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Kein Strom am Strom. Für Schiffe der Weissen Flotte gibt es zwar eine Stromversorgung. Weil die für Kreuzfahrtschiffe aber nicht reicht, gibt es nun Ärger mit Anwohnern.

© Andreas Klaer

Potsdam: Maschinenstopp auf der Havel

Flusskreuzfahrten von und nach Potsdam sind beliebt, doch Anwohner der Anlegestelle am Hinzenberg sind vom Lärm der Schiffsmotoren und den Abgasen genervt. Jetzt sollen die Schiffe ihre Motoren abschalten, wenn sie anlegen. Doch für die Alternative fehlt Geld.

Potsdam - Von den einmaligen Parkanlagen und Schlössern der preußischen Könige durch Naturidylle an der Elbe, vorbei an der Kulturmetropole Dresden bis in die goldene Stadt Prag – und das Ganze mit Vollpension und optionalem Getränkepaket. Mit solchen Argumenten werben Anbieter für Flusskreuzfahrten von und nach Potsdam. Eine Offerte, die ihr Publikum findet.

Etwa 200 Flusskreuzfahrtschiffe machen pro Jahr in Potsdam fest. In der Saison ist es also durchschnittlich mehr als ein Schiff pro Tag. Wie viele Touristen tatsächlich mit solchen Schiffen nach Potsdam reisen, ist unklar, weil sie nicht gesondert gezählt werden. Bekannt ist jedoch, dass diese Art des Tourismus auch unerwünschte Nebeneffekte hat. Anwohner der Anlegestelle am Hinzenberg und im noblen Wohnquartier in der Speicherstadt fühlen sich durch den Lärm der Schiffsmotoren und die Abgase belästigt.

Schiffe lassen auch nachts die Motoren laufen

Denn die Schiffe, die an der Anlegestelle in der Regel über Nacht ankern, lassen die Motoren oft ununterbrochen laufen. Grund dafür ist, dass sie mit den Schiffsdieseln auch die Generatoren für den Strom an Bord antreiben – für Licht im Speisesaal und in den Kabinen sowie für die besonders im Sommer beanspruchten Klimaanlagen. Eine andere Wahl haben sie auch nicht, denn eine vielerorts übliche Landstromversorgung ist in Potsdam nicht installiert.

Nun hat das Problem die Stadtpolitik erreicht. Die Fraktion Bürgerbündnis/FDP hat beantragt, prüfen zu lassen, ob für den Schiffsanleger „Am Hinzenberg“ eine leistungsstarke Landstromversorgung installiert werden kann und wie hoch eine Refinanzierung durch Erhöhung der Anlegegebühren wäre. Die Kreuzfahrtschiffe seien ein erheblicher Tourismusfaktor, doch der Kreuzfahrtboom habe auch negative Seiten, so die Begründung. Die Anwohner litten unter Lärm und Abgasen. Außerdem führe bereits der Luftreinhalteplan für Potsdam die Reduzierung der Schadstoffbelastung durch eine bessere Landstromversorgung als Ziel auf.

Die Installation kostet 410.000 Euro

Am Mittwoch stimmte der Hauptausschuss der Stadtverordneten dem Antrag ohne Diskussion zu. Zuvor hatte es schon ein positives Votum im Umweltausschuss gegeben. Doch ob und wann die Schiffe am Anleger ihren Strom per Kabel beziehen, ist damit keineswegs gesichert. Denn die Sache ist durchaus kostspielig: 410 000 Euro plus Umsatzsteuer soll die Installation kosten, schätzt die Stadtverwaltung. Der Hafenpächter, die Weisse Flotte, könne und wolle die Investition nicht übernehmen. Das bestätigt auch deren Geschäftsführer Jan Lehmann. Für den Bedarf der Ausflugsschiffe der Weissen Flotte sei eine ausreichende Stromversorgung vorhanden. Sollten Investitionen im genannten Umfang nötig werden, müsse das der Eigentümer übernehmen – also die Stadt selbst.

Doch die sieht sich derzeit nicht in der Lage, das Kabel – dick wie ein Oberarm – zu bezahlen. „Ohne Förderung ist eine Refinanzierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht gegeben“, teilte die Stadtverwaltung mit. Denn es gibt ein Dilemma: Zahlt die Stadt den Ausbau allein und refinanziert ihn über höhere Gebühren für die anlegenden Schiffe, würden die vielleicht woanders vor Anker gehen und Potsdam meiden. Dann hätte man nur viel Geld versenkt. Nun versucht die Stadt, bei der Investitionsbank des Landes (ILB) Unterstützung zu bekommen. Mit Ergebnissen werde im Januar oder Februar gerechnet.

"Schade, wenn man nicht mehr in Potsdam halten könnte"

Unterdessen erhöht die Verwaltung auch den Druck auf die Betreiber der Kreuzfahrtschiffe. Ab dem nächsten Jahr sollen alle Kreuzfahrtschiffe den Grenzwert für Lärm in der Nacht einhalten. Das sind 40 Dezibel. Einige der Kreuzfahrtschiffe überschreiten diesen Wert, weiß auch Jan Lehmann von der Weissen Flotte. Man habe deshalb in Abstimmung mit der Stadt alle Reeder auf den Grenzwert hingewiesen. Ob der eine oder andere Reeder Potsdam deshalb künftig meiden werde, müsse man abwarten. „Wir haben keine Glaskugel“, so Lehmann.

Ein Anbieter von Flusskreuzfahrten von und nach Potsdam ist Merkur-Reisen. Die Firma aus dem rheinländischen Elsdorf lässt in der Saison wöchentlich zwei Schiffe nach Potsdam fahren. Etwa 1400 Passagiere kämen so zusammen. Es wäre schade, wenn man nicht mehr in Potsdam anlegen könnte, sagte Geschäftsführer Rüdiger Blaume. Potsdam passe einfach besser in eine Reihe mit Dresden und Prag als Berlin-Tegel. Andererseits sei Landstrom andernorts nicht unüblich. Er hofft auf eine pragmatische Lösung. Auch bei Potsdams Tourismus-Marketing hofft man auf möglichst wenige Schwierigkeiten für die Kreuzfahrtanbieter. Deren Reisende seien vom Umsatz für Potsdam zwar eher unbedeutend, weil sie weder in der Stadt übernachten noch Restaurants besuchten. Allerdings sei es für Potsdam ein Imagefaktor, bundesweit in den Werbeanzeigen der Anbieter aufzutauchen. Man hofft auch auf „Wiederholungstäter“, also Passagiere, die Potsdam wieder besuchen.

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