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Potsdam Museum: Ausstellung über die Rote Armee in Potsdam

Eine neue Schau im Potsdam Museum spürt 25 Jahre nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland dem Leben der damaligen Soldaten nach.

Potsdam - Große Flächen auf diesem Potsdamer Stadtplan sind farbig gekennzeichnet. Fast das ganze Stadtgebiet ist hier ein rot durchwirkter Flickenteppich. Alle diese Areale, markiert mit der Farbe des Kommunismus, waren in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt worden. Die Besatzer benötigten schließlich Kasernen, Verwaltungsbauten und Wohnhäuser. Deutsche Bürger hatten dort normalerweise keinen Zutritt. Rot gemalt sind auf dieser Karte unter anderem der Neue Garten und die westlich daran angrenzende Fläche, große Teile des Bornstedter Feldes, die Roten Kasernen, der Luftschiffhafen, ein Teil von Hermannswerder und noch viele weitere Flächen mehr – unter anderem auch das heutige Gelände der Universität in Griebnitzsee, wo sich in den ersten Nachkriegsjahren das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland befand, bevor es später nach Wünsdorf zog. Viele dieser Flächen wurden schon zu DDR-Zeiten von den Sowjets wieder geräumt.

Dieser Plan von Potsdam ist das zentrale Installationsobjekt in der neuen Sonderausstellung des Potsdam Museums, die sich den sowjetischen beziehungsweise russischen Truppen widmet, die in der Zeit von 1945 bis 1994 hier stationiert waren. Die Schau „Potsdam unter dem Roten Stern“ ist vom heutigen Donnerstag an bis zum 8. Dezember im Alten Rathaus zu sehen. Während der Untertitel „Hinterlassenschaften der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 bis 1994“ heute so manche Menschen wohl eher an die von den Sowjets im Erdreich zurückgelassenen Umweltgifte denken lässt, haben die Ausstellungsmacher um Kurator Hannes Wittenberg vom Potsdam Museum vor allem den Alltag der sowjetischen Soldaten in Potsdam in den Blick genommen. Fotos in der Ausstellung zeigen die Militärangehörigen in ihren Kasernen. Ein großer Teil dieser Bilder wurde Anfang der 1990er-Jahre aufgenommen. 1994 zogen die letzten Soldaten ab.

Über das Alltagsleben ist wenig bekannt

Geradezu als ein Symbolbild für diese Zeit des politischen Umbruchs in Europa und die damit einhergehende Unsicherheit kann ein unscheinbares Foto gelten, das in der neuen Ausstellung zu sehen ist. Die Fotografin Susanne Müller bekam zu Beginn der 1990er-Jahre zwei junge Soldaten in Nedlitz vor ihr Objektiv. Während einer der beiden Militärs verschmitzt in Richtung der Fotografin schaut, die Zunge bübisch knapp zwischen die Lippen geschoben, blickt der andere verunsichert oder vielleicht auch ablehnend zur Seite. Aufbruch und Resignation, Hoffnung und Unbehagen – dies konnte in diesen stürmischen Zeiten des Wandels nahe beieinander liegen.

Doch im Grunde ist auch heute noch wenig bekannt über den Alltag der sowjetischen Soldaten in der DDR, sagt Hannes Wittenberg. Es sei damals außerhalb der Kasernenmauern „weitestgehend unbekannt“ gewesen, was sich innerhalb der Kasernen abspielte, blickt Wittenberg zurück. Die sowjetischen Militärs lebten relativ abgeschirmt in ihren Gebieten. Zu Kontakten zwischen Deutschen in der DDR und den Besatzungssoldaten kam es nur in geringem Maße. Immerhin: „Es gab einen Tauschhandel an den Kasernentoren“, so Wittenberg. Man handelte etwa mit Abzeichen und Zigaretten – und auch mit Dingen, die einen heute erstaunen lassen: „Das war durchaus üblich, dass man dort auch Munition bekam“, berichtet der Ausstellungskurator. Beliebt bei den deutschen Bewohnern auch die sogenannten Russenmagazine, also Läden der Streitkräfte, in denen man Waren kaufen konnte, die es in der DDR nicht oder nur schwer gab, etwa Kaviar, süße Kondensmilch, Südfrüchte und russisches Konfekt.

Einige Hinterlassenschaften konnten gesichert werden

Aber weil eben so vieles, was die sowjetischen Truppen in der DDR und damit auch in Potsdam, taten, bis heute nicht bekannt ist, sei die neue Ausstellung „nicht umfassend“, räumt der Kurator ein. Doch immerhin konnte Wittenberg gemeinsam mit dem 2009 verstorbenen Peter Herrmann vom Potsdam Museum Mitte der 1990er-Jahre noch viele Gegenstände für das Museum sichern, die von den russischen Truppen in der Brandenburgischen Landeshauptstadt zurückgelassen wurden. So wird in der neuen Schau, die von der Firma freybeuter gestaltet wurde, auch eine über 100 Jahre alte Metallkassette gezeigt, die im „Militärstädtchen Nummer 7“, einem sowjetischen Geheimdienstareal zwischen dem Neuen Garten und dem Pfingstberg, nach dem Abzug der Truppen gefunden wurde. Vermutlich hatte man das Gefäß bis 1945 zum Transport von Wehrsold genutzt. Als das russische Relikt 1994 geborgen wurde, fand man darin kein Geld mehr, sondern: nagelneue Stiefelabsätze.

Das karge Leben der Soldaten wird an den originalen in der Schau aufgebauten Betten der Militärs deutlich. In ihrem Nachtschrank hatten die Soldaten ihre Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, eine Tasse, Schuhcreme und eine Schuhbürste deponiert. Und damit auch alles seine militärische Ordnung hatte, waren in den jeweiligen Fächern sogar Papierbögen eingelegt, auf denen die Umrisse der Utensilien aufgezeichnet waren. Die Gegenstände waren genau dort abzulegen.

In der Schau, durch die sich der rote Sowjetstern markant durchzieht, ist auch ein Album zu sehen, das Fotos vom sowjetischen Kasernenalltag in Krampnitz enthält. Ein anonymer Absender hatte es vor gut drei Jahren den PNN in den Briefkasten geworfen. Das Fundstück stammt aus dem Jahr 1971. Sehenswert in der neuen Sonderschau ist auch eine Karte von Potsdam, in der angeblich abhörsichere Telefonleitungen eingezeichnet sind, mit denen die verschiedenen sowjetischen Standorte in Potsdam offenbar untereinander verbunden waren. Über der größeren zentralen Karte mit den rot gekennzeichneten sowjetischen Standorten in Potsdam hat Kurator Wittenberg - gleichsam über das Stadtgebiet verteilt - einige Telefone installieren lassen. Deren Besonderheit: Sie haben keine Wählscheibe. „Die sind einfach skurril“, sagt Wittenberg über die Telefone.

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