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Eine gegen alle? Die CDU-Direktkandidatin im Wahlkreis 61, Saskia Ludwig.

© Kai-Uwe Heinrich

Potsdam vor der Bundestagswahl: CDU. Aber Ludwig

Für die Serie zur Bundestagswahl stand die CDU-Direktkandidatin Saskia Ludwig den PNN nicht zur Verfügung. Trotzdem stellt sich die Frage: Wer ist die Politikerin, die für Potsdam in den Bundestag einziehen will? Ein Porträt.

Potsdam - An dieser Stelle sollte ein Porträt der Bundestagskandidatin Saskia Ludwig von der CDU stehen. Sieben Direktkandidaten hatten die PNN angefragt, um mit ihnen während einer Tram-Fahrt durch die Stadt ins Gespräch zu kommen. Das Ziel: ein Porträt über den Menschen hinter dem Politiker. Von sechs Kandidaten kam eine Zusage, sechs Porträts sind bereits erschienen. Nur eines nicht: das von Saskia Ludwig. Unsere Anfrage hatte sie bei Facebook veröffentlicht, dort, wo sie sich in Live-Videos den Wählern stellt. Und sie hatte in ihrer Antwort vorgeschlagen, die PNN mögen doch statt eines Porträts lieber ein Streitgespräch mit ihrer ärgsten Konkurrentin im Wahlkreis 61, der SPD-Kandidatin Manja Schüle, abhalten. Auch mehrmalige Erklärungen des Formates halfen nichts. Saskia Ludwig antwortete am Ende nicht einmal mehr.

Das Vorgehen ist symptomatisch für die 49-Jährige. Einem Teil der Medien misstraut sie offenbar zutiefst. Es war auch nicht das erste Mal, dass sie Anfragen von Journalisten, eigentlich vertrauliche Konversationen, veröffentlichte. Fernsehen und Radio, auch eine Reihe von Zeitungen – da macht sie mit. Immer geht es um Kontrolle – nämlich, wie weit sie Einfluss darauf nehmen kann, was und wie veröffentlicht wird. Einfache Anfragen, am Telefon, eine Bitte um ein Statement, so wie in der politischen Berichterstattung üblich – nicht mit Saskia Ludwig, die medienpolitische Sprecherin der CDU im Landtag ist. Sie stellt Bedingungen – nicht nur dieser Zeitung. Die Fragen mögen schriftlich sein, beantwortet werden sie nur, wenn sie in der Form eines Interviews veröffentlicht werden.

Aufstieg in der CDU - und ein Paukenschlag

Aber von vorn. Der Aufstieg der Diplom-Kauffrau und Unternehmerin in der CDU beginnt Ende der 1990er-Jahre, als sie Vize, später Chefin der Kreis-CDU in Potsdam-Mittelmark wird. Dort hat sie ihre Machtbasis, die auch davon lebt, dass laut Satzung nicht Mitglieder, sondern von den Ortsvereinen nur Delegierte zu den Kreisparteitagen geschickt werden. Im Vergleich zu anderen Kreisverbänden der CDU in der Mark ein Relikt. Sie ist bis heute fest verankert vor Ort, ob in Fahrland, Werder oder Golm.

2004 schafft es Ludwig in den Landtag, errang seither das Direktmandat jeweils mit knapper Mehrheit. Sie wird parlamentarische Geschäftsführerin, finanzpolitische Sprecherin, 2009 ein Dreivierteljahr bis kurz nach der verlorenen Landtagswahl und dem Verlust der Regierungsbeteiligung Fraktionschefin im Landtag. Nach einem kurzen Intermezzo der damaligen Landesparteichefin Johanna Wanka an der Fraktionsspitze, die dann einem Ruf als Ministerin nach Niedersachsen folgt, wird Ludwig wieder Oppositionsführerin. Nach Schwangerschaft und Geburt ihres Kindes kehrt Ludwig wieder zurück ins politische Geschäft, mit einem Paukenschlag. Seither ist alles anders – für Ludwig, für die CDU. Spätestens seit damals gilt sie als Rechtsaußen innerhalb der CDU, später sogar mit Nähe zur AfD.

