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Potsdam: Mitarbeiter in Aufruhr: Ernste Turbulenzen im Oberlinhaus

Streit und Probleme beim Dachverein von Potsdams drittgrößtem Arbeitgeber: Gerüchte über Schuldenberge beunruhigen die Mitarbeiter, Matthias Platzeck legt sein Mandat im Aufsichtsrat nieder - doch die Konzernspitze schweigt.

Im Potsdamer Sozialunternehmen Oberlinhaus, mit 1800 Mitarbeitern inzwischen der drittgrößte Arbeitgeber der Stadt, gibt es offenbar massiven internen Streit. Nach einer Umstrukturierung werden Mitarbeiter über die finanzielle Lage des Konzerns im Unklaren gelassen.

Eine interne Finanzaufstellung für das Jahr 2016 weist nach Informationen des Recherchezentrums Correctiv rote Zahlen im niedrigen siebenstelligen Bereich für den diakonischen Dachverein als Untergruppe auf. Die finanzielle Lage des Mutter-Vereins ist nicht zu verwechseln mit der Bilanz für den Gesamtkonzern: Der Konzern Oberlinhaus hat im Jahr 2016 ein positives Jahresergebnis im niedrigen siebenstelligen Bereich erwirtschaftet. Doch Nachfragen zur Finanzlage beantwortete die Vereinsführung zunächst nicht. Auch schaffte sie es bislang nicht, Ruhe in die besorgte Belegschaft zu bringen.

Matthias Platzeck (SPD) legt Mandat im Oberlin-Aufsichtsrat nieder

Erst in dieser Woche sagte der kaufmännische Oberlin-Geschäftsführer Andreas Koch auf direkte Anfrage: „Ob wir rote Zahlen schreiben, möchten wir nicht beantworten.“ Auch die Mitglieder des Aufsichtsrats, die am heutigen Samstag zu ihrer Sitzung zusammenkommen, halten sich bedeckt. Zwar lassen die Beteiligten durchblicken, dass die Lage ernst ist. Ansonsten verweisen die Mitglieder des Konrollgremiums auf die Vereinsführung um Koch und den theologischen Vorstand Pfarrer Pfarrer Matthias Fichtmüller, die vom Aufsichtsrat bestimmt und überwacht werden. Selbst Aufsichtsratschef Martin Vogel, Beauftragter der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bei den Ländern Berlin und Brandenburg, will Anfragen nicht beantworten. Der frühere Brandenburger Ministerpräsident Mattias Platzeck (SPD) erklärte überdies dass er aus rein persönlichen Gründen sein Mandat im Aufsichtsrat niederlegt habe.

Inwiefern die Finanzprobleme im Zusammenhang mit den Strukturreformen innerhalb der Unternehmensgruppe zu tun haben, ist unklar. Die Führungshierarchie ist von der Vereinsspitze bis in die Tochterunternehmen vereinheitlicht worden. Koch und Fichtmüller seien künftig in allen Oberlin-Gesellschaften als Ko-Geschäftsführer vertreten, hatte die Unternehmensgruppe im August mitgeteilt. Und: Das Sozialunternehmen sei auf Wachstumskurs - mit der neuen Führungsstruktur reagiere man auf den hohen Wettbewerbsdruck.

Unruhe bei Oberlin, auf Nachfragen heißt es: „Wir sind gut aufgestellt“

Der Umbau hat aber Kosten verursacht. Managementleistungen für die Töchter erbringt nun der Verein, dazu sind mehrere „Referate auf Konzernebene“ geschaffen worden. Allein ein kommissarischer Vorstandsreferent soll binnen eines Jahres Honorare in Höhe von etwa 150 000 Euro bekommen haben. Den PNN liegt eine Belegübersicht über die Zahlungen vor. Damit konfrontiert, erklärte ein Konzernsprecher: Das Oberlinhaus bleibe bei seiner Darstellung, dass die Summe nicht zutreffe.

Die Belegschaft ist wegen des Umbaus und der zögerlichen Informationspolitik der Führung in Aufruhr. Nach mehreren Gesprächen und Briefwechseln erklärten Mitarbeitervertreter, es seien „leider keine unserer konkreten Fragen ausreichend beantwortet worden“. Statt auf Transparenz setzt die Führung des Vereins – der dem „Dienst am Menschen in gelebter christlicher Nächstenliebe“ verpflichtet ist – ihren bisherigen Kurs fort: Es werde nur veröffentlicht, „was wir müssen“, sagte Koch. Bei Nachfragen von Mitarbeitern heißt es von ihm nur: „Wir sind gut aufgestellt.“

Am 25. August 2017 hat das Unternehmen den Geschäftsführer der Oberlinklinik, Michael Hücker, auf außerordentlichen Beschluss mit sofortiger Wirkung und bei Verzicht auf sämtliche Fristen abberufen  – was in der Mitarbeiterschaft für viel Kritik sorgte. Erst Wochen später erklärte der Vorstand den Mitarbeitern, dass „im besten Einvernehmen ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden“ sei. Hücker „konnte die strukturellen Veränderungen im Oberlinhaus nicht mittragen“, teilte der Konzern auf Anfrage mit.

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Hinweis: Wir haben die frühere Fassung des Beitrags am 27. Oktober 2017 geändert. Das betrifft die Passagen zu den Finanzen des Vereins, zum Mandatsverzicht von Matthias Platzeck, zum Honorar des Vorstandsreferenten und zur Abberufung des Klinikleiters.

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Dieser Artikel ist eine Kooperation zwischen den Potsdamer Neuesten Nachrichten und Correctiv. Das gemeinnützige Recherchezentrum finanziert sich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Weitere Informationen auf www.correctiv.org

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Die gesamte Recherche zum Oberlin-Haus in Potsdam lesen Sie am Samstag in der Print-Ausgabe der PNN.

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