglich auch in der Berliner Staatsoper aufgeführt werden, dazu kam es jedoch nie. Berlin wäre weiterhin sein Wunschaufführungsort. „Schließlich ist es eine groß angelegte Oper für ein großes Orchester“, so Werzlau. Die Orchestergröße sei durchaus mit Wagnerschen Inszenierungen zu vergleichen, fügte er hinzu. Unter den unveröffentlichten Werken befinde sich außerdem ein „Bolero für Orchester“.

Die Aufarbeitung wird nun systematisch erfolgen, wie Fietzke erklärte. Nachdrucke und musikalische Originalschriften seien am einfachsten zu erschließen und würden im Laufe des nächsten Jahres zugänglich sein. Briefe oder Fotos hingegen bräuchten etwas mehr Zeit. Bei der Erschließung erhofft sich der Musikbibliotheksleiter auch Hilfe von Musikwissenschaftlern, die er als Hauptpublikum ansieht. Nicht alles wird dabei im Haus aufbewahrt: „Wir werden auch Material ins Magazin in Groß Glienicke auslagern.“

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