„Moralische Erneuerung auf Grundlage von Familie, Kirche und Heimat“

Ludwig meldet sich mit einem Gastbeitrag, es ist nicht ihr erster, in der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ zurück aus dem Mutterschutz. Jener Zeitung, der Experten eine Scharnierfunktion zwischen Konservatismus und der Neuen Rechten – etwa AfD und Identitäre Bewegung – zuschreiben. In ihrem Beitrag wirft Ludwig Brandenburger Journalisten und Medien eine „mitunter falsche und gelenkte Berichterstattung“ vor, die von der Staatskanzlei und der SPD gesteuert sei. Und sie kritisiert dort die „technokratische Führung“, den „Linksruck“ in der Union und „das Lossagen von allen klassischen konservativen Werten“, forderte eine „moralische Erneuerung auf Grundlage von Familie, Kirche und Heimat“. Fraktion und Landespartei putschten gegen Ludwig, weil man „nicht mehr in der gleichen Lebenswelt zu Hause zu sein“ schien.

Verbündete hat Ludwig seither – zumindest in Fraktion und in Landespartei – nur noch wenige. Sie engagiert sich im Berliner Kreis der CDU, der sich mehrfach gegen den Kurs von Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel gestellt hat – bei der Wehrpflicht, beim Atomausstieg, 2015 in der Flüchtlingspolitik, zuletzt beim Klimaschutz. Und während sich die Brandenburger Landespartei unter ihrem Vorsitzenden Ingo Senftleben in der Flüchtlingskrise demonstrativ hinter Merkel stellte, blieb sich Ludwig treu, wie sie es sagen würde. Kritik müsse möglich sein.

Ludwig schreibt von Asylanten, inzwischen ein Unwort im öffentlichen Raum

Ihr Slogan auf Plakaten: „Heimat. Aber sicher.“ In ihren Wahlversprechen geht es um Innere Sicherheit, um Zuwanderung, da vertritt sie die CDU-Linie, nicht aber bei ihrer Wortwahl: Ludwig schreibt von Asylanten, inzwischen ein Unwort im öffentlichen Raum, auch von Rechten bis zur NPD genutzt. Ludwig würde es übertriebene politische Korrektheit nennen.

Es geht ihr auch um mehr Rechte, mehr Geld für Familien, jedenfalls für den klassischen Fall aus Mann, Frau und Kindern. Um weniger Gängelei der Unternehmer, ein einfacheres Steuerrecht. Der Stadt Potsdam wirft sie eine Ideologie-getriebene Verkehrspolitik vor. Die Einengung der Zeppelinstraße müsse der Bund stoppen, nötig sei eine Umgehungsstraße.

Im Kern präsentiert sich Ludwig als Anti-Politikerin. Sie bezeichnet sich als Bürgerkandidatin. Ihre erste Aufgabe: den Bürgern immer zuzuhören. So, als würden es andere nicht machen. Bei ihrer Wahl zur Direktkandidatin sagt sie, sie wolle die Wahl für jene Bürger gewinnen, „die sich im Bundestag durch Berufspolitiker jedweder Couleur nicht vertreten fühlen“. So, als wäre sie nicht seit 2004 gut bezahlte Parlamentarierin.

Ludwig gegen alle - auch in der eigenen Partei

Und sie prangert den „politischen Mainstream“ an, das CDU-Establishment unter Merkel, das Einknicken vor den 68ern. Etwa im März in einem Doppelinterview in der „Jungen Freiheit“ mit Alexander Gauland, mit dem sie einst im Berliner Kreis war, dessen Fortgang aus der CDU sie als Bärendienst an den Konservativen sieht. Mit der AfD zusammenarbeiten will Ludwig nicht. Und doch gibt es Schnittmengen. Treffen mit der AfD, Lob für den Konkurrenten als „richtigen Mann“. Und dann die Angst vor der „Umwandlung unseres Landes in eine multikulturelle Einwanderungsgesellschaft“.

Ihr Kurs ist: Ludwig gegen alle, gegen die Konkurrenten anderer Parteien, in ihrer eigenen Partei, gegen die Merkel-Linie. Als sei sie nur von Feinden umgeben. Auf ihrer Internetseite schreibt sie: „Sie können sich sicher sein, dass ich mir auch im Bundestag nicht den Mund verbieten lasse, so wie ich mich auch im Landtag Brandenburg nicht scheue, notwendige Dinge anzusprechen.“ Sie setzt auf die „Rückbesinnung der Union auf das Parteiprogramm von 2003“. Damals wollte die CDU marktradikale Reformen, warnte vor Asylmissbrauch, Parallelgesellschaften. 14 Jahre ist das her, die CDU eine andere, heute spricht sie sogar schon über gezielte Einwanderung. Dass Ludwig auf der Landesliste zur Bundestagswahl nur auf Platz acht kam, ist kein Zufall. Aber Folge eines langen Entfremdungsprozesses.

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