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Hartmut Dorgerloh ist Generaldirektor der Schlösserstiftung.

© Manfred Thomas

Potsdam: Vom Topfwäscher zum Welterbewächter

Hartmut Dorgerloh, Chef der Schlösserstiftung, wird heute 50 Jahre alt. Schon als Schüler hatte er die Lizenz zum Führen.

Von Peer Straube

Potsdam - Die große Liebe beginnt mit einer Zerstörung. 1968 wird der Turm der Garnisonkirche gesprengt. Fasziniert schaut der sechsjährige Hartmut Dorgerloh zu, wie das Gotteshaus in Trümmer sinkt. Erstaunt betrachtet er eine Straßenbahn, die durch ein Tor, das Nauener, fährt. Zwei Schlüsselerlebnisse, die sich einprägen. „Seitdem“, sagt Dorgerloh vergnügt, „fand ich Potsdam toll. Ich kam ja vom Land – aber hier war immer etwas los“.

Am heutigen Donnerstag feiert Dorgerloh, seit fast zehn Jahren Generaldirektor der Schlösserstiftung, seinen 50. Geburtstag. Obwohl er in Berlin geboren wurde und dort auch seit 30 Jahren wieder wohnt, ist es Potsdam, das sein – zumindest berufliches – Leben bestimmt.

Schon als 13-jähriger Steppke ergattert der Pfarrerssohn einen Ferienjob bei der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten der DDR. Eine Saison arbeitet er als Aufsicht in der Orangerie. Ein Knochenjob sei das gewesen, sagt Dorgerloh. Doch er hört zu, was die Schlossführer erzählen. „Ich habe gedacht, das kannst du auch.“ Noch während des Abiturs an der Helmholtz-Oberschule macht er nach und nach seine Schlossführerlinzenzen: Sanssouci, Cecilienhof, Charlottenhof. Es lohnt sich nicht nur im Hinblick auf die spätere Laufbahn. 17 DDR-Mark bekommt er für eine Führung durchs Neue Palais, für eine Kombi-Tour mit Garten sogar 21 Mark. „Damit konnte man dann ins Café Heider gehen und Bücher kaufen“, sagt Dorgerloh.

Schließlich, nach der Armeezeit, wird er ein Jahr lang fest eingestellt – als Schlossführer für Charlottenhof. „Damals habe ich gelernt zu reden und die Leute für etwas zu gewinnen.“ Denn das Klientel ist bunt gemischt. Morgens etwa kommt mitunter eine Gruppe Lehrer, die von einem kaum 20-Jährigen etwas lernen soll. Und wenn die LPG-Bauern den verordneten Kulturausflug machen, „rollten einem schon aus dem Bus die leeren Bierflaschen entgegen“, erinnert sich Dorgerloh vergnügt. „Hinterher haben die dann aber gesagt, das war ja gar nicht so blöd.“

1982 bekommt Dorgerloh einen Platz an der renommierten Humboldt-Uni. Er studiert Kunstgeschichte und Klassische Archäologie. Zehn Bewerber gibt es pro Platz – aber Dorgerloh kommt seine Zeit bei den Staatlichen Schlössern und Gärten zugute. Inzwischen wohnt er in Berlin, „schwarz, bei Freunden“, wie er erzählt. Es gibt ja kaum Wohnungen. Nachts arbeitet er im Metropol-Hotel, als „Topfwäscher“. Für die Teller gab’s in der Ostberliner Vorzeige-Bettenburg eine Spülmaschine. Die Töpfe aber, „wo die Champignoncremesuppe über den Tag schön eingetrocknet war“, die schrubbt er gemeinsam mit Steffen Reiche, Brandenburgs späterem Bildungsminister. Nach Feierabend belohnen sie sich mit für DDR-Verhältnisse edlen Tropfen, die die Gäste übrig ließen. „Da wurden dann aus den Weinflaschen die Neigen geleert“, sagt Dorgerloh amüsiert. Seine Diplomarbeit schreibt er 1987 über „Die museale Inszenierung der Kunstgeschichte – Das Bild- und Ausstattungsprogramm des Neuen Museums in Berlin“. Dann bekommt er eine Stelle im Institut für Denkmalpflege in Berlin.

