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Potsdam: Nein zum Parkeintritt, klares Ja zur Garnisonkirche

Mercure-Abriss, Wiederaufbau der Garnisonkirche, Parkeintritt für Sanssouci: Wir haben unsere Leser befragt, wie sie zu den aktuell größten Potsdamer Streitthemen stehen. Die Resonanz war groß, die Ergebnisse überraschen.

Von Peer Straube

Mercure-Abriss, Wiederaufbau der Garnisonkirche, Parkeintritt für Sanssouci: Zum 65. Jubiläum der Potsdamer Neuesten Nachrichten haben wir unsere Leser befragt, wie sie zu den aktuell größten Potsdamer Streitthemen stehen. Die Resonanz war groß – 1158 Potsdamer und 238 Mittelmärker haben sich an der Umfrage beteiligt. Und die Ergebnisse sind zum Teil durchaus überraschend. Ein Überblick.

Soll der Eintritt in den Park Sanssouci künftig Geld kosten?

Seit Jahren wird in Potsdam über einen möglichen Pflichteintritt für den Park Sanssouci gestritten. Seit 2014 überweist Stadtkämmerer Burkhard Exner (SPD) jährlich eine Million Euro auf das Konto der Schlösserstiftung, damit der Park für alle Besucher kostenlos bleibt. Der Stiftungsrat der Schlösserstiftung hatte den städtischen Obolus seinerzeit zur Bedingung gemacht. Hätte sich die Stadt verweigert, wäre ein Pflichteintritt in Höhe von zwei Euro pro Besuch bereits damals erhoben worden. Mit dem kommunalen Geld deckt die Schlösserstiftung einen Teil des jährlichen Pflegedefizits im wichtigsten der drei Potsdamer Welterbeparks ab.

Wir wollten von unseren Lesern wissen, ob sie bereit sind, für eine verbesserte Parkpflege einen Pflichteintritt für Sanssouci zu akzeptieren. Das Ergebnis fällt überraschend knapp aus. Zwar lehnen 745 Umfrageteilnehmer einen Parkeintritt ab. Das entspricht mit 53,4 Prozent der Mehrheit der Befragten. Doch die Zahl der Befürworter ist mit 641 (45,9 Prozent) nur unwesentlich geringer. „Ich hätte mir da schon ein etwas deutlicheres Ergebnis gewünscht“, sagte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg den PNN. Dennoch zeige die Umfrage, dass in der Stadt eine Mehrheit gegen den Parkeintritt sei. Die Linke ist bekanntlich ebenfalls strikt gegen diesen Plan. Ein kostenloser Parkbesuch für alle Menschen sei eine „wichtige Errungenschaft, die die Attraktivität der Stadt steigert“, so Scharfenberg.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sprach gegenüber den PNN von einem „interessanten Ergebnis“. Mit einer Wertung wolle er allerdings abwarten, bis das Ergebnis der Rathausumfrage vorliegt, die die Stadt im September gestartet hatte. Dabei sollen die Potsdamer wie berichtet nicht nur Auskunft über ihre Haltung zum Parkeintritt geben, sondern auch zu ihren Aktivitäten im Park, was die geduldeten oder sogar ausdrücklich verbotenen, wie Wintersport, Baden oder Picknicken auf Wiesen, einschließt. Im Dezember sollen die Ergebnisse vorliegen. „Ich bin gespannt, ob unsere Umfrage die Zahlen der PNN bestätigen wird“, sagte Jakobs. Auf deren Basis will die Stadt mit der Schlösserstiftung über das weitere Vorgehen beraten.

Klar ist allerdings schon jetzt: Die einst stabile politische Mehrheit für weitere jährliche Millionenüberweisungen an die Stiftung schwindet. Im Frühjahr hatte sich bereits Exner gegen eine Fortführung der Zahlungen über 2018 hinaus – in jenem Jahr endet der Vertrag mit der Stiftung – ausgesprochen.

