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Potsdams Bauboom ist im Borndstedter Feld zu beobachten.

© S. Gabsch

Potsdam: Schattenseiten des Baubooms

Potsdams große öffentliche Auftraggeber beklagen Verzögerungen und höhere Kosten. Doch eine Lösung gibt es vorerst nicht

Von Peer Straube

Potsdam - Kräne bestimmen die Silhouette der Stadt, man sieht Baugerüste allerorten, die Auftragsbücher der Baufirmen sind zum Bersten gefüllt – auch in Potsdam brummt die Konjunktur seit Jahren, die Baubranche erlebt einen Boom sondergleichen. Die Folgen sind nicht nur positiv: Bauherren klagen zunehmend über Engpässe auf dem Markt, die teils dramatische – und in aller Regel finanzielle – Auswirkungen haben. Die PNN haben bei einigen großen Auftraggebern in Potsdam nachgefragt.

Schlösserstiftung

Dank zweier üppiger Sonderinvestitionsprogramme – insgesamt 555 Millionen Euro, verteilt auf knapp 25 Jahre – ist die Schlösserstiftung noch auf lange Sicht einer der größten Bauherren in der Landeshauptstadt. Doch die Schwierigkeiten, gute Fachfirmen zu marktüblichen Preisen zu bekommen, sind schon jetzt enorm „und sie verschärfen sich von Jahr zu Jahr“, sagt Ayhan Ayrilmaz, der Architekturchef der Stiftung ist und zudem die gewaltigen Sanierungsprojekte koordiniert. Als öffentlicher Auftraggeber ist die Stiftung gezwungen, Leistungen zumeist europaweit auszuschreiben. Weil die Firmen aber ausgelastet sind, „bekommen wir inzwischen völlig überteuerte Angebote, die weit über den Schätzkosten liegen“, sagt Ayrilmaz.

Oder, im schlimmsten Fall, kommen gar keine. Dann versuche die Stiftung, die Projektkosten zu senken, also bei eigentlich notwendigen Arbeiten irgendwo zu sparen – und dann neu auszuschreiben. Das alles kostet Zeit und damit auch Geld. Denn wenn ein Gewerk plötzlich fehlt, bringt das den Bauablauf durcheinander mit der Folge, dass die anderen Firmen ihrerseits Mehrkosten geltend machen, weil sich die Zeit, die sie auf der Baustelle verbringen, deutlich verlängert. Ein weiteres Problem sind Insolvenzen. Trotz guter Auftragslage nehmen nicht wenige Unternehmen mehr Aufträge an, als sie abzuarbeiten imstande sind. „Sie übernehmen sich einfach“, sagt Ayrilmaz. Beim Neubau des Wissenschafts- und Restaurierungszentrums (WRZ) in der Zimmerstraße seien drei bis vier Unternehmen und das Planungsbüro pleitegegangen.

Im Schloss Cecilienhof traf es die Dachdeckerfirma. Das kostet Zeit – im Falle von Cecilienhof ein halbes Jahr Bauverzug –, Geld und die Gewährleistung, weil neu beauftragte Firmen nicht für mögliche Fehler ihrer insolventen Vorgänger haften. Ein zusätzliches Problem sind die Baupreissteigerungen von drei bis vier Prozent pro Jahr. So entsteht insgesamt ein Schaden, der sich laut Ayrilmaz zwar schwer beziffern lässt, aber sicher in die Millionen gehen dürfte. Die Stiftung hat nun reagiert: Im zweiten, 2018 anlaufenden Sanierungsprogramm, für das der Bund, Brandenburg und Berlin 400 Millionen Euro bereitgestellt haben, ist ein finanzieller Puffer eingebaut. Eine negative Folge gibt es aber auch hier: Eigentlich hatte die Stiftung viel mehr Projekte in Angriff nehmen wollen, musste aber streichen. 15 Vorhaben stehen auf der Nachrückerliste. Läuft es besser als gedacht, haben sie eine Chance, wenn nicht, müssen sie wohl auf ein drittes Investitionsprogramm warten. Das käme aber erst nach 2030.

