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Potsdam: Verlorene Pfade der Historie

Der Verein Freunde des Groß Glienicker Kreises rekonstruiert die Geschichte des Ortsteils und Teile des Gutsparks.

Von Birte Förster

Potsdam - Mächtig reckt sich das riesige Potsdamer Tor, der Eingang zum Gutspark in Groß Glienicke, empor. Es gewährt Einlass in ein Areal voller Historie und ist eines von wenigen Überbleibseln aus der Geschichte des Ortes. Weltkriege und DDR-Zeit haben hier ihre Spuren hinterlassen. Der Verein „Freunde des Groß Glienicker Kreises“ bemüht sich um die Aufarbeitung der Ortsgeschichte sowie um die Pflege des Parks. Im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres stellte sich der Verein am Dienstag vor. Das Tor verweist auf die Anfänge des Vereins, der 2003 gegründet wurde, und sich intensiv mit der Geschichte des Ortsteils befasst.

Über zwei Jahrhunderte befand sich der Groß Glienicker Gutshof im Besitz der Familie von Ribbeck, die dort unter anderem einen Barockgarten gestaltete. 1846 übernahm Familie Berger-Landefeld das Grundstück, verwandelte den Garten in einen englischen Landschaftspark und errichtete ein Herrenhaus, das nach Kriegsende 1945 abbrannte, als das Rittergut bereits in den Besitz von Otto Friedrich von Wollank übergegangen war. Dieser war es auch, der 1903 das Potsdamer Tor bauen ließ.

Das Wappen wurde komplett zerstört - das Tor aber gerettet

„Das Tor haben wir gerettet“, sagt Vereinsmitglied Sigrid Dräger stolz. Da Renate Toreck täglich das verfallene Tor durchquerte und dessen Anblick schwer erträglich fand, entschloss sie sich, etwas zu unternehmen. Zunächst entstand zum Ende der DDR-Zeit ein kleiner Arbeitskreis, bald wurde ein Verein daraus. Für die Vereinsgründung habe sie die Initialzündung gegeben, erzählt Toreck. 17 Gründungsmitglieder seien zusammengekommen, inzwischen seien es 50. Endlich konnten sie auch die Restaurierung des Tores in Angriff nehmen. Zusammen mit der Stadt Potsdam, Stiftungen und Spenden kamen die nötigen finanziellen Mittel zusammen. Nur das Wappen in der Mitte des Tores, auf dem einst ein Wolf zu sehen war, wurde komplett zerstört. Warum ist nicht bekannt. Es werde vermutet, dass entweder ein zu großer Wagen der LPG durch das Tor fuhr und das Wappen zerstörte oder, dass es von den sowjetischen Soldaten aus Antipathie gegenüber den Gutsherren herausgerissen wurde, erzählt Vereinsmitglied Dieter Dargies.

Während mit dem Eingangstor bereits ein wichtiges Projekt des Vereins abgeschlossen ist, wartet im Inneren noch viel Arbeit. Der kleine Gutspark ist dicht zugewachsen. Auf schmalen Pfaden geht es durch das satte Grün, erst auf den zweiten Blick, durch Äste und Sträucher hindurch, sind weitere Spuren der besonderen Historie des Ortes zu erkennen. Vom damaligen Rittergut ist nicht viel übrig.

„Alle Teile sind hier stehen geblieben“

Weitere Überbleibsel mitten im Grünen sind ein kleiner, alter Turm mit einem vergitterten Fenster sowie ein gegenüberliegender Brunnen. Ein bisschen märchenhaft mutet das Ganze an. Drum herum haben Vereinsmitglieder vor ein paar Jahren ein Stück des Parks bepflanzt. Auf dem kleinen Abschnitt zwischen Brunnen und Turm finden in Abständen kleine Feiern statt, berichtet Dargies. Das Ziel sei, den Park von Wildwuchs zu befreien. Aber: „Alles ist in den Anfängen stecken geblieben“, so Dargies. Es gebe Pläne für die weitere Gestaltung des Parks, aber die finanziellen Mittel dafür würden fehlen. Auch an Vereinsnachwuchs mangele es, um die Dinge weiter voranzubringen.

Während die Parkpflege derzeit ruhen muss, zeigt sich der Verein an anderer Stelle aktiv. Regelmäßig finden Führungen durch den Park, Vorträge sowie die Theaterreihe „Stimmen im Park“ statt. Derzeit entsteht in Verbindung mit ortsansässigen Künstlern am Uferweg des Groß Glienicker Sees ein Skulpturenpfad. In mehreren veröffentlichen Broschüren hat der Verein außerdem die Geschichte von Groß Glienicke aufgearbeitet. Darunter sind Hefte zum Thema „Groß Glienicke im Wandel der Zeit – vom Rittergut und märkischen Bauerndorf zur Siedlungsgemeinde“ sowie „Jüdische Familien in Groß Glienicke – eine Spurensuche“. Mit großem Aufwand rekonstruierte der Verein die Geschichte von zehn jüdischen Familien, die einst in dem Ortsteil lebten. Ein anderes Thema ist „Groß Glienicke und der Mauerbau“. Tatsächlich liefert ein Besuch des Areals eindrucksvolle Erkenntnisse über den Mauerbau. Das einzige noch in Berlin erhaltene Mauerteil von 1961 – die erste Generation – ist dort zu sehen. Unter den Mauerteilen, die inzwischen von Efeu bewachsen sind, sind die Plattenbauelemente zu erkennen, die anfangs für den Mauerbau verwendet wurden. In unmittelbarer Nähe stehen Mauerteile von 1965, 1970 und 1977. „Alle Teile sind hier stehen geblieben“, sagt Dargies und erzählt, dass der Grenzverlauf anfangs noch nicht definitiv gewesen sei. Das bekamen vor allem diejenigen, die direkt an der Grenze in Groß Glienicke wohnten, zu spüren. Es sei vorgekommen, dass manch einer morgens aufwachte und sich plötzlich im britischen Sektor befand.

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