CDU und Grüne weiß Exner bereits hinter sich. Die SPD will zwar noch das Umfrageergebnis abwarten, allzu viel Sympathie hegt man aber auch bei den Sozialdemokraten nicht mehr für einen Beitrag aus der Stadtkasse für die Sanssouci-Pflege – schließlich hat die Stadt angesichts des ungebremsten Wachstums genug eigene Aufgaben zu schultern, für die ebenfalls gewaltige Millionensummen nötig sind.

Soll die Garnisonkirche wieder aufgebaut werden?

Wirklich überraschend ist angesichts des mehr als zehn Jahre währenden Streits um die Garnisonkirche die breite Zustimmung der Umfrageteilnehmer zum geplanten Wiederaufbau des einstigen Potsdamer Wahrzeichens. Insgesamt 1068 Befragte, das entspricht 76,4 Prozent, befürworten das Projekt, nur 294 (21,1 Prozent) sind dagegen. Von den Fürsprechern sind 34,1 Prozent sogar für einen komplett originalgetreuen Wiederaufbau, also inklusive Kirchenschiff. Weitere 42,3 Prozent wollen hingegen, dass nur der Turm in seiner historischen barocken Gestalt wiederersteht.

Letzteres ist im Übrigen auch so vorgesehen: Wie berichtet hatte sich die Fördergesellschaft, die für das Vorhaben Spenden sammelt, im Frühjahr von einem vollständig originalgetreuen Wiederaufbau des Bauwerks verabschiedet und will sich zunächst auf den barocken Turm beschränken. Dieser Schritt war eine Bedingung der Evangelischen Landeskirche, die daraufhin ein Darlehen in Höhe von 3,25 Millionen Euro gewährte und sich bei der Frage eines späteren Wiederaufbaus des Kirchenschiffs ein Mitspracherecht sicherte – nicht zuletzt in Architekturfragen. Einen weiteren Kredit über 1,5 Millionen Euro gewährte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).

Kommt der Beschluss zustande, schrumpft die Deckungslücke bei der Finanzierung des Vorhabens auf gut eine halbe Million Euro. Wenn sie komplett geschlossen ist, will die Garnisonkirchen-Stiftung beim Bund einen Förderantrag stellen, um die in Aussicht gestellten zwölf Millionen Euro zu bekommen, die als Anschubfinanzierung für das als von „nationaler Bedeutung“ eingestufte Projekt dienen sollen. Wie berichtet ist zunächst eine abgespeckte Variante ohne Turmhelm und barocke Verzierungen geplant, die 26,1 Millionen Euro kosten soll. Im Herbst 2017 soll Baustart sein. Die Zeit drängt: Da die Baugenehmigung für den Turm Ende 2019 abläuft, muss das Bauwerk nach brandenburgischem Baurecht spätestens ein Jahr später fertiggestellt sein.

Er freue sich, „dass eine so deutliche Mehrheit der Potsdamer“ sich für den Wiederaufbau ausgesprochen habe, sagte Jakobs. Zurückhaltender äußerte sich Scharfenberg. Wichtig sei, dass keine öffentlichen Mittel in das Vorhaben flössen, mahnte er an. Zudem müsse sich bei einem kompletten Wiederaufbau der geschichtliche Bruch auch in der Architektur widerspiegeln.

In der Kritik steht der Wiederaufbau vor allem wegen des sogenannten Tags von Potsdam am 21. März 1933, an dem sich Hitler und Reichspräsident Hindenburg vor der Garnisonkirche die Hand schüttelten. Die Garnisonkirchen-Stiftung will in dem wiederaufgebauten Turm ein Versöhnungszentrum einrichten, in dem auch an diese dunkelste Epoche der deutschen Geschichte erinnert wird.

Wichtig sei aber, dass nicht nur die Historie der Widerständler des 20. Juli 1944 thematisiert werde, deren Hauskirche die Garnisonkirche war, erklärte Scharfenberg. In einem Versöhnungszentrum müsse die Geschichte des gesamten Widerstandes gezeigt werden, auch die des kommunistischen, forderte Scharfenberg.

Soll die Stadt das Mercure kaufen, um es dann abzureißen?

