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Original. In der Nagelkreuzkapelle steht noch der originale Abendmahlstisch der Garnisonkirche, um den sich Lutheraner und Reformierte am 31. Oktober 1817 versammelten.

© S. Gabsch

Potsdam: „Mit Pauken und Trompeten“

Vor 200 Jahren feierten die lutherische und die reformierte Gemeinde der Garnisonkirche zum ersten Mal zusammen das Abendmahl. Auch der König war dabei.

Potsdam - Wenn in diesen Tagen die Potsdamer Garnisonkirche einmal mehr im Mittelpunkt des städtischen Diskurses steht, so wird die Geschichtsdebatte um das einstige preußische Gotteshaus erneut befeuert werden. Der „Tag von Potsdam“ ist offenkundig eine schwere Hypothek.

Weit weniger im Fokus der Betrachtungen steht dagegen ein kirchengeschichtlich durchaus bedeutendes Ereignis, das sich in diesen Tagen zum 200. Mal jährt. Am Reformationstag des Jahres 1817 feierten hier die lutherische und die reformierte Gemeinde der Hof- und Garnisonkirche unter Anwesenheit von König Friedrich Wilhelm III. das erste gemeinsame Abendmahl. Was heute in einer stark säkularisierten Gesellschaft wenig spektakulär klingt, war damals hingegen ein Ereignis, dem große Aufmerksamkeit sicher sein konnte. Der König selbst hatte das gemeinsame Abendmahl in Potsdam initiiert.

Den ersten Anstoß für Abendmahlsfeiern in Preußen, an denen Lutheraner und Reformierte teilnehmen durften, gab der Monarch aber nicht. Die Bewegung hin zu gemeinsamen Gottesdiensten mit Abendmahlsfeiern habe sich zuvor schon in Berlin „relativ unabhängig vom König“ vollzogen, erklärt der Potsdamer Wilhelm Hüffmeier. Der Theologe hat sich eingehend mit der historischen Annäherung von Reformierten und Lutheranern in Preußen befasst und war bis 2003 letzter Leiter der damals nahe dem Bahnhof Zoo beheimateten Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union.

Der Gottesdienst in der Garnisonkirche am 31. Oktober 1817 sei ein Bekenntnis zu den Reformatoren Luther und Calvin gewesen, sagt Hüffmeier. Während sich lutherische Gemeinden – na klar – auf Martin Luther und seine Lehre berufen, spielt in reformierten Gemeinden das Wirken des aus Frankreich stammende Reformators Johannes Calvin eine bedeutende Rolle. Lutheraner sehen in Brot und Wein des Abendmahls eine leibhafte Nähe Christi, wenngleich – anders als bei den Katholiken – eine Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi nicht angenommen wird. Die Reformierten, deren Kirchen zumeist deutlich schlichter als die Gotteshäuser lutherischer Gemeinden eingerichtet sind, betonen hingegen mehr die Funktion des Abendmahls als ein Gedächtnismahl, wobei auch reformierte Christen, in teils unterschiedlicher Intensität, von einer geistlichen Präsenz Christi im Abendmahl ausgehen.

Doch sowohl den Lutheranern als auch den reformierten Christen ist jedenfalls – damals wie heute – eines gemeinsam: Sie verstehen sich als evangelische Kirche. Und eben diese Übereinstimmung im Glauben wollte Friedrich Wilhelm III. mit seinem Aufruf zur Union beider kirchlicher Strömungen bestärken. In seinem Unionsaufruf vom 27. September 1817 betont der König, einer Vereinigung beider Kirchen „stehet kein in der Natur der Sache liegendes Hinderniß mehr entgegen“, sobald beide Seiten sie nur wollten. Eine regelrechte Verschmelzung von lutherischen und reformierten zu unierten Gemeinden verfügte der Monarch allerdings nicht. Es setzte jedoch eine Entwicklung ein, in der Christen beider Konfessionen zum Abendmahl der jeweils anderen zugelassen sind.

Einzelne Gemeinden gingen allerdings tatsächlich einen Schritt weiter und verstanden sich fortan als unierte Gemeinden, aber sie blieben „eher eine Minderheit, auch weil es an reformierten Nachbarn mangelte“, sagt Hüffmeier. Die Lutheraner waren deutlich in der Überzahl. Zwischen 1817 und 1835 seien im Raum Berlin-Brandenburg etwa 20 bis 25 unierte Gemeinden gebildet worden, darunter die der Potsdamer Heiliggeistkirche.

An der Garnisonkirche hingegen blieben zwei Gemeinden bestehen: die reformierte Hofgemeinde sowie die lutherische Gemeinde, in der vor allem die Militärs zum Gottesdienst gingen. Im königlichen Unionsaufruf findet das Gotteshaus an der Breiten Straße ausdrückliche Erwähnung. Hier werde er am „Säcular- Fest der Reformation“ gemeinsam mit lutherischen und reformierten Christen das „Abendmahl genießen“, schreibt der Monarch. Ein Bericht über den Gottesdienst vom 31. Oktober 1817 ist von Rulemann Friedrich Eylert überliefert.

Als reformierter Theologe leitete er gemeinsam mit seinem lutherischen Amtskollegen Friedrich Wilhelm Offelsmeyer den Gottesdienst in der Garnisonkirche, über den er schreibt: „Die vollgepfropfte Hof- und Garnisonkirche ertönte von Pauken und Trompeten, das Lied ,Herr Gott dich loben wir’ drang zum Himmel und ,Ein feste Burg ist unser Gott’ sang jedes Herz. Der König war mit Seinem ganzen Hause gegenwärtig.“ Der Gottesdienst in Potsdam war allerdings nicht der erste gemeinsame von Lutheranern und Reformierten. Schon einen Tag zuvor feierte man in der Berliner Nikolaikirche einen gemeinsamen Gottesdienst mit Abendmahl. Doch auf Potsdam hatte sich Friedrich Wilhelm III. in seinem Aufruf bezogen. Hier sah er offenbar die große Symbolik.

„Für viele Theologen war die Union die Vollendung der Reformation, weil da wieder zusammenkam, was ursprünglich zusammengehörte, aber über Jahrhunderte auseinandergetreten war“, erklärt der Theologe Hüffmeier. Wenngleich das Zusammenwachsen beider kirchlicher Strömungen nicht in dem Maße einsetzte, wie es sich der König gewünscht hatte, so konnte sich doch in Preußen schließlich eine einheitliche Gottesdienstordnung – allerdings mit regionalen Besonderheiten – durchsetzen. Die Union führte jedoch auch zu einer erneuten Spaltung: Einige Gemeinden wollten die Idee gemeinsamer Gottesdienste von Reformierten und Lutheranern mit Abendmahl nicht mittragen. Sie spalteten sich als Altlutheraner schließlich ab. In Potsdam zeugt davon noch heute die Christusgemeinde in der Behlertstraße.

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