Dem Denkmalschutz bleibt Dorgerloh auch nach der Wende treu. 1990 schickt ihn die letzte DDR-Regierung nach Banff in Kanada. Er soll dort vor der Unesco den noch von den SED-Oberen gestellten Antrag verteidigen, den Park Sanssouci in die Welterbeliste aufzunehmen. Angst hat er keine. „Im Rückblick war ich erfrischend naiv“, stellt Dorgerloh heute fest. „Aber als Ossi hatte ich ohnehin viele Sympathiepunkte.“ 1991 wechselt er in die neue Landesregierung Brandenburgs und wird Referatsleiter für Denkmalpflege im Kulturministerium, das damals vom Liberalen Hinrich Enderlein geleitet wird. Er baut die Unteren Denkmalbehörden in den Kommunen auf, reist viel, vermittelt und darf sogar Geld ausgeben. Zehn bis 15 Millionen D-Mark pro Jahr.

Nach ein paar Jahren aber stellt sich Langeweile ein. Die Denkmalpflege war inzwischen zu einer „typischen deutschen Verwaltung“ geworden. Rettung naht, als in Potsdam das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) aufgebaut werden soll. Die erste Ausstellung, „Marksteine“, wird ein voller Erfolg – und zum Karrieresprungbrett. Denn Hans-Joachim Giersberg, Generaldirektor der Schlösserstiftung, geht vorzeitig in den Ruhestand. „Ich dachte, wenn es einen Traumjob gibt, dann ist es dieser“, erzählt Dorgerloh. „Und bewerben kostet ja nichts.“ Er bekommt den Job. Am 1. August 2002 tritt er offiziell die Nachfolge Giersbergs an. Eine Entscheidung mit privaten Folgen: Dorgerlohs Lebenspartner, Thomas Köstlin, hatte den Generaldirektorenposten interimsmäßig inne und muss nun aus der Schlösserstiftung ausscheiden. „Wir hatten das aber schon vorher geklärt“, sagt Dorgerloh.

Obwohl Giersberg große Fußstapfen hinterlassen hat, wächst sein Nachfolger schnell in die neue Rolle hinein. Dabei macht er sich nicht nur Freunde. An allen Ecken versucht er, Geld aufzutreiben, um den Verfall der Schlösser und Gärten zu stoppen. Dabei erwirbt er sich rasch den Ruf eines Hardliners. Bereits 2004 verprellt er die Öffentlichkeit mit ersten Plänen für einen Parkeintritt. Nach einer Welle der Empörung wird 2005 zunächst ein Eintrittt auf freiwilliger Basis eingeführt. Die jahrelange Weigerung, das Radfahren zumindest auf den asphaltierten Hauptwegen der Parks zuzulassen, kostet Dorgerloh ebenfalls viel Sympathie bei der Bevölkerung. Als die Stiftung beginnt, die Parkordnung mit harter Hand durchzusetzen, eskaliert die Lage. Besucher berichten entsetzt von Parkwächtern, die im Befehlston Anweisungen erteilen und sogar handgreiflich werden. Dorgerloh wirft den Potsdamern seinerseits mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung des Weltkulturerbes vor. Heute räumt er ein, dass die Herangehensweise ein Fehler war. „Ich würde die Diskussion jetzt anders angehen.“ Inzwischen hätten beide Seiten dazugelernt. Dann bringt Dorgerloh die Stiftungsmitarbeiter gegen sich auf: Rund 100 Kassierer, Schlossführer und Reinigungskräftemit werden in 2006 in die neue Servicegesellschaft „Fridericus“ ausgegliedert. Der Streit um einen Haustarifvertrag zieht sich über Monate hin. „Ich habe damals viel Lehrgeld bezahlt“, sagt Dorgerloh.

Sein bislang größter Coup gelingt dem Generaldirektor mit einer Brandrede im Mai 2007. Er prangert den Verfall des Welterbes an und fordert 285 Millionen Euro als Soforthilfe. Die Rede bringt Schlagzeilen – und wirkt. Die drei Stiftungsgeber, der Bund, Berlin und Brandenburg, bewilligen einen 155-Millionen- Euro-Topf, der bis 2017 ausgegeben werden soll. Erst vor kurzem, nach fast achtjährigem Kampf, setzt Dorgerloh schließlich auch den Parkeintritt durch – wenn es Potsdam nicht gelingt, ab 2014 jährlich eine Million Euro aus einer Fremdenverkehrsabgabe für die Parkpflege beizusteuern. Dass die Stadt sich an ihrem größten Wirtschaftsfaktor finanziell beteiligen muss, ist für Dorgerloh ein Erfolg. Der Schutz des Welterbes steht bei ihm an erster Stelle. Die Kritik an seiner Person steckt er weg. „Mit der Zeit“, sagt Dorgerloh, „habe ich gelernt, dass ich das Gesicht der Stiftung bin“.

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