Pro Potsdam

Ähnliche, wenn auch nicht komplett gleiche Erfahrungen hat die Pro Potsdam gemacht. Die städtische Bauholding ist mit rund 17 000 Wohnungen größter Vermieter der Stadt und hat ein umfangreiches Neubauprogramm zu bewältigen. Den leergefegten Markt im Bausektor hat die Pro Potsdam in diesem Jahr besonders zu spüren bekommen. Zehn Ausschreibungen habe man wegen Unwirtschaftlichkeit aufheben müssen, sagte Hochbauchefin Petra Runge den PNN. Bei zweien seien gar keine Angebote eingegangen, bei den anderen hätten die Preise im Schnitt um fast ein Drittel höher gelegen als die Kostenberechnung des Unternehmens. Erste Konsequenzen gibt es bereits. So habe sich der Sanierungsstart bei der Brauhausberg-Siedlung um zwei Monate verzögert, so Runge. Neubauvorhaben seien zwar noch nicht betroffen, dennoch bereite man sich vor. Bei künftigen Planungen werde ein zeitlicher Puffer eingebaut, um im Zweifel auch ein zweites Mal ausschreiben zu können.

Die einzige andere Einflussmöglichkeit bestehe darin, Kosten zu reduzieren, etwa indem man die Planung für mehrere große Bauvorhaben vereinheitlicht. Wie groß der finanzielle Mehraufwand durch Kostensteigerungen und die hohe Auslastung in der Baubranche ist, lasse sich noch nicht beziffern, sagte Runge. „Wir werden die Entwicklung aber genau beobachten.“ Die aufgrund anhaltender Niedrigzinspolitik weiterhin guten Darlehenskonditionen würden jedenfalls „vom Markt komplett aufgefressen“. Gingen die Preissteigerungen im Bausektor so weiter, werde vor allem der Wohnungsbau eines Tages nicht mehr finanzierbar sein, warnte Runge.

Kommunaler Immobilienservice (Kis)

Der Kommunale Immobilienservice (Kis), der die städtischen Liegenschaften verwaltet und unter anderem für den Bau von Schulen und Kitas zuständig ist, hat die Auswirkungen des Baubooms ebenfalls bereits zu spüren bekommen. „Die Lage ist ernst“, sagte Kis-Chef Bernd Richter auf Anfrage. Wenn die Entwicklung so weitergehe, werde das Auswirkungen haben. Entweder die Bauvorhaben dauerten länger oder sie würden teurer. Beispiele für Verzögerungen hatte Richter bereits im jüngsten Bildungsausschuss genannt. Wegen Kapazitätsproblemen einer Baufirma können die jetzt noch von der Zeppelin-Grundschule genutzten Container erst nach den Ferien zur Schilfhof-Gesamtschule umziehen.

Bei der Grundschule im Bornstedter Feld gibt es ebenfalls Probleme bei der Ausschreibung, in der Goethe-Grundschule verzögert sich der Einbau eines Speiseaufzugs. Ein genaueres Bild von den finanziellen Folgen werde man sich wohl erst im nächsten Jahr machen können, erklärte Richter. Dass es welche geben wird, ist zumindest wahrscheinlich: Allein in den kommenden vier Jahren plant der Kis Ausgaben von rund 250 Millionen Euro. Angesichts des anhaltenden Wachstums der Stadt gibt es wenig Spielraum. Schul- oder Kitaneubauten zurückzustellen, sei keine Option. „Im Zweifel wird es dann eben teurer.“

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Kommentar: Es kann nicht immer weiter gehen: Auch wenn Potsdam immer schneller wächst, werden bereits jetzt Grenzen des Booms erreicht, meint PNN-Autorin Jana Haase in ihrem Kommentar. 

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