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Potsdam macht am Wannsee Theater: Alle Wetter

Trotz des unbeständigen Wetters – neben dem Programmheft verkauften die Platzanweiser auch Regencapes – war die "Carmen"-Premiere am Donnerstagabend mit rund 3200 Besuchern beinahe ausverkauft.

Buh-Rufe handelten sich an diesem Abend nur einige Gäste ein: Weil im VIP-Bereich die Pausenglocke kaum zu hören war, füllten sich die Reihen für den zweiten Teil von „Carmen“ bei den Seefestspielen mit Verspätung – was das übrige Publikum mit lautem „Buh“ quittierte. Herzlichen Applaus dagegen gab es am Ende der Vorstellung für die Inszenierung von Volker Schlöndorff auf der Bühne am Strandbad. Gefeiert wurden besonders die beiden weiblichen Solistinnen Julia Rutigliano in der Titelrolle und Viktorija Kaminskaite, die als anrührende Micaëla überzeugt hatte.

Trotz des unbeständigen Wetters – neben dem Programmheft verkauften die Platzanweiser auch Regencapes – war die Premiere am Donnerstagabend mit rund 3200 Besuchern beinahe ausverkauft, wie sich die Veranstalter freuten. Unter den Gästen waren neben Außenminister Guido Westerwelle (FDP) – sein Lebensgefährte Michael Mronz ist Mitgesellschafter der Opernfestspiele – auch der US-amerikanische Schauspieler John Malkovich („Der Unhold“), den eine langjährige Freundschaft und zwei gemeinsame Filme mit Volker Schlöndorff verbinden. Er sei extra aus Frankreich angereist, um zu sehen, wie Schlöndorff den Carmen-Stoff auf die Bühne bringt, sagte Malkovich den PNN. Auch einen neuen Film mit Schlöndorff könnte es bald geben: „Er hat mir ein Drehbuch gegeben“, verriet der Schauspieler. Ebenfalls auf dem roten Teppich: TV-Moderatorin Enie van de Meiklokjes, Filmproduzenten-Legende Artur Brauner („Der brave Soldat Schwejk“)– „Es gibt keine schöneren Melodien als Carmen“ –, Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, Verleger Florian Langenscheidt nebst Gattin Miriam – kirchlich geheiratet wird im September in der Potsdamer Friedenskirche – und Friedhelm Schatz, Chef des Filmparks Babelsberg.

„Als bekennender Fan von Live-Spektakeln hat mir der Abend großen Spaß gemacht“, lobte Schatz die Inszenierung, bei der auch Akrobaten und Tänzer mit Varieté-Einlagen für Hingucker sorgten. Begeistert zeigte sich auch Michael Düwel, Chef des Art Departments von Studio Babelsberg. In den Studio-Werkstätten war das von einem Riesenfächer dominierte Bühnenbild gebaut worden. „Es ist schön, dass sich Studio Babelsberg und Volker Schlöndorff da wiedergefunden haben“, sagte Düwel. Schlöndorff war in den 90er Jahren Studio-Chef.

Der Oscar-Preisträger und Wahlpotsdamer selbst gönnte sich nach der Premiere eine Zigarre – sichtlich zufrieden mit der Vorstellung: „Genau mein Geschmack.“ Gemeinsam mit dem Team um Intendant Christoph Dammann, den Musikern der Kammerakademie Potsdam, Dirigentin Judith Kubitz und den Sängern des Neuen Kammerchors Potsdam feierte er die gelungene Premiere dem Vernehmen nach bis drei Uhr morgens.

Insgesamt zwölf Aufführungen wird es bis zum 2. September am Wannsee geben. Angesichts der stimmungsvollen Kulisse geriet nicht nur John Malkovich ins Schwärmen: „Traumhaft!“ Eine dritte Auflage der Seefestspiele dort wird es nicht geben, das machte Veranstalter Peter Schwenkow am Freitag erneut klar. Über „teils absurde behördliche und bürokratische Hürden“ beschweren sich die Organisatoren nicht nur im Programmheft, sondern auch auf der Bühne, wo der Wirt Lilla Pastia im zweiten Akt über „Ärger mit der Senatsverwaltung“ klagen darf – und damit die Publikumslacher auf seiner Seite hatte.

Mit zwei deutschen Städten – darunter Hamburg – und einer Stadt im deutschsprachigen Ausland verhandeln die Veranstalter derzeit. Gespräche mit Potsdam, ursprünglich erste Wahl, gebe es nicht, sagte Intendant Dammann. Ud Joffe, Leiter des Kammerchors, fordert die Stadt auf, mit einem neuen Angebot den ersten Schritt zu machen: „Potsdam ist eine Perle – aber eine Braut darf nicht nur auf den Bräutigam warten, sondern muss sich ein bisschen sexy machen.“

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