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Die Eigentumsverhältnisse an der "Uferzone Griebnitzsee" laut des vormaligen Bebauungsplanes.

© PNN

Potsdam scheitert vor Gericht: Freier Uferweg am Griebnitzsee fraglicher denn je

Nach der juristischen Niederlage der Stadt im Griebnitzsee-Uferstreit liegt nun die Urteilsbegründung vor. Sie lässt Potsdam wenig Spielraum für einen dritten Versuch.

Babelsberg - Die Chancen der Stadt Potsdam, einen freien Uferweg am Griebnitzsee durchzusetzen, sind äußerst gering. Denn das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg setzt dem Rathaus unter Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hohe Hürden, sollte die Stadtverwaltung erneut einen Bebauungsplan für einen freien Spazierweg am Ufer auflegen wollen. Das geht aus der den PNN vorliegenden Urteilsbegründung hervor. Vor zwei Monaten hatte das OVG das Urteil gesprochen. Ob das Rathaus nach der Niederlage vor Gericht nun noch einmal Anlauf nimmt, den Uferweg gegen die den Weg sperrenden Anrainer durchzusetzen, ist weiterhin offen.

In dem Urteil hatte das OVG den B-Plan 125 „Uferzone Griebnitzsee“ für unwirksam erklärt und damit eine ähnliche Entscheidung wie schon 2009 getroffen. In der 32-seitigen Begründung, über die zuerst der Sender rbb berichtet hat, werden die Versäumnisse der Stadt aufgelistet. Vor allem habe die Bauverwaltung „nicht hinreichend ermittelt und bewertet, in welchem Umfang das Eigentum der von den Festsetzungen des Bebauungsplans betroffenen Grundstückseigentümer beeinträchtigt ist“.

Der Plan sah vor, den knapp drei Kilometer langen Uferstreifen zwischen dem S-Bahnhof Griebnitzsee und dem Schloss Babelsberg für die Öffentlichkeit wieder komplett freizugeben – gegen den Willen einiger Anrainer, die ihre einst erworbenen Grundstücke nicht mit der Allgemeinheit teilen wollen. Seit den ersten Sperrungen 2009 hatte die Stadt den frühere Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen wieder öffnen wollen, der seit Maueröffnung von Radfahrern und Spaziergängern genutzt wurde, ohne dass er tatsächlich als Weg in einem B-Plan festgeschrieben war.

Dies hatte die Stadt mit dem zweifach gescheiterten Planwerk korrigieren wollen. Das Gericht bescheinigt der Stadt dabei nun, die „zu erwartenden vielfältigen Eigentumsbeeinträchtigungen“ für die Anrainer „im Ansatz erkannt“ zu haben, etwa das die „Villengrundstücke ihren unmittelbaren Seezugang verlieren“. Allerdings sei der „konkrete Umfang des Betroffenseins“ der Privatbelange der Eigentümer nicht genügend ermittelt worden.

Mögliche Zugang auf Privatgrundstücke

Als ein markantes Beispiel führt der 2. Senat des OVG unter Vizepräsidentin Dagmar Merz die Interessen der Anrainer „am Schutz vor Einbrüchen und an der Wahrung ihrer Privatsphäre“ an, die vom Rathaus nicht zutreffend bewertet worden seien. So erlaube der B-Plan, dass eben viele Grundstücke von der Uferseite her zugänglich wären – was sie jetzt nicht sind. „Der Uferweg erleichtert es bei lebensnaher Betrachtung, unbemerkt auf ein Grundstück zu gelangen“, so das Gericht. Eine von der Stadt angeführte Stellungnahme der Polizei aus dem Jahr 2011, man gehe nicht von einer erhöhten Gefährdungslage aus, lässt das Gericht nicht gelten – ein „bloßer Vergleich der Anzahl von Einbruchsdiebstählen in den Zeiträumen vor und nach der Schließung des Uferwegs“ reiche jedenfalls nicht. Nicht gedeckt sei zudem die im B-Plan getroffene Feststellung, ein maximal 1,50 Meter hoher Zaun biete „ausreichend Sicherheit, um potentielle Täter, die sich überhaupt von Zäunen abschrecken lassen, abzuhalten“, moniert das Gericht. Dies sei bereits 2017 von den Klägern „hinreichend substanziiert gerügt“ worden. Ferner sieht es das Gericht als unklar an, ob die Eigentümer hinter dem Zaun noch eine Hecke hätten pflanzen dürfen.

Warnung bereits Ende 2017

Schon seit Jahren hatte die Stadt um den Weg gekämpft, zwischendurch sollte wie berichtet ein erfahrener Mediator eine Lösung bringen. Auch das war gescheitert – doch der dafür eingesetzte Verwaltungsjurist Karsten-Michael Ortloff hatte bereits Ende 2017 vor einem für Potsdam ungewissen Ausgang des Rechtsstreits gewarnt und erklärt, es sei zweifelhaft, ob sich die Wiederherstellung des Weges mittels umfangreicher Enteignungen durchsetzen lasse – dafür wäre der B-Plan die Grundlage gewesen.

Auch an anderen Teilen des Planwerks übt das OVG Kritik. So habe die Stadt nicht geprüft, „ inwieweit sich die Gartenflächen in der Nähe des Uferwegs beidseitig überhaupt noch für eine private Gartennutzung eignen“. Ferner seien auch die „öffentlichen Belange des Bodenschutzes nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht berücksichtigt“ worden. Selbst die Öffentlichkeitsbeteiligung für die erste B-Plan-Version von 2012 wird als fehlerhaft kritisiert. Eine weitere, aus Sicht der Stadt verbesserte Version des Planwerks von 2016 leide „an den gleichen oder ähnlichen Abwägungs- bzw. Bewertungsfehlern“ wie schon 2012, stellt das Gericht fest. Zugleich seien die aufgelisteten Fehler ohne Anspruch auf Vollständigkeit, betont das Gericht: „Ob der Bebauungsplan wegen weiterer Fehler unwirksam ist, bleibt mit der vorliegenden Entscheidung offen.“ Kurz: Das Gericht hat gar nicht mehr jedes Detail des Planwerks auf weitere Fehler geprüft.

Reaktion der Stadt offen

Wie die Stadt mit dem Urteil umgeht, gegen das keine Revision zugelassen ist, bleibt offen. Die Auswertung des Urteils sei noch nicht abgeschlossen, sagte ein Rathaussprecher auf Anfrage: „Sobald dies erfolgt ist, informieren wir zeitnah in der Stadtverordnetenversammlung über Konsequenzen und das weitere Verfahren.“ Unbeantwortet blieb die Frage, wie teuer das Scheitern war. In dem Urteil heißt es, die Stadt müsse die Kosten des Verfahrens tragen – dabei geht es auch um die Anwälte der 20 Kläger.

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