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Potsdam: Streit um das Zirkus-Wildtierverbot

Potsdam hat 2011 beschlossen, dass stadteigene Grundstücke nicht an Zirkusbetriebe verpachtet werden dürfen, die Wildtiere mit sich führen. Nun droht der Berufsverband der Tierlehrer der Stadt mit einer Klage – und beruft sich auf ein neues Gerichtsurteil.

Potsdam - Seit sechs Jahren dürfen Zirkusse mit Wildtieren nicht mehr auf städtischen Grundstücken gastieren – doch dieser Grundsatz könnte juristisch nun ins Wanken geraten. Das Rathaus hat dieser Tage Post vom Berufsverband der Tierlehrer mit Sitz in Wetter (Hessen) erhalten. Der Zirkus-Lobbyistenverein droht darin mit Klage gegen das aus seiner Sicht rechtswidrige Verbot. 2011 hatten die Stadtverordneten auf Initiative der Grünen beschlossen, dass stadteigene Grundstücken an Zirkusbetriebe nur verpachtet werden dürfen, wenn diese keine Wildtiere mit sich führen. Seitdem sind solche Zirkusse auf private Flächen angewiesen, wenn sie in Potsdam auftreten wollen. Auch in anderen Städten Deutschlands gelten solche Regelungen im Sinne des Tierschutzes. Der Tierlehrerverband beruft sich nun auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in Niedersachsen, „welches eindeutig unsere Auffassung bestätigt, dass solche Verbotsbeschlüsse durch Kommunen unzulässig sind und gegen geltendes Recht verstoßen“, wie es in dem Brief heißt.

Das Urteil stammt von Anfang März, wie das Gericht mitteilte. Die Vorgeschichte: Ein deutsches Zirkusunternehmen, der Zirkus Charles Knie, hatte bei der Stadt Hameln beantragt, Anfang April für vier Tage einen städtischen Platz für ein Gastspiel nutzen zu können, bei dem auch Zebras, Lamas und Kängurus gezeigt werden sollten. Diesen Antrag lehnte das Rathaus Hameln ab. Denn auch dort hatte der Rat der Stadt im Juni 2016 beschlossen, dass kommunale Flächen nur noch für Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden sollen, die keine Tiere wildlebender Arten mit sich führen – also ein Beschluss, wie er auch in Potsdam gilt. In Hameln aber klagte der Zirkus und gewann in erster Instanz. Die Stadt legte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein. Doch ohne Erfolg: Laut dem Urteil dürfe eine Kommune einem reisenden Zirkusunternehmen, das über eine tierschutzrechtliche Erlaubnis zum Mitführen von Wildtieren verfügt, die Überlassung kommunaler Flächen nicht aus tierschutzrechtlichen Gründen versagen. Zudem greife das „Wildtierverbot“ auch unzulässig in die Freiheit der Berufsausübung von Zirkusunternehmen ein, so das Gericht. Und weiter: „Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.“

Stadt Potsdam muss mit Klagen rechnen

Dieses Urteil führt nun auch der Tierlehrerverband gegenüber dem Potsdamer Rathaus ins Feld. Man gehe davon aus, dass das Verbot umgehend aufgehoben wird, „ansonsten müssen Sie mit Klagen der jeweils unmittelbar betroffenen Circusunternehmen und diverser Verbände rechnen, die durch das eindeutige und richtungsweisende Urteil von Lüneburg beste Aussichten auf Erfolg haben werden“, heißt es in dem Schreiben.

Alarmiert reagieren die Grünen. Ihr Fraktionsgeschäftsführer Andreas Walter hat bereits eine Kleine Anfrage an die Stadtverwaltung formuliert, wie man im Rathaus nun mit den unmissverständlichen Drohungen umgehen wolle. Im Rathaus verursacht der Brief der Zirkus-Lobbyisten einen nicht ganz so hohen Puls. Einer Klage sehe man gelassen entgegen, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow. Man müsse zunächst prüfen, ob das Urteil überhaupt auf Potsdam übertragbar sei. Die Stadt und ihre Unternehmen hätten ohnehin keine geeigneten Flächen für Zirkusse, das gelte für jedwede Art dieser Betriebe, egal, ob sie Wildtiere für ihre Darbietungen nutzten oder nicht. Zudem dürften Zirkusse mit Tieren wie Hunden, Katzen, Esel, Pferden, Lamas und Zebras auch auf öffentlichen Flächen gastieren, wenn es denn welche gäbe. Zum Wildtierverbot zählten laut Stadtverordnetenbeschluss lediglich Tiere, die Zirkusse heutzutage ohnehin kaum mit sich führten (siehe unten).

Auch bei Zirkussen ohne Wildtiere gibt es Probleme

Doch auch bei Zirkussen, die nicht unter das Wildtierverbot fallen, gibt es Probleme. Erst im Februar hatte die Verwaltung auf Anfrage der AfD-Fraktion erklärt, dass das Veterinäramt bei Kontrollen in Zirkusbetrieben zwischen 2011 und 2015 in knapp der Hälfte der Fälle Beanstandungen gehabt hatte. Unter anderem gab es Mängel beim Pflegezustand und bei der Größe der Tiergehege, in anderen Fällen waren die Gastspiele nicht angemeldet worden. In einem Fall wurde ein Auftrittsverbot ausgesprochen. Details zu den beanstandeten Betrieben nannte die Stadt nicht.

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HINTERGRUND: Das Potsdamer Wildtierverbot in Zirkussen ist am 4. Mai 2011 beschlossen worden. Die PNN dokumentieren den Wortlaut: „Der Oberbürgermeister hat Einvernehmen herzustellen, dass bei der Verpachtung von stadteigenen Grundstücken und Grundstücken der städtischen Eigengesellschaften an Zirkusbetriebe und ähnliche Veranstalter insbesondere folgende Wildtiere nicht mitgeführt, ausgestellt und zu Auftritten genutzt werden:

1. Alligatoren und Krokodile, Antilopen und antilopenartige Tiere, Amphibien, Bären, Delfine, Elefantenbullen, Flamingos, Flusspferde, Giraffen, Greifvögel, Menschenaffen, Nashörner, Pinguine, Riesenschlangen, Tümmler und Wölfe.

2. Der Ausschluss solcher Tiere soll durch entsprechende Regelungen in den mit den Veranstaltern zu schließenden Pachtverträgen sichergestellt werden.“

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