Als die PNN im Frühjahr die Umfrage starteten, stand das Schicksal des umstrittenen Mercure-Hotels politisch noch auf der Kippe. Damals hatte eine Mehrheit der Stadtverordneten dafür gestimmt, als Sanierungsziel für das Mercure-Grundstück eine „Wiese des Volkes“ festzusetzen und grünes Licht für Verhandlungen über einen Ankauf und späteren Abriss des DDR-Hochhauses gegeben, gebunden allerdings an die Voraussetzung eines schlüssigen Finanzierungskonzeptes.

Gegen diese Pläne haben sich 1069 Umfrageteilnehmer ausgesprochen, 76,6 Prozent lehnen Kauf und Abriss demnach ab. Nur 313 Befragte (22,4 Prozent) sprachen sich dafür aus, dass die Stadt das Gebäude erwirbt und anschließend schleift. Ein Prozent der Teilnehmer enthielt sich der Stimme.

Inzwischen allerdings haben sich die Vorzeichen geändert. Wie berichtet haben die Stadtverordneten im September beschlossen, dass Kauf und Abriss des Mercure-Hotels, das einem französischen Konzern gehört, zunächst nicht weiter betrieben werden sollen. Das Votum war Bestandteil eines historischen Konsensbeschlusses, den Jakobs und Scharfenberg gemeinsam eingefädelt hatten. Er ermöglicht die weitere Umgestaltung der Potsdamer Mitte auf den Grundstücken der aus DDR-Zeiten stammenden Fachhochschule und des Staudenhofs. Erstere soll Ende 2017 abgerissen werden, der Staudenhof nach 2022. Stattdessen sollen drei neue Karrees in der historischen Stadtstruktur, zum Teil mit Leitfassaden, entstehen, in einem Großteil davon sollen Sozialwohnungen geschaffen werden. Im Gegenzug stellt die Stadt ihre Mercure-Pläne hinten an. Das Ergebnis der PNN-Umfrage zeige, „dass wir eine kluge Entscheidung getroffen haben“, sagte Oppositionschef Scharfenberg. Das deutliche Nein zu einem Abriss bestätige, dass die Beschlusslage „in Übereinstimmung mit der mehrheitlichen Meinung der Bevölkerung“ stehe.

Hintergrund: Das erste umfassende Meinungsbild

Die große Meinungsumfrage der Potsdamer Neuesten Nachrichten startete im Frühjahr anlässlich des 65. Jubiläums unserer Zeitung. Der Umfragebogen samt Anschreiben der PNN-Chefredaktion war unserer Sonntagszeitung „Potsdam am Sonntag“ beigelegt – sie wird allen Haushalten in Potsdam und in den umliegenden Gemeinden in Potsdam-Mittelmark zugestellt. Zudem war der Umfragebogen bei den PNN erhältlich und wurde an Info-Ständen ausgegeben. Die Teilnahme war jedem Potsdamer und Mittelmärker möglich. Gewertet wurden nur Umfrageteilnehmer, die ihren Namen und ihre vollständige Postadresse angegeben hatten. Mit dieser Angabe und ihrer Teilnahme an der Umfrage gingen die Potsdamer und Mittelmärker keine weitere Verpflichtung ein; es waren weder Werbesendungen noch andere Nutzungen der Daten daran geknüpft. Unter den Teilnehmern wurden über ein Gewinnspiel Preise ausgelost. Die Umfrage lief bis zum 31. Juli 2016.

Teilgenommen haben insgesamt 1396 Leser – 1158 aus Potsdam, 238 aus Potsdam-Mittelmark.

Offiziell repräsentativ ist die Umfrage nicht, da sie nicht von einem Meinungsforschungsinstitut oder anderen Experten begleitet wurde und auch die Teilnehmer der Umfrage nicht ausgesucht worden, sondern sich selbst entscheidenkonnten, mitzumachen.

Mit mehr als tausend Potsdamer Teilnehmern sind die Ergebnisse allerdings durchausgewichtig und als aussagekräftig zu werten.

Die Umfrage ist das erste umfassende Meinungsbild, das zu den großen Streitthemen der Potsdamer Stadtentwicklung vorliegt. Eine repräsentative Umfrage zu diesen Themen gab es bislang nicht – weder von der Stadtverwaltung oder politischen Parteien. SCH

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