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Potsdam: Volle Beeren

Obstbauer Gerhard Neumann erlebt eine Riesenernte und lädt Tafeln zum kostenlosen Pflücken ein

Von Paul Lütge

Potsdam - Erst der Totalausfall im vergangenen Jahr und nun eine Riesenernte: Die Zeiten haben sich geändert für Obstbauer Gerhard Neumann, sein Erntegarten am Heineberg hinter Bornim hatte noch nie so viele reife Früchte. „Wir haben eine Rekordernte in allen Bereichen“, sagt Neumann. Prachtexemplare von Äpfeln, Himbeeren und zahlreichen anderen Früchten finden sich in seinem Hof im Potsdamer Norden. Das stellt den 79-jährigen Unternehmer auch vor eine Herausforderung: „Wir können so viel Obst gar nicht absetzen – weil wir nicht doppelt so viele Kunden haben!“ Besonders bei den Johannisbeeren eilt aber die Zeit: Da sie in der prallen Sonne hängen, werden sie noch schneller faul und müssen bis Ende des Monats gepflückt werden.

Gerhard Neumann hat sich deshalb nun für eine ungewöhnliche Maßnahme entschieden: Er lädt Tafeln und soziale Einrichtungen zum kostenlosen Pflücken von roten und schwarzen Johannisbeeren sowie Stachelbeeren ein. Nach einem Bericht über die Aktion in der rbb-Sendung „zibb“ haben sich schon die ersten Abnehmer gefunden, wie Neumann am Mittwoch berichtete: „Heute war die Kindergruppe einer kirchlichen Einrichtung hier, die haben umsonst gepflückt.“ Das Angebot gelte aber nur für soziale Einrichtungen, die sich als solche ausweisen können, nicht für Einzelpersonen, betonte er. Die könnten natürlich auch selbst pflücken, bezahlen aber den regulären Kilopreis von vier Euro.

Für Neumann ist es ein persönliches Anliegen, so wenig Obst wie möglich vergammeln zu lassen: „Es wird generell so viel weggeschmissen in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft, davon wollen wir nicht Teil sein. Tafeln können das Obst sehr gut gebrauchen, deswegen geben wir es ihnen lieber kostenlos“, sagte der Gärtner. 1992 eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau Martina den Erntegarten mit Hofladen. Seitdem können dort Kunden selbst ihre Lieblingsfrüchte ernten.

Zum Beispiel die Johannisbeeren, Neumanns Lieblingsfrüchte. Beim Ernten muss niemand pingelig sein, sagt er: „Viele denken, dass Johannisbeeren nur mit grünem Stiel genießbar sind, das stimmt aber nicht.“ Wenn der Stiel ein wenig geschrumpelt ist, sei das sogar gut. „Dann haben die Beeren umso mehr Vitamine und Geschmacksträger.“

Spricht man den Obstbauern auf das vergangene Jahr an, wirkt er enttäuscht – und spricht deutliche Worte. „So beschissen wie letztes Jahr ging es uns noch nie“, sagt er. 80 Prozent der Ernte seien erfroren, an den Schulden habe der Familienbetrieb immer noch zu knabbern. Gleichzeitig sei der schlechte Ertrag im Jahr 2017 aber auch der Grund für das diesjährige Ernteglück. „Die Pflanzen hatten deshalb genug Zeit, viele Hormone und Wachstumsstoffe für dieses Jahr zu sammeln“, sagt Neumann. Auch die diesjährige Hitze ändere daran nichts: „Während der Hitzewelle haben wir die Pflanzen weiterhin sehr gut bewässert.“ Beides zusammen ermögliche den guten Ertrag: „Wir brauchen ja auch warme Temperaturen.“

Der Deutsche Bauernverband DBV stimmt Neumann zu. Entgegen häufigen Annahmen seien die Erträge vieler Obstbauern in Deutschland in diesem Jahr gut. „Der Fall von Herrn Neumann deckt sich mit unseren Erfahrungen“, erklärt Anni Neu vom Deutschen Bauernverband auf Anfrage. „Die Hitzewelle, die wir dieses Jahr erfahren haben, hatte zwar für den Getreideanbau gravierende Folgen. Doch Obstbauern konnten davon teilweise profitieren“, sagt Neu.

Wie berichtet sind viele Landwirte in der Region wegen des ausbleibenden Regens verzweifelt. Der Bauernbund, der Dürrehilfen eigentlich ablehnt, hatte erst Anfang Juli staatliche Hilfen für Landwirte gefordert, so wie zuvor der Deutsche Bauernverband (PNN berichteten).

Anders als in den Vorjahren sei dieses Jahr die Streuung der Erträge jedoch sehr hoch, sagte Anni Neu vom DBV jetzt. „Innerhalb derselben Regionen können zwei Landwirte schon völlig unterschiedliche Erträge haben.“ Obwohl Brandenburg kein typisches Bundesland für Obstanbau ist, seien hier trotzdem immense Erträge möglich.

Für Neumann hat die ertragreiche Ernte auch einen bitteren Beigeschmack: Ein ähnlich hoher Ertrag im nächsten Jahr ist damit praktisch ausgeschlossen. „Leider schränkt die Menge der diesjährigen Früchte die Hormonbildung für die nächste Ernte erheblich ein. Wir müssen also wieder mit Verlusten rechnen“, sagt Neumann. (mit jaha)

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